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unser Kind gut, Lotte. Rosa darf es nie an Mwas fehlen. Ueberlaß sie nie den Dienstboten, versprich eZ mir, Lotte.' Er streckte ihr die Hand über den Lokaltisch hin. »ßlber fa doch', sagte Lotte ungeduldig, und legte Wchttg ihre Hand in die seine. Er zog seine Hand zurück, nahm sein Schnupftuch und schnaubte sich laut. Danach fuhr er mit dem Tuch über die Augen. Sie waren ihm feucht geworden. Lotte gewahrte es und sagte: .Wegen Rosa kannst du beruhigt sein, ich sorg' schon gut für sie.' »Ja, fa, natürlich — es ist lächerlich, daß ich dich erst daruin lütte. Aber weißt du, Lotte, die Trennung von dem Kinde ist mir so schwer. Es kann ihm doch etwas zu stoßen, während ich fort bin. Gott schütze es, daß dies nicht geschieht! Versprich mir, Lotte, mir jeden Tag Nachricht zu geben!' Sie versprach auch das. .Und falls Hanna sich melden sollte — ich erwarte, daß sie mich uch. Geld bitten wird —, so schicke ihr das Ge wünschte sofort telegraphisch. Aus materieller Not können wir ihr ja zum Glück noch immer helfen. Und das werden wi" doch auch stets tun, wenn sie uns darum bittet — was. Lotte?' Lotte nickte. .Ja, gewiß, Jakob.' „Hoffentlich läßt Donat sein Kind nicht abholen. Da er es bis jetzt nicht getan hat, wird er es wohl kaum mehr tun. Du behieltest Nora doch auch gern bei dir?' „Ja, gewiß, Jakob.' Es fiel ihr auf, vaß sie ihm diese Antwort schon ein mal gegeben, und sie schämte sich, daß seine Sorgen und Angelegenheiten sie so unberührt ließen. Ihre Gedanken gingen einen ganz anderen Weg als die seinen. Sie waren nicht mit den Nöten anderer beschäftigt, sondern mit der eigenen großen Not, die aufgestanden war, um hart und unbarmherzig Erlösung zu fordern. „Lotte, sieh zu, daß alles gut geht, während ich nicht da bin', mahnte Jakob wieder, und er sah sie mit einem beinahe flehenden Blick an. „Sei unbesorgt, ich werde nach dem Rechten sehen.' „Ich begreife nicht, daß mir die Trennung so schwer wird. Sie ist doch nur für kurze Zeit', klagte er, und seine Hand tastete wieder nach der ihren. Ihr Blick fällt auf feine Hände, die klein, fett und voll roter Haare sind. Es fällt ihr eist, daß die Hände sich einmal in Gier nach ihr ausgestrecki und sie sie zurückgestoßen hat. Heute legt sie leicht die ihren darauf. Sie fühlt, daß ihm beklommen zumute ist, gerade so wie ihr. Ahnt er, daß ihm in Zukunft Schweres bevorfieht? Westphal betrat den Wartesaal und sah sich suchend nach ihnen um. Geyer machte sich bemerkbar. Na da sind Sie ja, Schwager', begrüßte er ihn, „wollen Sie die Freundlichkeit haben, Plätze für uns zu reservieren!' . . Westphals dienstbeflissenem Davonsturzen sah er lächelnd nach. Der freut sich, daß er für ein paar Tage hinauskommt. Wie ein Junge aufs Eisenbahnfähren freut er sich. Er ahnt wohl nicht, wie wenig schön die Gegend ist, in die wir fahren.' .Ein—stet—gen — Richtung Frankfurt, Glogau, Bres lau, Königshütte, Kattowitz', rief ein Beamter in den Wartesaal hinein. wintte dem Kellner. .Zahlen! Zwei Kaffee, ein Kirsch." viel Zett', sagte der Kellner beruhigend, ein, das Geyer auf den Tisch gelegt. Handtasche und verließ, von Lotte ge- Der Zug stand schon bereit. In vor den CoupLs. L ^Elte der Briefträger, der den Gepäckkarren über den Perron schob d-» A,m ,-a ft- Eil-, „Die Kerle fahren drauflos!' schimpfte er. „Ganz gleich, ob sie einen