Volltext Seite (XML)
Lienhart fühlte sich äußerst unbehaglich. Er warf einen HUfesuchenden Blick nach seiner Frau, aber diese hörte gar nicht zu, da sie völlig von Fanutti in Beschlag genommen war. Gr versuchte noch einmal einen schwachen Wider stand. »Muß eS denn gerade heute sein? Heute rede ich nicht gern von Geschäften, Ui..., Ui.. .* «Szigeth*, ergänzte der Duzfreund. Sie hatten beide schon wieder vergessen, daß sie noch vor kurzem Brüder schaft getrunken hatten. «ES mutz sein*, setzte der junge Mann mit feierlicher Miene hinzu. «ES handelt sich um Ihr Glück, um mein Glück.* «HaS Sie nicht sagen, Ui..., Ui.. .* Lienhart würgte tnnkssr wieder an dem Namen. Aber es schmeichelte ihm, daß der Mann von «Bureau* sprach. .«Meinetwegen*, sagte er halb neugierig, halb ver- der Tür begegneten sie Hans, der seinen Auftrag auSgerichtet hatte. «Frau Hellborn läßt danken*, verkün dete er mit Heller Stimme, «aber sie habe noch Kopfweh von gestern.* «Auch gut*, sagte Lienhart, und verschwand mit seinem neugewonnenen Freunde. «Sehen Sie, Herr Baron*, erklärte Mutter Lienhart, «so ist sie. Jetzt ist die vornehme Madame schon wieder nicht zum Mittagessen eingeladen Auch Friedrich brachte eine Absage. „Herr Essinger wäre beschäftigt und Frau Effinger habe sich gestern den Magen verdorben.* «Macht, daß ihr hinauskommt*, sagte Mutter Lienhart LeW zu den beiden Jungen. «Euch kann man nicht schtMÜ. Macht euch fertig für den Spaziergang!* Fanutti tröstete die sichtlich Betrübte. «Das ist der Neid über Ihr Glück. Effinger kann nicht ertragen, daß Lienhart zu folchem Vermögen gekommen ist. Nun ist er nicht wehr allein reich.* "«Meinen Sie, Herr Baron?* «Gewiß! Sie machen jetzt ein Haus, Sie haben FrÄtNde; Leute der Wissenschaft, des Adels, gehen bei Ihnen ein und aus... Die Effingers fühlen sich von Ihnen überflügelt, sie fühlen sich unterlegen. Ist es wahr, Frau Lienhart, man spricht von fünfzigtausend?* , «WaS, fünfzigtausend? Mehr als hunderttausend!* erwiderte sie in einfältigem Hochmut. «WaS Sie nicht sagen? Und Sie haben das Geld in Händen?* «Gewiß! Da fehlt keine Mark dran!' «AprqpoS*, sagte der Südländer warnend, «mich geht e'S ja nichts an, aber man muß an alles denken. Ich bin viel in der Welt herumgekommen und es gibt schlechte Menschen, ich weiß es aus Erfahrung. Sie haben doch das Geld gut verwahrt, Frau Lienhart?* Einen Augenblick überflog er die Stube, die mit den unordentlich umherstehenden Stühlen, dem Chaos des Vicht abgetragen«? Geschirrs, mit ihrer trägen, von Rauch geschwängerten Lust einen häßlichen Eindruck machte. Die Meisterin hatte die Antwort aus der Zunge, aber sie sah seinen suchenden Blick, und mit einem letzten Rest von Schlauheit und Vorsicht unterdrückte sie, was sie sagen wollte. ,O ja, da bin ich auch noch da', gab sie zur Antwort. «Die Frau Lienhart ist nicht so dumm. Unser Geld ist gut aufgehoben.* Fanutti schien leicht enttäuscht, aber er lenkte ein. „Ich meine nur', sagte er geheimnisvoll. „Ehrlich gestanden* — und er sah die Meisterin mit einem Blick an, der die Ehrlichkeit zum Ausdruck bringen sollte —, „ich traue dem UtSzlgeth nicht so ganz. — Ich hoffe, der Meister hat das Geld nicht drunten im Bureau.