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LR Z^!Z ^LLZZZZ L Z L LN^ -^«v-7^ - Im nächsten Augenblick standen drei halbe Liter gold farbigen Weißweins aus dem Tische. Lienhart war so verdutzt, daß er kein Wort heraus- brachte. Es hätte auch nichts genützt; denn der Kellner war schon wieder ganz woanders. „Aber Lienhart, wie denkst du dir das? So viel Wein? Wir kriegen ja einen Schwips, ich und die Grete, wenn wir all den Wein trinken sollen!" „Ich hatte doch drei Schoppen Bier gemeint!" erwiderte der Angeredete kläglich. „Wo hast du denn deinen Kopf? In solch feinem Restaurant trinkt doch kein Mensch Bier!" Nun, der Wein war nun einmal da, und er mundete. „Wenn ihr nicht sertig werdet, Helse ich euch", meinte Lienhart edelmütig. Vater und Mutter machten sich jetzt einträchtig an das Studium der Speisenkarte. Es war gut, daß der Kellner ihnen ordentlich Zeit ließ; denn es war ungemein schwierig, diese heillosen Namen zu lesen. Es gab eine kleine Meinungsverschiedenheit. „Braten kann ich auch daheim haben, wenigstens am Sonntag. Wenn ich hier speise, will ich etwas Besonderes!" Schließlich entschied er sich für Rheinsalm. Mutter Lienhart opponierte. „Mit Fisch hat man nicht gegessen", sagte sie praktisch. Darauf berieten sie über Hummermayonnaise. „Hum—mer—majo—nai—se", buchstabierte Lienhart. Sie trauten der Sache aber doch nicht ganz. „Wenn das wieder Suppe ist?" Grete griff in den Disput ein. „Das mutz was ganz Feines sein. Das itzt man an der fürstlichen Tafel." „Was weitzt denn du?" fragte Lienhart mit Hohn. Grete schlug sich beteuernd mit der geballten Rechten in die flache linke Hand. „Ich Weitz es doch ganz gewiß! Ich hab's in einem Roman gelesen, den mir der Stephan gebracht hat." Das zog. „Also essen wir Hummerma—jo—na—ise", entschied Lienhart. Bis der Kellner wiederkam, aß Grete zwei Brote, der Schneidermeister drei und Mutter Lienhart vier Stück. Endlich kam er. Lienhart deutete auf die Speisenkarle, denn er hatte das Gefühl, als könnte es mit dem Aussprechen des schweren Wortes Anstände geben. „Hummermayonnaise?" fragte der Kellner zweifelnd Lienhart warf sich in die Brust. „Jawohl! Aber ein« tüchtige Portion für drei!" . „Nichts dazu?" Dies kränkte den ehrlichen Meister tief. Es ist ihm noch zu wenig, dachte er. „Bringen Sie mal gefälligst, was ich bestelle und nachher wollen wir weiter sehen! — Das ist ein anmaßender Mensch", fügte er hinzu, aber erst, als der Kellner fort war. Kurze Zeit darauf gab es in dem Silbermannschen Restaurant einen sehr bedenklichen Zwischenfall, wie er dort nicht alle Tage vorkam. „Wenn Sie glauben, Sie können mir was Verdorbenes vorsetzen, und ich merke es nicht, so täuschen Sie sich ge waltig", erklärte Lienhart zum Schluß der Debatte. „Das ist ein abscheuliches Teufelszeug, aber kein Essen!" Der Kellner trug schließlich die fast unberührte Hummer mayonnaise wieder fort. Es war ganz still geworden in dem Teile des Restaurants, in dem die Lienharts saßen. Der Meister sagte vor Zorn kein Wort mehr, Mutter Lienhart schämte sich, weil alle Leute zu ihrem Tische her sahen und Grete war völlig niedergeschmettert, weil sie für ihren Teil den Anlah gegeben hatte zu der Szene. Endlich nahte ein würdiger Herr, der schweigend einige Teller vor den unzufriedenen Gästen niedersetzte. Lienhart triumphierte „Seht selbst, daß ich recht hatte. Das war ein Oberkellner. Der bringt was anderes. Ihr werdet sehen, jetzt kommt das Richtige. Man darf sich nur nicht alle- gefallen lassen I" wr Und im Vollgefühl seines Siege? nahm