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Ingrid Andrees studierte an der Technischen Universität Kernphysik. Bevor sie kürzlich an unserer Hochschule eine Doktor-Aspirantur auf nahm, war sie nach Beendigung ihres Studiums im Dezember 1962 zwei Jahre im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder tätig. Frage: Gab es besondere Gründe für die Wahl des von Ihnen gewählten Studiums in der Fach richtung Kernphysik? Ingrid Andrees: Nun ja, ich hatte Interesse an Naturwissenschaften. In der erweiterten Ober schule ging ich allerdings in eine Klasse des sprachlichen Zweigs, und zwar in eine Latein klasse. Ich wäre aber lieber in einer anderen Klasse mit verstärktem naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht gewesen. Eigenartig war, daß ich in der Grundschule gar nicht gut in Mathematik war. Das hat sich später gewandelt. Im Abitur hatte ich dann eine Eins in Mathematik und war darin auch während des Studiums gut. Frage: Hatten Sie während des Studiums als Mädchen besondere Schwierigkeiten? Ingrid Andrees: Eigentlich nicht. Ich habe mir natürlich Mühe geben müssen und habe das Ge botene genutzt Ich habe aber immer auch Hilfe erhalten, wenn' ich welche brauchte. Wir waren in unserer Fachrichtung 2 Mädchen unter 60 Jungen. Nach einem Jahr war ich dann Frau Christa Plichta studierte an unserer Hochschule in der Fachrichtung Regelungstechnik. Frage: Hatten Sie bereits in der Oberschule feste Vorstellungen über Ihr künftiges Studium? Christa 'Plichta: Nein. Als ich zur Oberschule ging, gab es noch keinen polytechnischen Unter richt, der das Interesse für die Technik vielleicht schon früh geweckt hätte. Ich wollte studieren, das war klar, aber was, wußte ich nicht so recht. Ich neigte eigentlich mehr zum Studium der Mathematik oder Physik. Diese Fächer interes sierten mich in der Schule sehr. Es waren sozu sagen meine Lieblingsfächer. Frage: Frau Plichta, Sie haben ber nun doch ein technisches Fach gewählt und können viel leicht nun am besten beurteilen: Müssen Mäd chen für das Technikstudium besonders begabt sein, etwa begabter als Jungen, um bestehen zu können? Christa Plichta: Ich möchte dazu sagen: Es ist gut, wenn bestimmte Voraussetzungen vorhanden sind, jedoch gilt das für Mädchen und Jungen gleichermaßen. Es ist meiner Meinung nach nicht so, daß Mädchen unbedingt überdurchschnittlich begabt sein müßten. Die Mädchen können im Studium die gleichen Leistungen wie die Jungen erreichen; denn ihre geistige Entwicklung ist doch genau die gleiche wie bei diesen. Nora Augst Studentin im 9. Semester, Fachrichtung Fertigungsmeßtechnik Frage: Wie sind Sie zum technischen Studium gekommen? Nora Augst: Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, daß ich etwa schon als Kind ein beson deres Interesse.an der Technik gehabt hätte; ge wiß, da Vater Ingenieur ist, wurde zu Hause über technische Dinge' gesprochen. Eigentlich wollte ich aber Lehrerin werden, und zwar für Mathe matik und Physik. In der erweiterten Oberschule ging ich jedoch ■ in eine Klasse mit verstärkten. Sprachunterricht. Das hatte dann später aller dings auch einen Nutzen. Als ich nämlich« hier das Studium begann,, fielen mir die Sprachen recht .leicht. Idi konnte mich dadurch mehr mit den anderen Fächern beschäftigen. Mir war z. B. klar — das merkte ich ja —, daß ich in Mathematik und Naturwissenschaften weniger wußte als meine Kommilitonen, die an der erweiterten Oberschule in den mathema tisch-naturwissenschaftlichen Klassen unterrich tet worden waren. Manche von ihnen sagten an fangs: Das wissen wir doch schon, und strengten sich nicht an. Ich habe in den Grundlagen fächern ernsthaft gearbeitet. Das hat sich gelohnt. Ja, wie ich überhaupt an die TH gekommen bin? Im 11. Schuljahr kam ich zum Tag der offe nen Tür mit meinen Eltern hierher. Na, und hier haben mich damals Herr Piegert und Herr Pro fessor Trumpold überzeugt. Ob ich es bereut habe? Nein. Im allgemeinen fühle ich mich an der TH wohl; auch auf meinem Fachgebiet. Frage: Fräulein Augst, Sic sind mit Ihren gegenwärtigen