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-anapee eingenommen hatte. .Ich bin überzeugt, Sie machen's nicht, wie manche andere, die ihre alten Be- kyynten über die Achsel ansehen, wenn sie mal in die Höhe kommen.' Auch Frau Küchlein sprach eine ähnliche Hoffnung aus. DaS hätte Mutter Lienhart fast übelgenommen. ,WaS glauben Sie von uns? Wir sind nicht die Leute!' Sie gab ihrem Manne einen kleinen Rippenstoß, damit er sprechen sollte. Aber Lienhart schwieg beharrlich, Weniger/aus Stolz und weil er anderer Ansicht gewesen wäre, als weil seine Gedanken anderswo waren. Er hörte nämlich mit Staunen ein eigentümliches Geräusch unter dem Kanapee, das er sich nicht zu erklären vermochte. Endlich konnte seine Unruhe den Besuchern nicht ver borgen bleiben, und auch der Spezereienhändler horchte. .Man könnte meinen, Mäxchen sei da', sagte er kopf schüttelnd. Frau Küchlein bekehrte sich zu derselben Ansicht und ein fröhliches, kindlich reines Lächeln legte sich über ihre ältlichen Züge. »Es ist nichts anderes als Mäxchen. Er ist wahrscheinlich mit heretngekommen. Das ist ein drolliger Kerl, Frau Lienhart! Sie glauben nicht, was uns das liebe Tierchen für Freude macht! Wenn man keine Kinder hat!' Aengstliche Sorge aus den Gesichtern der Lienhartschen Eheleute! .Gewiß hat er ein bißchen was gefunden. So tut er immer, wenn er einen guten Bissen kriegt.' Das war Lienhart denn doch zu viel; er brach los: .-renz Teufel! Ist auch die noch hin!' Und ohne auf den entsetzten Blick seiner Gattin zu achten, sprang er aus, um unter das Kanapee zu gucken. »Ich sag's ja, der Malefizkerl!' Sogleich kam ein kleiner gelber Köter von zweifelhafter Rasse zum Vorschein, der sehr glücklich über seinen Fund zu sein schien. ES war peinlich, Herr und Frau Küchlein gerieten in die größte Verlegenheit. .MSxle, gleich gibst du die Wurst her!' Obgleich der Befehl nicht mißzuverstehen war, bezeugte das Tierchen nicht die geringste Lust, seine Beute los- zulaffen. Im nächsten Augenblick war die Stube der Schauplatz einer lebhaften Hetzjagd, sehr zum Nachteil der bestehenden Ordnung. Als endlich Mäxchen einsah, daß er seinen Besitz nicht lHyger werde behaupten können und daß er sich mit den Stücken begnügen müssen, die er schon verschlungen hatte, ließ er zwar loS, aber es war doch schon eine schauderhafte Mißstimmung eingetreten. Die Spezereihändlerseheleute waren gebildete Leute und entschuldigten sich vielmals, aber Lienhart war so ärgerlich, daß er sich vergaß und behauptete, man nehme anständigerweise keine Hunde mit in anderer Leute Stuben. Daraus bemerkte Frau Küchlein fein, daß es nicht üblich sei, in besseren Häusern Schinkenwurst unter dem Kanapee aufzubewahren, worauf Lienhart mit Recht ant wortete, er könne sie aufbewahren, wo er wolle. Es machte ihm den Eindruck, als ob der Hund zu Hause nicht ge nügend gefüttert werde und er unterließ es nicht, dies zu bemerken. Darüber begannen die Parteien zu streiten und der Streit ging auch nicht zu Ende, als Herr Küchlein ent- rüstet eine Mark auf den Tisch warf und äußerte, er könne die Wurst noch bezahlen. .Ich denke', sagte er, .liebe Frau, wir gehen am besten heim. Wir hätten lieber gleich gar nicht kommen sollen, ich hab' mir'S gleich gedacht.' Der Abschied war auffallend kalt und es war außer Zweifel, daß die Beziehungen beider Familien ziemlich gelitten hatten. Mutter Lienhart schien darüber bekümmert, aber der Schneidermeister