er Ne frische Serviette von seinem Teller. Unter dem weißen Leinen lag ein beschriebenes Kärt chen. „Was ist das wieder?" Neugierig las er, dann wurde er blaß und rot. „Sie werden ersucht, mein Häus in aller Stille zu verlassen. Silbermann." Bald darauf verließ eine kleine Familie, bestehend auS Vater, Mutter und Tochter, das Restaurant Silbermann. Sie sahen betreten und niedergeschlagen aus; voraus ging der Vater, hinterdrein kamen die Frauen. „Ich hab' einen größeren Hunger als zuvor!" sagte endlich Lienharb Darin stimmte ihm seine Frau bet und so schlug sie vor, ein anderes, besseres Wirtshaus auf zusuchen. „Es ist nichts mit den sogenannten feinen Hotels! Das hätte ich im voraus sagen können!" Aber Lienhart hatte die Lust verloren, auswärts zu speisen. „Ich gehe nach Hause! Tut ihr, was ihr wollt!" Dies kam Grete gelegen. Sie hatte auch nicht mehr den geringsten Appetit und mußte notwendig einige Freun dinnen aufsuchen und ihnen ihr Glück erzählen. So blieb Mutter Lienhart ohne Unterstützung und sie entschloß sich, ihrem Herrn und Meister zu folgen, denn erstens getraute sie sich nicht, als anständige Frau allein in ein anderes Lokal zu gehen, und zum zweiten und hauptsächlich hatte Lienhart das Geld bet sich. Auf dem Heimweg wurde nicht viel gesprochen. Unter wegs kaufte Lienhart noch ein ordentliches Stück Schinken wurst, das man mit dem Zollstab messen konnte, Mutter Lienhart aber einen ganz prächtigen Münchener Kipf. Sie sah niedlich aus in ihrem sonntäglichen Aufputz und mit dem schönen langen Brot im Arm, das sie trug, wie die Schildwache ihr Gewehr. Nun konnte man sich wenigstens satt essen. In EUe holte Mutter Lienhart noch einen großen Krug Bie^, denn der Wein hatte Durst gemacht. Man saß also wieder zu Hause an dem improvisierten Mittagstisch, und Lienhart gedachte sich für das verunglückte Festmahl zu entschädigen. Aber es geht manchmal anders, als der Mensch denkt. Kaum hatte er ordentlich ausgeschnitten, als man draußen auf der Treppe Schritte hörte. „Es kommt wer!" flüsterte Mutter Lienhart. „Wer wird's sein? Die Grete!" „Woher doch! So trampelt die Grete nicht! — Herr gott, ich sag's ja! — Tue die Wurst weg und das Brot! Wir können doch nicht dasitzen, nachmittags zwei Uhr, mit Wurst und Brot in der Hand! Das paßt sich nicht für bessere Leute, wie wir sie jetzt sind!" Verzweifelt sah sie sich um, wohin sie die leckere Mahl zeit verbergen könnte; aber sie fand nichts. Schließlich schob sie den Teller mit der Wurst und das Brot einfach unter das alte Kanapee, während Lienhart den vollen Bierkrug in einer dunkleren Ecke neben dem Glaskasten auf den Boden stellte, wo man ihn kaum bemerkte. Er sah selbst ein, daß seine neue soziale Stellung auch Pflichten mit sich brachte.. Es war die höchste Zeit, denn es klopfte schon zum zweiten Male. Mutier Lienhart öffnete die Tür, und sie strahlte vor Vergnügen. „Ach, die Frau Bankier! Wie mich das freut!" Auch Lienhart gab sich den Anschein, als freue er sich, wenn es ihm auch schlecht gelang. Sie wird keine Ewig keit dableiben, tröstete er sich. In der Tat blieb auch die dicke Dame vom ersten Stock nicht sehr lange, sie wollte nur eben ihren Glückwunsch aussprechen, denn das gehörte sich doch, wenn man im gleichen Hause wohnte. Aber gleich nach ihr kamen Herr und Frau Küchlein und diese beiden nahmen es mit ihrem Glückwunsch schon etwas gründlicher. „Ich hoffe, wir werden auch fernerhin gute Nachbarn bleiben", sagte nach längerer Rede mit Würde Herr Küchlein, der mit feiner Frau den Ehrenplatz guj des