Leistungsdurchschnitt von 1,7 die beste Studentin unserer Hochschule. Wie ist es Ihnen gelungen, so erfolgreich zu studieren? Nora Augst: Ja, eigentlich vor allem durch viel Fleiß; denn ich bin durchaus keine besondere Begabung. Oft dauert es etwas länger, bevor ich richtig begreife. Na, dann muß ich, eben etwas mehr tun; das heißt, durch fleißigeres Studieren diesen Mangel wettmachen. Eines muß ich allerdings sagen: man braucht für unsere Fachrichtung etwas technisches Ver ständnis. Aber das läßt sich auch aneignen. Frage: Wie könnte man Ihrer Meinung hach technisches Verständnis auch bei' den Mäd chen entwickeln? Nora Augst: Ich meine, vor allem frühzeitig damit beginnen; vielleicht nicht erst im 8. oder 9. Schuljahr. Im übrigen spielt der polytechnische Unterricht natürlich dabei eine bedeutende Rolle. Er muß aber sinnvoll gelenkt werden, wenn er Verständnis für technische Vorgänge entwickeln soll. Ich möchte ein Beispiel nennen. Ich war jetzt im Ingenieurpraktikum im VEB Strick maschinenbau. Dort wurde mit Schulklassen poly technische Ausbildung durchgeführt. Wie sah das aber aus? Ich habe das beobachtet. Die Jungen und Mädchen führten mechanische Arbeiten aus, in diesem Fall an einer mechanischen Kontroll einrichtung. Das „Warum?“ und „Wieso?“ aber wurde ihnen dabei nicht erklärt, obwohl das doch gerade das Wichtigste gewesen wäre. Damit wäre ihnen das Verständnis für die technischen Zu sammenhänge sicher aufgegangen. Und das ist es doch, was nötig ist. Wenn im polytechnischen Unterricht Verständnis für die Technik, beson ders auch bei Mädchen, entwickelt, werden-soll, muß man in Verbindung mit der Arbeit die tech nischen Vorgänge und Zusammenhänge erklären! Im übrigen möchte ich nochmals besonders als Mädchen sagen: Mit viel Fleiß geht im Studium manches zu überwinden! Ingrid Andrees Dipl.-Ingenieur, Aspirantin am Institut für Technische Physik leider ganz .allein. Originell war ja das Eignungs gespräch bei der Studienbewerbung. Offenbar, be trachtete man mich als Wunder: Ich wolle zur Physik? Aber man nahm mich auf. Tatsächlich war ja auf unserem Fachgebiet damals noch kaum eine Frau zu finden. Vor Beginn meines Studiums war ich ein Jahr lang in verschiedenen Betrieben zum Vorprak tikum. Das war ja ganz nützlich. Besser wäre jedoch gewesen, ich hätte eine vollständige, ordentliche Berufsausbildung gehabt, wie heute schon viele Mädchen bekommen. Mir hätte das jedenfalls mehr geholfen, als nur das Vor praktikum. . Frage: Würden Sie heute noch einmal das gleiche Fach studieren? Ingrid Andrees. Ja, denn mir macht meine Arbeit Freude.. Ich war zwei Jahre im Betrieb auf dem Forschungssektor tätig und ich möchte sagen: ich wäre gern dortgeblieben. .Gewiß, an fangs war es dort gar nicht leicht für mich. Ich kam dort in eine Gruppe von mehreren Männern, und ich mußte mich mitunter hart durchsetzen. Man war mir gegenüber zuerst recht mißtrauisch, etwa so wie: Na, was wird sie denn schon kön nen, dieses Mädchen? Ich spürte, daß man als Frau von seinen Kollegen schärfer „begutachtet“ wird, als diese da.s Männern gegenüber tun. Aber schließlich war das Eis bald gebrochen und es entstand wirklich ein gutes Einvernehmen mit ihnen. Ich hatte sie offenbar überzeugen können, daß auch Frauen etwas können. Waltraud Friedrich Diplom-Mathematikerin, wissenschaftliche Assistentin am Institut für Mathematik Frage: Wie sind Sie zum Mathematik-Studium gekommen? Waltraud Friedrich: Sicher war bei mir Be gabung vorhanden, aber ich lag in der Schule durchaus nicht an der Spitze. Eigentlich war ich in allen Fächern gut und hätte auch in anderen Disziplinen studieren können. Wenn ich Mathe matik wählte, so deshalb, weil ein gewisses In teresse vorlag. Frage: Frau Friedrich, Sie haben Ihr Mathe- matik-Studium an der Leningrader Universität absolviert. Was meinen Sie, hindert uns noch daran, mehr Mädchen für das Studium der Mathematik zu gewinnen? Waltraud Friedrich: Vielleicht darf ich hierzu etwas über meine Erfahrungen in der Sowjet union, sägen, wo ich von 1959 bis 1964 studierte. Dort kennt