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kehrte. Und da konnte er unschwer feststellen, daß Oberst Graham ein leidenschaftlicher Spieler war. Auf diese Momente gründete Archibald Mantle seinen bis ins genaueste festgelegten Plan. Als der Oberst gerade eine Serie von Pechtagen hinter sich hatte, ließ ihm Archibald Mantle durch ein gefügiges Bankgeschäft minderen Grades eine Aufforderung zu kommen, sich an einer ganz risikolosen kleinen Spekulation zu beteiligen, die binnen kurzem großen Gewinn abwerfen mußte. Der Oberst sah diesen Brief wie einen Wink vom Himmel an. Er hatte in der letzten Zeit viel Geld verloren, viel mehr, als er ohne schwere Einbußen bezahlen konnte. Warum sollte er da eine Chance, die sich ihm bot, nicht nützen? Es wäre eine Torheit gewesen! Das Geld an der Börse sollte einmal nicht bloß in die Taschen der Kaufleute strömen! Schon am nächsten Tage stand er in dem halbdunklen, kleinen Kontor. Was man ihm bot, war einwandfrei und sicher. Es handelte sich um ein Papier, für das sich — wie der Bankier mit Bestimmtheit sagte — der mächtige Archi bald Mantle interessierte. Die Bilanz war vorzüglich, die Aussichten glänzend, dabei war die Börse noch nicht auf merksam geworden, der Kurs daher ziemlich niedrig. Trotzdem wollte der Oberst vorsichtig fein. Am nächsten Abend im Klub ging er auf Mantle zu, und erkundigte sich, wie er glaubte, höchst diplomatisch, nach dem Papier. Mantle schien ein wenig verstimmt darüber zu sein, daß noch jemand etwas von der Sache wußte, konnte aber nicht umhin, nach einigem Zögern und natürlich mit entsprechen der Zurückhaltung eine recht günstige Auskunft zu geben. Das genügte dem Oberst, und am nächsten Tage kaufte er einen größeren Posten der Aktien. Tatsächlich nahm sich schon wenige Tage später die Spekulation des Papiers an, und der Oberst vermochte aus dem Verkauf seiner Anteile einen ganz ansehnlichen Gewinn zu ziehen. Es ging dem Oberst, wie es unzähligen Spielern vor ihm gegangen war und nach ihm gehen wird. Nur, daß er, ohne es zu wissen, einen mächtigen Gegenspieler hatte, der die Karten so zu mischen verstand, daß ihm immer zum Schluß die Trümpfe in der Hand blieben. Oberst Graham gewann und verlor; gewann zunächst etwas mehr, als er verlor, und gerade dieses Hin und Her machte ihn dem Börsenspiel völlig untertan. Das waren ja alles nur miserable Summen, um die es sich handelte. Ein mal aber mußte der große Coup gelingen, der ihn mit einem Schlage aller Sorgen enthob! Wie die meisten Laien, hielt er sich in seinem Innern bereits für sehr sachver ständig, abonnierte eine Vörsenzeitung und studierte sic allabendlich. Und dann liebte er es, mit dem Bleistift in der Hand, zu rechnen, um wieviel diese oder jene Aktie bloß noch steigen mußte, wenn sie ihm ein Vermögen bringen sollte. Die Zahlenreihen, die er auf das Papier warf, gaben seinen Berechnungen — in seinen Augen wenigstens — den Schein der Möglichkeit, ja der zuverlässigen Sicherheit, und im Anschluß an die erfreulichen Resultate seiner Aus stellungen war es ebenso leicht wie angenehm, sich eine schöne Zukunft auszumalen; ein kleiner Landsitz mit einem prächtigen Fischteich, an dem man das Wochenende mit der Angel in der Hand verbringen konnte — was nächst dem Spiel seine größte und immerhin auch keine gefährliche Leidenschaft war. Man konnte wohl auch den Dienst quit- tieren, der nur mehr Aerger verursachte, und zunächst für ein Jahr auf Reisen gehen. Elinor hatte sich längst eine Fahrt nach dem Kontinent gewünscht. Elinor — für sic wäre es ja vor allem, daß er ein Vermögen erwerben wollte. Sie war schließlich nur ein armes Mädchen, das seiner Schönheit wegen beliebt war, aber man mußte doch auch Welter denken. Eine gute