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! Der Hauptausschutz des amerikanischen Parlaments hat sich für di« Ratiftzierüng des Schuldenaokvmmens nitt Frankreich ausgesprochen. * Lord Jellieoe operiert. ! Der englische Großadmiral Lord Jelltcoe muhte sich in London einer Operation unterziehen. Sein Be finden wird als zufriedenstellend bezeichnet. Vor dem Urteil in Hirschberg. Vernehmung der Salhverstänvigcn. — Die Aussagen der Gräfin Erika. — Hirschberg, 10. Dezember. In dem Prozeß gegen den Grafen Christian sagte die Mutter des Angeklagten, die Gräfin Erika zu Stol berg-Wernigerode aus, sie hätte den Grafen Eber hard vor 30 Jahren geheiratet; Kinder hätten sie neun gehabt. Ihre Ehe sei nicht glücklich gewesen, siö gebe zu, mit ihrem Schwager Karl in Beziehungen getreten zu sein. Dem Grasen Eberhard, der ihr zuerst untreu geworden sei, habe sie davon Mitte lung gemacht. Eingehend äußerte sich die Gräfin dann über die Vorgänge in der Nacht, in der Gras Eberhard er schossen worden ist. Sie führte aus, ihren Sohn, den Grasen Christian in furchtbarer Verwirrung gefunden zu haben. Die Darstellung von den Einbrechern habe sie geglaubt. Daß Graf Christian in der fraglichen Nacht sich ihr nicht anvertraut habe, könne sie be schwören. Bedingt sei ihr zwar der Gedanke ge kommen, daß Graf Christian an der blutigen Tai beteiligt sein könnte, doch habe sie mit diesem Ge danken eben nur gespielt. Die Briefe habe sie ver brennen lassen, weil sie nicht von dritten gelesen werden sollten. Ter Vorsitzende äußerte dann zu der Gräfin, eS sei auch der Verdacht aufgetaucht, daß sie selbst den Schuß abgegeben habe. Gräfin Erika erwiderte, davon könne keine Rede sei«. Eine Gemeinheit sei es aber, wenn man ihr unterstelle« wolle, ihren Soh« zu der Tat angestiftet zu haben. Die Briefe der Gräfin. Zum Schluß der Vernehmung der Gräfin ver las der Vorsitzende zwei Briefe. In dem einen Brief, der neun Tage vor der Tat geschrieben wurde und au den Grafen Karl gerichtet war, schreibt die Gräfin, die Flügel seien ihr gestutzt, ihr Leben sei nur noch ein Durchschleichen durch die Schluchten dieser Welt, ein solches Leben weitcrzuführen sei sie nicht mehr imstande. Der zweite Brref stammt vom Grafen Karl und ist an die Gräfin gerichtet; er trägt das Datum des Unglückstags und enthält eine versteckte Einladung der Gräfin nach Dresden. Im weiteren Verlaufe des Prozesses wurden di« Kriminal- und Polizeibeamten vernommen, die die Ermittlnngen am Tatorte leiteten. Oberlandjäger Beyer, der in einem dem Schloß gegenüberliegenden Hause wohnt, sagte aus, er habe bei den Verneh mungen am Tatorte den Eindruck gehabt, daß nur Gras Christian der Täter gewesen sein könne. Trotz aller Vorhaltungen sei Gras Christian dabei geblie. ben, daß er nnd sein Vater von Einbrechern über fallen worden waren. Der Berliner Kriminalkommissar Hoppe, dem Graf Christian endlich ein Geständnis ablegte, schil derte die Einzelheiten dieses Vorgangs. Als er nach dem Geständnis den Grafen Christian gefragt habe, warum er nicht schon längst die Wahrheit gesagt habe, habe ihm Graf Christian geantwortet: „Man hat mich falsch behandelt. Man hat mir auch nicht die Möglich keit gegeben, mich am Grabe meines Vaters gleichsam auszusprechen. Auf die Frage: Haben Sie den Schuß abgegeben, würde ich immer mit Ja geantwortet ha ben, aber man sprach immer von einem Mord. Von selbst konnte ich es nicht sagen." Kriminalkommissar Braschwitz-Berlin hielt den An geklagten einer Mordtat nicht für fähig und vertrat den Standpunkt, daß ein Unglücksfall vorliege, also Graf Eberhard fahrlässig durch Graf Christian erschossen worden sein müsse. Dann wurden die Sachverstän digen ausgerufen. Entscheidende Fragen. Ihre Vernehmung leitete der Vorsitzende mit der Feststellung ein, für das Gericht seien zwei Fragen von anßcrordentticher Bedeutung: 1. ist Graf Christian glaubwürdig?, 2. kann vom schießtechnischen Stand punkt aus