man diese Schwierigkeiten nicht. In meinem Semester, und ebenso in anderen, waren durchschnittlich die Hälfte der Studierenden Mädchen. Aber dort gibt es auch keine solche, ich möchte sagen, übertriebene Ehrfurcht vor der Mathematik. Und : das liegt einfach daran, daß man in den Schulen schon frühzeitig beginnt, Mathematik exakt zu lehren. Ich habe mir Mathematik-Lehrbücher der Grundschulen an gesehen. Da findet man eben von Anfang an auch die exakte mathematische Beweisführung. Das ist für die Erziehung zum mathematischen Denken wichtig. Es ist deshalb so, daß dadurch später an den Hochschulen die Anwendung der mathematischen Methoden wesentlich leichter fällt. Es ist klar, daß es unter diesen Umständen gar kein besonderes „Mädchenproblem“ geben kann. Wenn man die gleichen Voraussetzungen schafft, zeigt sich, wie eben in der Sowjetunion, daß Mädchen keinesfalls weniger begabt sind. Wir müßten also die Lehrmethoden in den Schulen ändern. Frage: Was halten Sie für das Wichtigste, um das Studium erfolgreich zu absolvieren? Waltraud Friedrich: Vor allem fleißige Arbeit und auf „dem Laufenden“ bleiben. Ist man näm lich erst einmal ins Hängen geraten, bei der Ver arbeitung des gebotenen Stoffes zurückgeblieben, holt man das meist nur schwer wieder auf. Sehr gut hat sich dagegen bei uns ein Arbeitsplan be währt, nach dem man beim Studieren vorgeht. Im übrigen sagte ich bereits, daß es nützlich ist, wenn man schon frühzeitig zum abstrakten Denken erzogen wurde; denn nicht, allein für die Mathematik, sondern für jede Wissenschaft ist die Fähigkeit zum abstrakten Denken Be dingung. Dipl.-Ingenieur, wissen schaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ange wandte Thermodynamik Christa Plichta Was mir persönlich fehlte, da ich direkt von der Oberschule kam, und was vielen Mädchen, die ein technisches Studium beginnen leider heute oft noch fehlt, sind genügend praktische Erfahrungen, In meiner Fachrichtung machte sich das bei mir erst in der Oberstufe bemerkbar. Bei meiner Vorliebe für Mathematik und Physik fie len mir Grundlagenfächer in der Unterstufe, an denen ja immerhin mancher Junge gescheitert ist leichter. Dagegen zeigten meine Kommilitonen dann mehr praktische Kenntnisse. Die damaligen Praktika konnten diese leider nicht ausreichend ersetzen. Frage: Sie sprachen von bestimmten Voraus setzungen, die für das Technikstudium vorhan den sein sollten. Welche meinen Sie? Christa Plichta: Erstens die Fähigkeit zum lo gischen Denken. Zweitens sollten Mädchen schön vorher mehr, mit der Technik konfrontiert werden. Drittens: Man muß wissen, daß man beim Stu dieren vor allem den eigenen Kopf anstrengen muß. . . Außerdem sollte man, sich bemühen, nicht hängenzubleiben, wie man so sagt. Leider fällt die Umstellung von der Lernmethode der Oberschule auf. das-selbständige Studieren an der Hochschule manchem recht schwer, : Mehr Mädchen für das Studium der mathematisch naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen zu gewinnen ist eine dringende Forderung des umfassen den Aufbaus des Sozialis mus und der technischen Revolution. Was hindert uns aber daran, dieser Forde rung schneller nachzukom men? Da gibt es vor allem Vorurteile und rückständige Auffassungen zu überwin den. Sie reichen von der Meinung, Mädchen liegt die Technik nicht, bis zur Be hauptung, Mädchen haben keine Fähigkeiten für Tech- nik. Methematik Pkveik Wir haben nun einige Mädchen und Frauen an unserer Technischen Hoch schule gefragt, warum sie diese Disziplinen studierten und was sie zu ihrem Stu dium überhaupt zu sagen haben. Wir wollten feststel len: Sind sie Ausnahmen? Wir haben dieGespräche, die wir mit ihnen führten, nebenstehend wiedergege ben. Jeder kann selbst urteilen und Schlüsse zie hen. Wir schlußfolgerten: Es sind keine Ausnahmen I Es gibt viel mehr begabte Mädchen, die fähig und be reit wären, das Studium im Bereich der Technik aufzu nehmen und es erfolgreich zu absolvieren. Wir würden es begrüßen, auch Ihre Meinung zu er fahren. Schreiben Sie bitte an die Redaktion „Hochschulspiegel"