* Mutter Lienhart erschrak furchtbar. „Was Sie nicht sagen, Herr Baron? Aber der Doktor ist doch Ihr Freund?' Fanutti machte eine abwehrende Handbewegung. „Wie man's nimmt. Näher kenne ich ihn nicht. Wir wohne» nebeneinander und verkehren miteinander, wie junge Männer miteinander zu verkehren pflegen. Aber er hat etwas, was mir nicht gefällt. Selbstverständlich bitte ich um volle Diskretion... Ich kann auch nicht das geringste über ihn aussagen. Es kam mir nur so ein Gedanke: Wenn der Herr Lienhart das viele Geld drunten hätte — und er ist so allein...' Die Meisterin stand aus und wollte, so schnell es ging, die Stube verlassen, aber der Schreck war ihr in die Knie gefahren. ' „Das bare Geld nicht!* jammerte sie. „Aber die Obliga tionen! Die Wertpapiere! Ueber sechzigtausend Mark! Ich habe sogleich zu Lienhart gesagt, er soll sie nicht in den Sekretär tun.* Fanutti erwischte sie am Arm und zog sie sanft aus ihren Stuhl zurück. „Bleiben Sie doch, so gefährlich ist die Sache nicht. Ueberhaupt war es recht dumm und schlecht von mir, an so etwas zu denken, ßs war die reinste Sorge um Sie. Aber am Hellen Tage kann ja doch nichts passieren.' „Nicht wahr*, sagte Mutter Lienhart aufatmend, „und morgen bekommen wir einen Kassenschrank.* „Morgen schon? — Nun ja, dann sind Sie außer Sorge.* Träumerisch sah der junge Mann zum Fenster hinaus, seine Gedanken schienen anderswo zu weilen, die feurigen schwarzen Augen erhielten nun einen schwärmerischen Glanz. „Sie sind glücklich, sehr glücklich*, sagte er nach einer Pause, während der ihn Mutter Lienhart nicht zu stören wagte. „Reichtum ist Macht, Macht ist Glück. Aber die Armut drückt. Was nützt mich mein Adel, meine schöne Heimat? Zerfallen steht das Haus meiner Väter, und der Enkel ist hinausgefioßen in die Welt, damit er suche, sich mit der Hände Arbeit sein Brot zu verdienen.* Mutter Lienhart bekam feuchte Augen. „So schlimm ist es doch nicht*, warf sie schüchtern ein. „Ich hätte ge glaubt, Sie haben Ihr gutes Auskommen.* Der arme Sohn des Südens schien nicht zu hören. „Einst träumte ich von einer goldenen glücklichen Zu kunft. Ich sah mich das Haus meiner Väter aufbauen; prunkvoll erhoben sich wieder marmorne Säulen und die warme Sonne strahlte vom tiefblauen Himmel auf das weißschimmernde Dach. — Aber es ist anders gekommen, es ist anders gekommen!* Ein tiefer Seufzer stahl sich aus der Brust des Unglücklichen. „Nicht verzagen! Nicht verzagen!* mahnte ihn die Stimme seiner Gastgeberin. „Ich sah mich, im Haine der Platanen, bei mir ein süßes, schönes, junges Weib ...' „Sind Sie verheiratet?* unterbrach Mutter Lienhart seine poetischen Ergüsse und in ihre Stimme mischte sich Besorgnis und angenehmes Erstaunen. Fanutti lächelte. „Ach nein. Es war nur ein Traum. Entschuldigen Sie meine Schwärmereien... Aber unser südländisches Blut, mein volles Herz...- Ich vermag mich nicht immer zu bezwingen... Nur das eine wollte ich noch sagen. Soll ich es verraten...? Aber nein, nein, ich sage es nicht.* „Warum denn nicht?* meinte Mutter Lienhart gemüt lich und wieder getröstet. „Wir sind ja unter uns.* „Die Frau, meine Frau, die ich im Traume sah, sie trug Ihnen wohlbekannte Züge.. .* „Na?* fragte Mutter Lienhart äußerst neugierig. „Sie nannte sich Margarete oder auch zu deutsch: Gretchen*, endete der Sohn des Südens mit schmelzender Stimme. So dumm war nun Mutter Lienhart nicht, daß sie nicht gemerkt hätte, wo die Erzählung hinauswollte. Aber sie war sich nicht im klaren, sollte sie jetzt schon ihren Segen geben odet wollte Fanutti noch weiter reden. Das