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Beilage zur Weiheritz-Zettung Nr. 16 Sonnabend, am 19. Januar 1929 95. Jahrgang Chronik des Tages. — Der Reichstag ist zum 24. Januar zu sein« ersten Tagung im neuen Jah« einberufen worden. l — Am heutigen Sonnabend sollen di« amerikanischeij Sachverständigen durch di« ReparationSkommisfion und dk Reichsregierung ernannt werd««. — Aman Ullah rüstet zu eln«m Gegenangriff aus Kabul, das gegenwärtig von dem zum König auSgerufen« > Banditenführer Bacha Saquo beherrscht Witt». — In Neuwald« in Schlesien wurde der 62 jährig« ! Waldemar Müll« beim Viehfütwrn von einem bösartige« Bullen angegriffen und so schwer verletzt, daß er stark — Die ostpommersche Küste ist in ihrer Gesamtheit vom Eise" blockiert, das eine Breite von 10 Seemeilen («two 1d Kilometer) einnimmt. — Auf Island beginnen die Feld« an gewissen Stelle» infolge d« milden (!) Witterung Breits zu grüne«. — Ein Erdbeben an der Nordküste von Venezuela hat 25 Todesopfer gefordert. — Die Zahl der bei dem Untergang des chinesische« Dampf«- „Hsin Wah" am Hafeneingang von Hokgkong Er trunkenen wird in neueren Berichten mit 403 angegeben Von Woche zu Woche. Randbemerkungen zur Zeitgeschichte. S Aman Ullahs Sturz rechtfertigt Kemal Paschas Verrat am Islam! Der Islam, die Religion der asiatischen Völker, steht der Entwicklung dieser Länder im Wege. Mohammeds Gesetze, einst mit Feuer und Schwerr ausgebreitet, dulden keine Kompromisse und ermöglichen keine Anpassung. Darum hat Kemal Pascha, um den türkischen Staat wieder schlagkräftig zu machen, bet seinen revolutionären Reformen mit rauher Hand in die religiösen Gesetze eingegriffen und den Islam praktisch vernichtet. Aman Ullah ist dabei gestrauchelt, weil er sich nicht, wie der von ihm glühend bewunderte türkische Diktator, auf ein starkes, ergebenes Heer stützen konnte. Der Kampf in Asien geht weiter; in Afghanistan und um Afghanistan. In Persien z. B. entfaltet Rhtza Khan große reformatorische Tätigkeit; südwestlich von Persien liegen sich Ibn Saud und einige sana- tischss Stämme aus gleichen Ursachen in den Haaren. Daraus ergibt sich bereits, daß die Vorgänge in Af ghanistan nur einen Ausschnitt aus einem weit größeren Drama bilden, in dem es nicht um Dynastien geht, sondern um die Zukunft der asiatischen Völk«! Das sittliche Recht in diesen Kämpfen liegt bei den Män nern, die die Fahne des Fortschritts erhoben haben und gegen fanatische Stämme, gegen die Mullahs und gegen die Allmacht des englischen Goldes fechten. Vorerst triumphiert die Sache Englands. Ama« Ullah, der Borkämpf« für ein freies Afghanistan, ist vom Throne gestürmt, sein Brud« Inayat Ullah ist ihm gefolgt, und heute thront als neuer König in Kabul der Äanditenführer Bacha Saquao, der Sohn eines Wasserträgers. Man erzählt von Bacha Saquao, der sich jetzt König Habib Ullah nennt, daß « seine Volkstümlichkeit dem Umstande verdankt, wi der viel besungene englisch« Bandit Robin Hood den Reichen den Besitz wegzunehmen, um ihn an die Armen aufzuteilen. Das hat Bacha Saquao als Räuber groß gemacht. Wenn er sein« Vergangenheit aber auch als König treu bleiben will, dann wird ihn das die Krons kosten. Und die Krone bat sich auch Bacha Saquao ode« ,Fönig Habib Ullah" noch nicht fest aus den Kopf gesetzt. Die