Mitgift würde ihre Aus sichten ungemein erhöhen. Ohne das war es nun einmal nicht leicht für ein junges Mädchen. Das war ungefähr die Richtung, die die Träuine des Oberst nahmen, unbeschwert von irgendwelcher Kenntnis des Geschäftslebens, der Börse und all dieser verwickelten Dinge, die in seiner Soldatenlaufbahn nie eine Rolle ge spielt hatten. Es war ein aufregendes Leben, das der Oberst führte. Manchmal schon sah es aus, als ob der große Coup da wäre, aber es war immer nur eine Täuschung gewesen, und der Oberst mußte sich, wie bisher, mit kleinem Gewinn oder Verlust aus der Affäre ziehen. Endlich kam der Tag, der seine Hoffnungen zu erfüllen schien. Die Aktien der North Australian Mining Company waren der große Tip seines Bankhauses. Auch die Börsen zeitung, die der Oberst hielt, brachte geheimnisvolle An deutungen über große Bewegungen, die gerade bet diesem Papier bevorständen. Sie fügte hinzu, daß — wie auS sicheren Quellen verlaute — das Haus Mantle mit großen Posten engagiert sei. Der Oberst fragte wieder Archibald Mantle geradezu. „Das ist ein wildes Spekulationspapier. Man kann daran enorm gewinnen oder enorm verlieren", sagte dieser, und schien nicht geneigt, sich über seine eigene Meinung näher auszulassen. „Für Laien ist es nichts", fügte er schließlich hinzu. Der Oberst verstand diese Aeußerung, wie er sie ver stehen wollte, ohne zu wissen, daß gerade das Mantles Ab sicht war. Er kaufte, was er nur kaufen konnte, und daS kleine Bankgeschäft war so entgegenkommend, nur eine geringe Deckung zu verlangen. In der Börsenzeitung wurde das Papier heftig dis kutiert, und die Folge war, daß es ein wenig stieg. Nicht viel; gerade nur so, daß man spürte, es wäre ein Inter esse da. Einige Tage stieg es abermals, und diesmal schon ganz merklich. Man war aufmerksam geworden, und auch außer halb der Börse galt „North Australian" für einen guten Tip. Der Oberst war nie imstande gewesen, Geheimnisse zu bewahren, auch war er viel zu stolz auf seine Erfolge, und so hatte er einigen seiner vertrauten Freunde verschiedenes von seinen Börsenerfahrungen erzählt. Darunter auch dem Major Mac Daniel, seinem alten Kameraden, mit dem ihn enge Freundschaft noch von Indien her verband, die sich während des Weltkriegs vertiefte, als Mac Daniel bei Cha teau Thierry den Obersten Graham mit Gefahr deS eige nen Lebens aus einer verzweifelten Situation rettete. Der Oberst, froh, seinem Freunde einen Dienst erweisen zu können, um so mehr, als er ihn ständig in finanzieller Bedrängnis wußte, vertraute dem Major an, daß er von einer großen, gefahrlosen Chance gehört habe, ein Ver mögen zu verdienen. Der Major war ein glänzender Soldat, ein vorzüglicher Reiter und Schütze, der Liebling aller Gesellschaften, aber er war ein unverbesserlicher Spieler und Schuldenmacher. Sein Grundsatz lautete: Du mußt so viel Schulden haben, daß du bequem davon leben kannst. Und man muß zugeben, daß er mit Erfolg bemüht war, diesem Grundsatz nachzuleben. Wo er noch seine Geld quellen fand, war nicht leicht zu erklären, denn es gab kaum jemand, der die zerrütteten Verhältnisse des Majors nicht kannte. Aber seine persönliche Liebenswürdigkeit und Ge fälligkeit war so groß, daß er immer wieder einen Freund entdeckte, an den er nie mehr gedacht hatte, und der sich ein Vergnügen daraus machte, dem Major zu helfen. Auch Oberst Graham hatte schon manchmal einspringen müssen, wenn es galt, einen Skandal zu vermeiden. Trotz der eigenen, nichts weniger als geordneten Situation, konnte er dem alten Freunde niemals seine Bitten ganz ab schlagen. In diesen Tagen war nun die Hoffnung „North Austra- lian" wie ein Komet an dem Börsenhimmel aufgetaucht. Der Oberst besaß schon einen erheblichen Posten, aber n