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1135 „Kreuzztg.' zufolge, bereits heute mittag zu einer gemeinsamen Beratung im Reichsjustizamt vereinigt und damit ihre durch die Ferienpause unterbrochene Thätigkeit wieder ausgenommen. Lunge noch sehtende Mitglieder derselben treffen im Laufe dieser Woche hier wieder ein. Dem Bundesrat sind zwei Entwürfe, betr. AuS- führungsbestimmungeu zum Gesetz über die Statistik des Warenverkehrs des deutschen Zollgebiets mit dem Auslande vom 20. Jul» 1870 und Dienst» Vorschriften bezüglich desselben Gegenstandes zugegangen. Vornehmlich wird damit bezweckt, den Mängeln abzu helfen, welche bisher der Darstellung des Warenver kehrs mit den einzelnen fremden Ländern angehaftet haben. Bislang sind nämlich die großen Waren» quantitäten, welche über die seitherigen Freihäfen ihren Weg aus dem deutschen Zollgebiet nach dem Auslande genommen haben, und ebenso die über die Freihafen erfolgten Einfuhren m das Zollgebiet für die Statistik im wesentlichen unberücksichtigt geblieben, »ndem statt der eigentlichen HerlunftS- bez. Bestimmungsländer die Freihafen als solche angegeben wurden. An der Hand der nunmehr beabsichtigten Bestimmungen wird es voraussichtlich gelingen, in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle die eigentlichen Herkunfts» und Bestimmungsländer zu ermitteln und in die Nach- weisungen auszunehmen. D»e »Berl. Pol. N.' schreiben: Die verbünde» ten mitteleuropäischen Mächte haben em soltda« rische- Interesse an der Erhaltung und möglichst dauerhaften Befestigung der völkerrechtlichen Ordnung, wie sie in den geltenden Verträgen vereinbart worden ist. Damit soll natürlich keineswegs gesagt sein, daß der Dreibund eine Politik des Eigennutzes und der Gelbsucht treibe, und eL ist eine Absurdität, wenn gegnerischerjelts behauptet wird, das Einvernehmen Deutschlands, Österreich-Ungarns und Italien- strebe rn letzter Instanz danach, Europa dem Schicksale all» mählicher Verknöcherung auszuantworten. Alle irdischen, folglich auch die politischen Institutionen befinden sich in stetem Flusse; der Siaatslunst, die es mit Ländern und Völkern ehrlich meint, liegt aber freilich die Auf gabe ob, nach Maßgabe ihres Könnens dafür zu sor gen, daß die Entwickelung der Dinge nicht Bahnen em- schlage oder geflissentlich in Bahnen gelenkt werde, die in Konflilie und Katastrophen auslausen würden. Es ist das eine Ausgabe, die eigentlich jeden Tag aufs neue in Angriff genommen werden muß, eine Aufgabe, deren zweckdienliche Förderung — denn ihre endgiltige Lösung muß für absehbare Zeit wohl ein frommer Wunsch bleiben — die höchsten Anforderungen an Verstand und Gemüt, an Willenskraft und Ausdauer der berufenen Autoritäten stellt, weil die den wohl- thatlgen Absichten der FriedenSschirmer entgegenwirken den Faktoren keine Ruhe noch Rast geben und, da sie die A »greifenden sind, sich in taktischem Vorteile be» finden. Der mitteleuropäische Friedeusvund ist wesent lich defensiver Natur, wenn er aber seine exponierte Stellung sturmfrei bewahren will, so darf er es nicht mit der einfachen Abwehr frivoler Herausforderungen bewenden lassen, sondern seine Paraoen muffen kräftig genug fern, um den Gegner in die Auslage zurück- zuzwlngen. Auf die fetzige Phase der italienisch-fran» zösljchen Beziehungen angewendet, hat diese Theorie Hrn. EriSpl ganz folgerichtig zu dem Ertatz um so schärferer Noten nach PanS geführt, je rückhaltloser die Absicht der Politiker an der Seme, Italien zu kraulen und zu demütigen, sich hervorwagte. Ware der italienische Ministerpräsident m seinem dlpto- matischen Feldzüge wider das französische Gebühren minder energisch zu Werke gegangen, so hatte er vielleicht die Interessen seines engeren