Rebellen bei Dschellalabad brennen darauf, selbst Kabul zu erobern, fern« will auch Omar Khan, Aman UNahS Widersacher, König werden, und schließlich denkt Aman Ullah selbst nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Er rüstet vielmehr in den Bergen von Kan dahar, sammelt ein neues He« und plant, im Früh jahr «neut gegen di« Rebellen auf Kabul vorzustoßen. Oder sollte da» dadurch vereitelt werden, daß der neu« König Habib Ullah in sein« Bedrängnis englisch« Hilfe erbettelt? Auf dem Schachbrett d« Welt ist Afghanistan für England vielleicht ein Bauer, den es gegen Ruß- land vorschiebt. Der Bauer ist jetzt ein Feld vorgerückt, er ist zwar noch bedroht, ah« « ist doch vorwärts gekommen. Vielleicht findet England auch Springer und Läufer argen Rußland. In Moskau hegt man in dieser Hinsicht ernste Befürchtungen. Bestärkt werden die Russen darin noch dadurch, daß sich jetzt z. B. Warschau dreht und windet, um mit einem Schlage seine Friedensliebe bekunden und den Paktvorschlag Litwinow» vereiteln zu können. Und doch sollte ge rade Polen jede Hand ergreifen, die zur Beruhigung im Osten beitragen will. AIS Sturmbock gegen Ruf^ land erfreut sich Polen in London und Pari» zwar großer Sympathien, nur kommt ihm diese Rolle recht teu« zu stehen. Wenn Warschau z. B. ein Drittel seiner Einnahmen für seine „Lebensversicherung" — da» Heer — ausgtbt, finden wir, daß die Höhe der Ber- licherunasprämie mit der sonstigen Lebenshaltung nicht tm Einklang steht. He« Zaleski, der polnische Außenminister, ist et» nervöser Diplomat. Und wenn die Diplomaten nt zitterig werden, ruft man gerne das Militär herbei, das einen ruhigeren, ach« auch festeren Handgriff hat. Ob man mit anderen Mitteln nicht viel weiter kommt, ist eine offene Frage. Wir begrüßen es deshalb, wenn Leute, die es eigentlich wissen müßten, versichern, Herr galeski denke daran, etnzulenken. Jedenfalls war es »uffüllig, daß Zaleski in sein« letzten Rede zwar hoch und heilig die Unantastbarkeit der Ostgrenzen betonte, von einer Einmischung in die RäumunaSverhand- lungen ab« nichts mebr sagte. Da» kann aber auch daran liegen, daß es mit der Räumung allweil noch »ute Weile Kat. Selbstverständlich mit d« Gesamträumung; die iw eite Zone muh sowieso in 366 Tagen geräumt Verden. Auch dann, wenn die große Sachverstän- "genkonferenz im Februar die Reparationsfrage »richt vorwärt» brmgt. Die Auswahl Morgans und Owen AoungS al» amerikanische Vertreter spricht zwar dafür, daß man ernstlich um eine Lösung bemüht sein vtrd, nur dürfen wir darüber nicht die vorhandenen Schwierigkeiten übersehen. Dafür, daß die Welt all- inkchlich verständig werden wird, spricht schon, daß man jetzt von den Jahre hindurch genannten astronomischen Ziffern zu Zahlen zurückgefunden hat, die den Bankiers geläufig sind. Den gleichen Schluß kann man aus ein« Aeußerung ziehen, di« im französischen Minister-- vat gefallen sein soll, als man auf die Thes« des früheren Finanzministers und heutigen Groh-Schwind- lerS Klotz, „Deutschland zahlt alles, zu sprechen kam. Briand soll dabei gesagt haben, das sei d« erste angedeckte Scheck gewesen, den Klotz ausgestellt hat. Und da sind wir mit Briand ein« Meinung! Einberufung des Reichstags. Am Donnerstag Beginn der Vollsitzungen. — Das Arbeitsprogramm. — Das