umstoßen.' Die Türen wurden aufgerissen. Die Menschen drängten zum Zuge. „Auf Wiedersehen, Lotte!' Geyer zog seine Frau an sich und küßte sie schmatzend. Sie nahm ihr Spitzentüchelchen aus dem Perlbeutel und tupfte sich die Augen; heimlich fuhr sie auch damit über den Mund. Vor dem Coupäfenster stehenbleibend, sah sie so lange zu ihrem Manne, der aus dem Fenster lehnte, hinaus, bis ver Zug sich in Bewegung setzte... Es war ein Uhr nachts, als Geyer und Westphal in Grachenberg ankamen. Mit ihnen stieg nur noch ein ein ziger Herr aus. Nachdem sie alle drei die Bahnsteigsperre passiert hatten, wandte sich Geyer an den Fremden mit ver Frage, ob er in Grachenberg Bescheid wisse? Er bejahte. Geyer fragte nach dem besten Hotel. .Hotel — so etwas gibt es hier nicht. Nicht allzu weit von der Station befindet sich ein Gasthaus kleinsten For mats, das ist alles. Wer gezwungen ist, die Nacht über hierzubleiben, muß schon damit fürtieb nehmen.' „Sie haben dort schon logiert?' „Schon oft.' „Also ist es erträglich?' Der Gefragte lachte. „So, so. Was soll man machen, man mutz es doch ertragen, wenn kein anderes am Orte ist.' „Na ja, natürlich.' Sie machten alle drei den Weg zusammen, der in der Dunkelheit kaum erkennbar war. Geyer und Westphal blieben immer ein paar Schritte hinter ihrem Begleiter zurück. Einmal blieb der stehen und wies mit der Hand in die Richtung, in der das Gasthaus lag. „Das Haus, über dessen Eingang die schmiedeeiserne Laterne hängt, ist es', erklärte er. Geyer schüttelte den Kops. „Donnerwetter, das scheint eine gute Spelunke zu sein. Da kann man wohl totgeschlagen werden?' „Wenn gleich einer bet ver Hand ist, der es besorgt, warum nicht? Aber Sie sehen ja, ich lebe noch, obwohl ich schon ein halbes Dutzend mal vort übernachtet habe.' Westphal beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Geyer fragte weiter: „Was ist der Witt für ein Mensch?' „Ganz interessanter Kerl, kann nett erzählen. Wissen Sie, er Hai früher mal zu einer Schmugglerbande gehört, das erzählt er ganz offen jedem, der es hören will. Hier in Oberschlesien sind vie Schmuggler ja zu .Hause, und der alte Ziegert ist ein echter Oberschlesier.' Geyer wurde es unbehaglich zumute. Sich an Westphal wendend, sagte er, so daß ver andere es nicht hören konnte: „Was sagen Sie dazu — eine unbehagliche Ge schichte — meinen Sie nicht?' Westphal war ganz unbesorgt. Was sollte einem passieren? Schliesslich kam man doch nicht in eine Mörder grube! „Nee — nee, aber zu solchem Kerl, der mit Schmugglern in Beziehung steht. Was kann mall da wissen? Ich habe viel Geld bei mir.' Westphal schlug vor: „Wenn es Ihnen recht ist, nehmen wir ein Zimmer zusammen oder nebeneinander gelegen?' „Ja, ja — so wollen wir's machen.' Geyer war kein Held Er sah leicht eine Gefahr, wo keine war Hier witterte er eine. Dass Westphal bei ihm war, gab ihm Beruhigung. ES war doch gut, daß er ihn mitgenommen hatte. Im Gasthause angekoinmen kam ihnen der Wirt, der mittelgross und stämmig war. entgegen. Geyer musterte ihn schars, während er mit den anderen sprach. Kein an genehmer Zeitgründe, stellte er im stillen fest. Er liess auch seinen Blick übe, vie GaZtstubc gehen. Die bestand aus einem grossen niederen Nanin, oon dess-n schwarzberußter Decke eine Hängelampe heralching, vercn mattes Licht über rohgezimmerte Tische unv Stühle flackerte. (Forts, folgt.!