der Schutz durch die von dem Grasen Chri stian demonstrierten Hantierungen ausgelöst worden sein? Schieß-Sachverständiger Preuß kam in seinem Gut achten zu dem Ergebnis, daß es sich um eine fahr lässige Tötung handele. Aehnlich ä«tzerte sich der Waffensachverständige Schmudcrer. Beide waren der Auffassung, daß sich der Vorgang auch anders abgespielt habe« könne, als es Gras Christian dargestellt habe, weil ein unfrei- williger Schütz« gewöhnlich eine starke Rervenerschütte- rung erfährt und sich deshalb nicht auf alle Einzel, heiten mehr besinnen kann. Ob man angesichts dieser Sachlage überhaupt vo» einer Fahrlässigkeit sprechen dürfe, fei fraglich, eS könne sich auch um einen »n- glücklicheu Insa« handln. Der Schlußakt in Hirschberg, ki« Staatsanwaltschaft beantragt Gefängnisstrafe — Tie Verteidigung forte t Freisprechung. — Hirschberg, 12. Dezember. Der Prozeß gegen den Grafen Christian zu Stol- »erg-Wermgerode wurde am Mittwoch beendet. Tas Interesse der Zuschauer hielt bis zum letzte» Augen- >lick der Gerichtsverhandlung unvermindert an; der Undrang war heut noch stärker als in den Tagen zuvor. Als erster nahm am letzten Derhandlungötag Oberstaatsanwalt Dr. Engel »as Wort. Er führte aus, der Oeffentlichkeit sei es nelfach unverständlich gewesen, daß die Anklage nicht mf Mord gelautet hätte. Aber die Staatsanwaltschaft labe sich an das Gesetz halten müssen. Aus der Vor- uttersuchung habe sich nur der Verdacht aus fahr- Lssige Tötung ergeben. Diese Ansicht hätten auch >ie drei Schießsachverständigen und ebenso die Ber- iner Kriminalbeamten vertreten. Das eigenartige Ver salien des Angeklagten habe der Prof. Schulz mit der Psychopathie des Grafen Christian erklärt. Ucbrigens !ehe der Angeklagte auch nicht wie ein Mörder aus, n' sei eine labile Natur und ein Phantast. Zusammenfassend erklärte dann Oberstaatsanwalt dr. Engel: „Man muß also sagen, daß bezüglich Nord oder Totschlag ein non liquet vorliegt, aber ch gestehe offen, daß ich nur an eine fahrlässige Tö- »ng glaube." Nachdem sich Staatsanwaltschaftsrat Flesch noch iber den Grad der Fahrlässigkeit geimkert hatte, be- mtragte die Anklagebehörde eine Gesamtstrafe von inem Fahr und drei Monaten Gefängnis unter An- echNWg der «ntersnchungshast. ; HW den Verteidigern des Angeklagten betonte ! R-A. Dr. Luetgebrune, wr dem Gericht habe sich eine entsetzliche Schicksals- ' tragödie enthüllt. Eine strafrechtlich zu ahnende Tai ! liege aber nicht vor. Es handele sich um «inen uw ' glückseligen Jungen, dem das Mißgeschick passiert sei, daß er sich selbst die Schuld am Tode seines heiß» geliebten Vaters beimesse. Die Freisprechung del Angeklagten sei notwendig. Der zweite Verteidiger, R.-A. Rusche gab dem Gericht anheim, zu erwägen, ob eine Bestrafung des Angeklagten im Sinne del Strafrechts liege. Das Schlußwort Graf Christians. In seinem Schlußwort führte Graf Christian, sich öfter verbessernd, aus: „Ich bi« schuld am Tode meines Vaters. I« welchen« Verhältnis ich zu meinem Vater gestanden habe, kann ich mit Worten gar nicht sagen. Ste wisse« es ja auch schon alle. Ich möchte nur sagen, daß es für mich ungeheuer schwer ist und daß ich ungeheuer bestraft bin, insofern, als mein lieber Vater, dem ich nur alles Liebe zu tun versucht habe, durch mein« Hand den Tod gefunden hat. Tas ist meine Schuld, die mir niemand abnehmen kann und die ich mit mir in den Sarg nehmen mutz. Ob ich fahrlässig gehandelt habe, muß ich selbstverständlich dem Hohen Gericht zm Beurteilung überlassen." Nunmehr wandte sich der Vorsitzende nochmals an den Angeklagten und fragte ihn: „Sie sind der einzige von uns, der tatsächlich, wenn er will, den letzten Schleier von dem sogenannten Dunkel in Jan, nowitz heben kann. Ist das nun wirklich alles wahr, was Sie uns vom ersten Tage an hier erzählt habend Graf Christian erwiderte mit sehr fester Stimme: Danach zog sich das Gericht zur Beschlußfassung zurück. Graf Christian verurteilt. Neu« Monate Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung. — Hirschberg, 11. Dezember. Im Hirschberger Prozeß gegen den Grasen Christian zu Stolberg-Wernigerode, der angeklagt ist, seinen Vater, den Grafen Eberhard, fahrlässig erschossen zu habe, fällte das erweiterte Schöffengericht folgendes ' Urteil: i Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Tötung zu neun Monaten Gefängnis und zu den Kosten »eS ! Verfahrens verurteilt. 