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Lop^rt^dt 05 kvucdlvANLer, Nellie (ÄuUe), Auch fie freute sich auf die kommenden Tage. Weniger des Sportes wegen — der war ihr nur Mittel zum Zweck —, als vielmehr wegen der abendlichen Festlich keiten, bei denen es sicher wieder fo fröhlich zuging wie in den verflossenen Bobwintern. Dis Baronin griff nach der Puderquaste, sah in den Spiegel und betupfte sich die Nasenspitze. Sie war noch immer unzufrieden. Und sie sinnierte weiter: Der lange Graf war ja auch angekommen, der junge Führer hatte es ihr erzählt. Er schien eine bedeutende Rolle zu spielen, nicht nur im Sport, sondern auch bei den Frauen, denn der kleine Ber liner Bremser hatte ein paar Andeutungen gemacht, die in der Baronin den Vorsatz aufkommen ließen, sich den Langen etwas näher anzusehen. War er so, wie sie ihn nach den Schilderungen des Berliners einschatzte, so konnten die kommenden Tage allerlei Interessantes bringen; und sie nahm sich vor, alle Künste spielen zu lassen, um den Langen für sich zu inter essieren. Mochte der junge Führer rühig ein wenig eifersüchtig werden — er war ohnehin seit jener Nacht nach dem Eishockeykampf ein wenig zu kühl und hielt eine Distanz, die sie mit ihrer Ablehnung damals nicht hafte schaffen wollen. Die Baronin sah auf die Uhr — mein Gotti — Es war ja schon spät, und gleich mutzte der junge Führer kommen, sie abzuhvlen. „ Nun half es nichts, sie mutzte fort vom Spiegel, wenn sie auch eigentlich noch gar nicht fertig war. Im Aufstehen warf sie den Kimono ab. Vor dem grotzen Schrankspiegel reckte sie einen Moment die schlanken Glieder, deren Eben- matz die hauchdünne Kombination ahnen ließ, und lächelnd mutzte sie denken: „Wenn dich der Lange so sehen könnte!" Doch dann genierte sie sich, streifte das Kleid über, schüttelte noch einmal den Bubikopf, griff zu den Ringen auf dem Toilettentisch, zu Beutel und Taschentüchel und trat in dem Augenblick auf den Flur hinaus, als sich die Tür gegenüber öffnete und der junge Führer, in tadel losem Smoking, gepflegt und nach Lavendel duftend, über die Schwelle schritt. Dreizehntes Kapitel. Unten in der Hotelhalle herrschte Hochbetrieb. Immer neue Trupps von Bobfahrern kamen an, aus allcu Teilen des Reiches strömten sie hier zusammen, um in scharfem Kamps um den Titel zu ringen, der den Sieger auf ein Jahr zum „Deutschen Meister" stempelte. Schlank, grotz, breitschultrig die einen, drahtig, zäh, klein die anderen, auch ein paar Schwergewichte waren darunter, deren Körperfülle auf vereister Bahn die Ge schwindigkeit um wertvolle Sekunden erhöhen würde. Rede und Gegenrede flog hin und her. Renommie rende Berichte über die Bobsleighbahn, von den bereits früher Angekommenen kolportiert, schwirrten durch den Raum, Rufe nach dem Gepäck, Lachen und Fluchen misch ten sich mit den nervös aufgeregten Antworten des Majors, der hinter der halbgeöffneten Tür einer Tele phonzelle mit einem Berliner Preffestenographen zarckte, der ihn am anderen Ende der Letftrng nicht veöftche» konnte. „Zweiundvierztg Schlitten", hörte man ihn wieder und wieder rufen. „Herrgott nochmal, zweiundviMig Schlitten sind gemeldet ...I" Knall, flog der Hörer auf die Gabel. „So ein Esel!" Erleichtert trocknete der Major die feuchte Stache imd war im nächsten Moment schon wieder ganz LechenS- Würdigkeit, als einer der Neuangekommenen an ihn eine Frage richtete. Etwas hilflos stand die Baronin herum; vor junge Führer hatte an der Treppe, die in die Halle mündete, den ewig protestierenden Oberleutnant getroffen, der soeben im Auto angekommen war. Run standen die beidemschon eine Viertelstunde, der Oberleutnant voller Eindrücke über die beschwerliche Reise durch Schnee und Schneewehen, der junge Führer, lebhaft gestikulierend, bei seinen etwas zu stark aufregenden Erzählungen über Kurven, Aufzug, Ge fälle und Vereisung der Schierstädter Bobbahn. Die Baronin hatten sie anscheinend ganz vergessen. Suchend sah sie sich um. Nirgends bekannte Gesichter, lauter fremde Führer, Bremser, Mannschaften, alles eilig und ohne Sinn fiir die schöne Frau, die sich in diesem Augenblick ein wenig verlassen vorkam. Die Baronin war verstimmt. Sie hatte sich ihren »Auf tritt* anders gedacht. Sie hatte am Arm des junge« Führers die Treppe herunlerrauschen wollen, zwischen die unten harrenden und ob ihrer Erscheinung entzückten Herren und neidisch kritisierenden Damen. Sie hatte die ost gehörte wispernde Frager. „Wer ist den» das?", er lauschen wollen — und nun war nichts von all dem ein getreten. In einem der grotzen Klubsessel ließ sie sich nieder; sie stör, denn das kalte Leder griff kühlend an den bloßen Rücken, an die nackten Arme. Gelangweilt und miß gestimmt entzündete sie eine Zigarette und wartete nun, bis der junge Führer mit ihr zu Tisch gehen würde. Sie konnte sich ja nicht vorstellen, was es für «inen Bobfahrer bedeutet, in einer Meisterschaft zu starten. Sie wutzte ja nichts von der großen Sorge, die alle hier um sie herum ergriffen hatte: Werden wir es schaffen? Wird die Mannschaft, wird der Schlitten das hergeben, waS nötig ist, den Sieg zu erringen? Die Baronin kannte den Bobbetrteb doch zu wenig, um zu wissen, daß es hier auf Fünftelsekunden ankam, daß der geringste Fehler in der Steuerung, ein kleiner Aufschlag der Kufen, durch unruhiges Sitzen der Mannschaft her vorgerufen, die gefahrene Zett um Sekunden verschlechtern konnte. Und so blieb ihr das Fieber fern, von dem hi« alles ergriffen schien und das bet den einen in unbibchtger Fröhlichkeit, bei den anderen in schlechter Sanne und Händelsucht seinen Niederschlag fand- Sportleute sind eben eine Klasse fU sich. BoHahiker ganz besonders. Die Erregung des gestchrbringerchen Rennens, vor dem Start besonders groß und erst ÄWEH- lich weichend, wenn die erste Kurve durchlaufen ist, prä-t sich in allen ihren Handlungen auS; sie spiegelt sich w»»« in wildem Zechgelage nach dem Rennen, in der ltchen Kette von Zigaretten vor dem Start, in Reirereist.