Kabinett veröffentlicht den Etat. — Berlin, 19. Januar. Der Aeltesteurat des Reichstages beschloß auf An fang des Reichstagspräsidenten LSde, deu Reichstag zum Donnerstag, den 24. Januar, zu seiner ersten Sitzung im neue« Jahre einzuberufen. Die Frakttous- beratnngen «ahmen bereits am heutigen Sonnabend ihren Anfang. MS Veratrmgs stoss liegen de« Reichs tag einige sozial- und finanzpolitische Gesetzentwürfe bor. Am Donnerstag soll der vom Reichsrat mit Zwei- drittel-Mehrheit verabschiedete Gesetzentwurf üb« sie Rechtsverhältnisse der Wartegeldempfänger zur Beratung kommen. Die Vorlage will die über- zroße Zahl d« Wartegeldempfänger h«absetzen; Warte- -eldempfäng«, die frÄwillig in den Ruhestand treten, sollen Vergünstigungen «halten. Fern« ist für dte- seytgeu, die 60 Jahre überschritten haben, eine mög ¬ liche Zwangspensionierung vorgesehen. Vorgesehen wird« auch in stärkerem Maß« als bisher ein gewisser Zwang für die Uebernahme von Aemtern. Am 26. und 26. Januar soll der Reichstag das» Steuervereinheitlichungsgesetz beraten, dev 28. Januar (Montag) , bleibt mit Rücksicht auf den» Parteitag der Wirtschaftspartet sitzungsfret; am 29«, steht die Regierungsvorlage üb« die Versorgung der Kleinrentner auf d« Tagesordnung. Die Entscheidung üb« die Grundlagen d« Kletnrentnerfürsorge fiel am Freitag im sozialpolitischen Ausschuß. MS Ausgangspunkt der Rentnerhilfe soll ein Kapitalbesitz von 5000 Mark dienen. Die Frage, ob lediglich der frühere Kapital- besitz für die Bestimmung des Personenkreises der Be zugsberechtigten maßgebend sein soll wurde vom Aus schuß verneint; die Notwendigkeit der Verbesserung d« Kleinrentnerfürsorge retchsgesetzlich zu regeln, wurde ! bejaht. An den folgenden Tagen wird sich der Reichstag > »och mit der Handwerkernovelle zur Gewerbeordnung ! zu beschäftigen haben. Im Vordergrund des Interesses » steht natürlich der Haushaltsentwurf für das neue Jahr, »er am Donnerstag vom Kabinett verabschiedet und am Freitag veröffentlicht worden ist. O Der 1 V-Milliarden-Etat. Die Deckungsvorschläge des Aiua«AMtuist«S. — Die i Aussichten für seine «erabfi^ebuug. 2« neue Reichshaushall, der in den nächsten Lagen den Reichsrat beschäftigen wird, gleicht sich in Einnahmen und Ausgaben mit etwa 10 Milliarden Mark aus. Die Deckung des bisher vorhandenen Fehl betrags von rund 500 Millionen Mark soll durch stützende Maßnahmen erreicht werden: durch di« Stei gerung -« Einnahmen aus dem Branntweinmonopol um etwa 100 Millionen Mark, di- Erhöhung der viersteuer, die Besteuerung des Gattcuerbes und die Erhöhung der Vermögenssteuer — unter Fortfall d« Wertzuwachssteuer. Man wird damit rechnen müssen, daß die TeckunaS- IM lllsiäsiÄM IRXMcm «00 «00 luci» vark(° «u>« 0oucie-yu»I. mit weil. r-lcdnunx MXAO cm I«XA0 cm R DV ösumvollvsfkn erSp« e»Icl ^gk 0iM moderne, nmdilMw veved» I» »Io» relnvollner cluelllSt IN cm drett gz nn d„,t AloUrlp» relnMoUea«, ^0l«,«i>e llleio-n-m«, b» < vielen lelnebgestlminten kerben, MD I» cm dielt erchps ti« emn» IHK« uneer« dolmnnt«, relneeläa« tjuaUtSt, ln elneeloeo, «dvnen Neetlnrden, ein» MW 1« em dielt ..... " Aäsnivlnlotf »OK l» en«U»lder ^rt vott «emu-tert, rum H «k prsktl-cden VIlltermentel. r. r. mit sn- LM 8-ni«dt. butter. 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