45 Tage Untersuchungshaft ! werden angerechnet. Begründung des Hirschberger Arteils. In der Urteilsbegründung heißt.es u. a.: Das Ge richt ist nicht zu der Ueberzeugung gekommen, es könne ein Vatermord vorliegen. Etwa 40 Zeugen und Sachverständige haben immer und immer wieder er- klärt, daß sie dem Angeklagten keinen Mord zu krauen. Das Gericht habe einstimmig keine Mö- tive für Vatermord gefunden. Haß, Rachsucht, ver letztes Ehrgefühl kommen nicht in Frage. Das Ver hältnis zwischen Vater und Sohn war nicht nur gut, sondern ideal. Auch die Liebe zwischen Mutter und Sohn ging über das rechte Verhältnis nicht hinaus. Auch sonst war kein Konfliktsstoff im Hause vorhan den, daß der Sohn die Waffe gegen den Vater hätte richten müssen. Gegen eine Affekthandlung spricht die Lage des Toten. Für die Annahme eines Mordes seien keinerlei Verdachtsmomente gegeben. Bei dem Lokaltermin sei vielmehr festgestellt worden, daß durch einen kräftigen Schlag das Gewehr losgehen konnte. Nichts spricht dafür, daß der Angeklagte etwa auf den Vater gezielt, ihn also vorsätzlich getütet habe. Das Gericht sei aber zu brr Neberzenguug gekom men, »aß »er Angeklagte nicht die geringist« Vorsicht habe walte,» lassen. Er habe grob fahrlässig gehan delt und mutzte dafür diese Strafe erhalten. Strafmildernd sei sein schwächlicher körperlicher und geistiger Zustand, ferner die durch seine Tat erfolgte wirtschaftliche Schädigung der Familie und schließlich die Tatsache, daß er schon selbst schwer ge nug gestraft sei. ; Bei diesen Worten brach der Angeklagte in Tränen aus. Als der Gertchtssaal sich langsam leerte, nahm die Mutter weinend Abschied von ihrem Sohn. ; Graf Stolberg legt Bernfung ein. — Hirschberg, 12. Dezbr. Graf Christian zu Stolberg-Wernigerode hat noch am Mittwoch abend gegen das Urteil des Hirschberger Gerichts Berufung eingelegt. Der Sturm läßt nach. Seine Folgen. Der Sturm über Dänemark ist im Abflauen be griffen. Neue Sturmsignale sind jedoch noch für dal Kattegat, den westlichen Teil der Ostsee und die Streck« Gjedser—Bornholm gehißt. In Helsingör wurde i> der Nacht der ganze Hafenplatz überschwemmt und aA den Molen bedeutender Schaden angerichtet. Eine süd lich Helsingör liegende finnische Barke riß sich lot und wurde vom Sturm in die See Hinausgetrieben. Schwerer Schaden wurde durch den Orkan aucl bei Skagen angerichtet, wo das Wasser fast das ach hoher Düne liegende Grab des dänischen Dichters Drachmann erreichte. An der Westküste Jütlands trieb der Sturm ein» Mine aus der Kriegszeit an Land; sie explodiert» an den Klippen. Straßen wurden überschwemmt uni Dächer wurden abgerissen. Zwischen den Inseln Lollani und Falster herrschte infolge des Sturmes so geringe, Wasserstand, daß man zu Fuß von einer nach de» anderen Insel hinüber gehen konnte. Desgleichen könnt» man nach der Insel Farö im Auto hinüberfahren. Grotz« Neberschwemmungen i« England. Die starken Regenfälle der letzten Tage haben ein weiteres rasches Ansteigen der Themse zur Folge Der Wasserspiegel hob sich innerhalb 24 Stunden um 28 Zentimeter. Di« Fluten haben stellenweise die Höhe der Re. kordüberschwemmungen im Jannar 1S28 bereits er. reicht. Einzeln« kleinere Städte sind vollkommen von Wasser umgeben. Die Behörden haben einen beson deren Ueberwachungsdieust Mr die Dämme angeordnet. Der englische Dampfer „California", mit 1100 Passagieren aus Indien an Bord, ist 60 Meilen süd lich von New-Brighton aus Grund gelaufen, könnt« später jedoch wieder