machte sich nichts daraus. „Es tut gar nichts, wenn sich die Küchleins ein bißchen fernhallen. Es ist nichts Feines! Es ist rücksichtslos, einen Hund auf Besuch mitzunehmen. Wenn ich den Köter ge legentlich erwische, dann soll er sich vorsehen!' Betrübt betrachtete er die schöne Wurst, wo sie am wenigsten angenagt wäre. Mutter Lienhart war eine praktische Frau, sie nahm ihm die Wurst aus der Hand und schnitt die betreffenden Stellen weg. „So', sagte sie mit zufriedenem Blick, .das ist alles noch eßbar.' Gedankenvoll aßen sie, wenn auch mit vermindertem Appetit. Lienhart lernte einsehen, daß ein derartiger Glücksfall, wie der heutige, selbst in einer großen Stadt nicht un bemerkt vorübergeht. Wenn er glaubte, die Besuche seien nunmehr zu Ende, täuschte er sich nicht wenig. Was bis jetzt gekommen war, war erst der Anfang. Nach den Küchleins kamen die Nachbarn, nach den Nachbarn die Freunde, nach der Freundschaft die Verwandtschaft. Zuerst hatten die Lienharts die Wurst immer wieder in die Schlafstube getragen, wenn sie jemand auf der Treppe hörten, allmählich wurde ihnen dies aber zuviel. „Jetzt esse ich weiter', sagte Lienhart, „und wenn ein General kommt!' Es kam aber keiner. Dagegen mehrten sich bekannte und unbekannte Bedürftige, die, um Gotteslohn, sich auch ein bißchen von dem Ueberfluß erbaten. Lienhart war ein guter Mann, und das Geben machte ihm Freude. Es schmeichelte auch seiner Eitelkeit, als Krösus zu gelten unter diesen armseligen Leuten, die früher seinesgleichen waren. Den ersten drei gab er je zwanzig Mark, den beiden nächsten noch die Hälfte. „Jetzt ist Schluß!' erklärte er. „Wo übrigens die Grete solange bleibt? Es will mir nicht recht gefallen, das Mädel muß wieder besser unter die Fuchtel!' „Hab' durchaus nichts dagegen einzuwenden, sie ist ein freches Ding! Sag' ihr's mal ordentlich, vor mir hat sie ja doch keinen Respekt! — Aber ich weiß wohl, wenn sie da ist, hältst du ihr doch die Stange und guckst in sie hinein, weil sie die einzige ist.' Lienhart schüttelte den Kopf. „Wahr ist's, sie hat einen Charakter, einen Charakter!' Welchen Charakter sie habe, darüber sprach er sich nicht aus, er verbarg seine Gedanken hinter der gerunzelten Stirn. Mutter Lienhart nickte. „Darum gehört die Grete jetzt unter die Haube. — Uns wächst sie über den Kopf, aber ihr Zukünftiger, der wird sie zurechtrücken.' Lienhart lächelte in sich hinein. „Wirst sehen, jetzt, weil wir im Geld sitzen, kommen sie haufenweise und wollen das Mädel. Sie ist auch keine schlechte Partie. — Hübsch ist sie, reich ist sie, und einen Charakter hat sie auch, also alles hat sie, was den Mannsleuten gefällt.' „Und was noch eine Hauptsache ist', sagte Mutter Lien hart mit Betonung, „eine gute Erziehung! Sir kocht fast besser als ich selbst. Das von heute mittag ist eine Aus nahme. Und wie die feinen Herren daraus sehen. Gib Obacht, Vater, ob nicht eines schönen Tages ein Aaron kommt oder gar ein Graf. Gräfin Margarete oder Baronin Marga, das klingt fein, sag ich dir!' Wieder schüttelte Lienhart den Kopf, aber er wies den Gedanken gar nicht mehr so weit von sich. Mit Geld ist ja alles möglich, und gar erst mit solch sine» Haufen Geld! Denn nach den Verhältnissen, in denen er bisher geLw- hatte, hielt er seinen Reichtum für unerschöpflich unk un ermeßlich. Sie waren beide von ihren ZukunftSptän«»' so »Mül, daß sie es sogar überhörten, daß wi^er eimnal jemand die Treppe heraufstampft».