flottgemacht werden. Zahlreich« Fischerboote werden noch immer vermißt. Die Ad miralität hat den Fischeveischutzkreuzer „Sotton" und Seeflugzeuge zur Hilse entsandt. Verschiedene in New York fällige Dampfer haben bereits telegraphisch ge meldet, daß sie mit ein bis drei Tagen Verspätung dort eintreffen werden. * Fm Packeis stecken geblieben. Der russische Eisbrecher ,Mdtke", der mit zwei Flugzeugen an Bord am 7. November zur Hilfe leistung für den am Nordkap im Packeis steckengeblie benen Dampfer „Stawropol" aus Wladiwostok ausge laufen war, hat sein« Rückfahrt angetreten. Sowohl dem Eisbrecher, als auch den Fliegern ist es wegen der zu dieser Jahreszeit besonders schwierigen Wet- terverbältnisse nicht gelungen, ihr Ziel zu erreichen. Nach den von dem Dampfer „Stawropol" eingegan genen Funkmeldungen hoffen Fahrgäste und Besatzung, bei sparsamem Lebensmittelverbrauch im Eise über wintern zu können. Sport. r: Eine Sportler-Ehrung findet am 17. Dezember durch den Senat von Hamburg statt. Alle erfolgreichen Turner und Sportler Hamburgs werden für diesen Lag zusammen mit ihren Führern zu einem Senatsempfang eingeladen. rr Verlegt wurde die Hauptausschutzsitzung der Deut schen Sportbehörde, die ursprünglich am 14. und 15. De zember in Frankfurt am Main stattfinden sollte, auf den 11. und 12. Januar nach Berlin. Die D.S.B. ist dann gleich in der Lage, die Vorschläge der Deutschen Turner- schaft bezüglich der Zusammenarbeit durchzuberaten und tm Anschluß an die eigene Sitzung die Verhandlungen mit dem Vorstand-der D.T. aufzunehmen. rr I« Batavia will Dr. Peltzer Anfang Januar an an den Start gehen. Auch einen Bortrag will er dort halten. Im Anschluß daran fährt er nach Australien weiter. rr Für die zweiten akademischen Wrltwinterspiele in Davos liegen jetzt schon sieben Meldungen vor, nämlich die von Italien, Holland, Ungarn, Oesterreich, Spanien, Jugo slawien und der Schweiz. Man erwartet als weitere sichere Teilnehmer Deutschland, Frankreich, Polen, Tschechoslowa kei und England außer einigen kleineren Staaten. rr Der Kmnpf Diener—Carnera, der am 17. De zember in der Londoner Alberthall stattfinden soll, ist nach wie vor zweifelhaft. Diener hat vorläufig noch Start verbot, da er den Kampfvertrag, den er englischen Mel dungen zufolge besitzt, der Boxsportbehörde nicht vorge legt hat. r? Tcutsch-Obcrschlcsien schlug die Amateurboxer von Polnisch-Oberschlesien in Gleiwitz mit 10:6 Punkten. rr Tic Orford Canadians spielen am 13. und 14. De zember im Berliner Sportpalast gegen den Berliner vchlittschuhklub. Die Toronto-Canadians werden am 19. Dezember in Berlin erwartet. rr SSO Züge in 2« Minuten. Capablanca begann in Wien die Stmultan-Partien. Er spielte auf 40 Bret tern und stand um Mitternacht nur bei einer einzigen Partie auf Verlust. Bis zu dem genannten Zeitpunkt hatte er zehn Partien gewonnen und drei unentschieden gemacht. In den ersten 20 Minuten seines Spieles spielte er so rasch, daß er 300 Züge durchführte. Von den Geg nern sind 37 Herren und drei Damen. Capablanca steht auf allen Brettern klar überlegen. Gegenklage für den 12. Dezember. 1766 f Der Dichter Joh. Christoph Gottsched in Leip zig (* 1700) — 1801 * König Johann von Sachsen in Dresden (f 1873) — 1858 * Der Afrikakämpfer Major Karl Freiherr von Gravenreuth in München ff 1891) — 1865 * Der Reisende Karl Georg Schillings in Düren (f 1921) — 1872 * Der Maler und Schriftsteller Heinrich Bogeler in Bremen — 1880 * Der Maler und Illustrator Hugo Steiner-Prag in Prag. Sonne: Aufgang 7,56, Untergang 15,51. Mond: Aufgang 13,33, Untergang 2,30. * Gedenktage für d«n LS. Dezember. 1545 Eröffnung des Trtdentinischen Konzils — 1769 f Der Dichter Christian Fürchtegott Gellert in Leipzig I* 1715) — 1797 * Der Dichter Heinrich Heine in Düssel dorf ss 1856) — 1816 * Der Ingenieur Werner v. Sie mens in Lenthe bei Hannover ff 1892) — 1836 * Der Maler Franz v. Lcubach zu Schrobenhausen in Oberbavern