Vaterlandes, wie auch diejenigen des Fnedensbundes »n eben dem Maße geschädigt, als er ihnen, dank sei nem entschlossenen Vorgehen, jetzt genützt haben dürfte. Und daß Erispls jetziger Besuch m Fried richsruhe nicht als Vorläufer eines Systemwechsels der italienischen Politik zu betrachten ist, zeigt sowohl der sympathische Eindruck, den diese Reise zu beiden Seilen der Alpen hervorruft, als die unangenehme Überraschung der Franzosen und sonstigen Friedens feinde. Mit dieser Wahrnehmung darf sich die öffent liche Meinung bei uns vor der Hand zufrieden geben. Auch die „Nordo. AUg. Zig." begrüßt den ita lienischen Staatsmann, «le schreibt: „Die Anwesen heit des italienischen Ministerpräsidenten Hrn. Errspl m Friedrichsruhe, wohin sich auch der am hiesigen Hose beglaubigte Botschafter Italiens Graf de Lau nay begeben hat, drückt der politischen TageSsituatiou ihr ausschließliches Gepräge auf. Das bedeutsame desto überraschter, als der Eonnetadle jetzt ein solches Verlangen stellte. Nach einer Pause erhob sich GaSpard de Heu von seinem Sitze und oat den Oberschöffen ums Wort. „Meine Stimme", Hub er an zu sprechen, „ist seit langen Jahren nicht tm Rate der Stadt gehört wor den. Ich wußte, daß sie nutzlos verhallen würde, des halb zog ich es vor, zu schweigen. Jetzt aber, da ich Verwirrung und Unschlüftigkett auf Euren Gesichtern las, ist es Euch vielleicht von Vorteil, wenn Ihr die Stimme des Ältesten unter Euch zuerst vernehmt. — Ich rate Euch, dem Eonetable von Frankreich Gast freundschaft zu gewahren, denn sein eigenes ritterliches Wort und das seines Königs sind uns Bürgschaft, daß man die Rechte der Stadt achten wird. Außerdem aber gilt es hier, den Zorn eines so mächtigen Geg ner» nicht aus die unschuldige Bürgerschaft herab zu beschwören. Will sich der Eonnetadle den Eingang in die Stadt erzwingen, jo könnt Ihr ihm kaum nennenswerten Widerstand entgegensetzen. Unsere kaffen sind geleert; unsere Mauern drohen fast von elbst emzustürzrn und werden sicherlich nicht den Ge- chützen feuer Armee langen Widerstand leisten. Unsere Bürger sind der Wassen entwöhnt; Ihr habt sie ihnen genommen aus Furcht, sie möchten gegen Euch gelehrt werben; die Zahl unserer Soldoyeurs ist so zusammen- gejchmolzeil, daß sie kaum ein Fähnlein ausmachen. Deshalb rate ich Euch, gastfreundlich den Lonnelable -u euipfaugen und Euch die Freundschaft Sr. Maje- stat des Königs von Frankreich zu erhalten. Aus Kaiser Karl könnt Ehr nicht hoffen; der Herzog Moritz von Sachsen, das Haupt der deutschen Prote- ftantenliga, hält den Kaiser m Deutschland fest.' Ereignis wird mit Genugthuung von allen Freunden der Bestrebungen des mitteleuropäischen Friedens bundes zur Kenntnis genommen, wie sich denn an dererseits in der Unruhe, die stellenweise zum Vor schein kommt, das Belastetsein des politischen Ge» wissen- der betreffenden Kreise widerspiegelt. Die ebenso spontanen wie herzlichen Ovationen, die das am Fnedrichsruher Bahnhof zahlreich versammelte Publikum nicht minder der Persönlichkeit de- Hrn Lrispt und dem verbündeten Italien, als dem all verehrten Reichskanzler Fürsten Bismarck dardrachte, sind nur der wahrheitsgetreue Ausdruck der das ganze deutsche Volk beseelenden Empfindungen und ein Beweis, daß dem italienischen Elnhellsstaate in mitten der Schwierigkeiten, mit denen es momentan den Kampf besteht, nordwärts der Alpen die Sympa- thien nicht fehlen, auf welche die Sache des mit Ge schicklichkeit und Nachdruck vertretenen guten Rechts einen natürlichen Anspruch besitzt." In einem neuerlichen Erlasse an die Vorsitzenden der derufsgenossenschastlichen Schiedsgerichte hat sich das RelchSverflcherungsamt bezüglich der Frage der Kostenerstattung an die Berufungskläger für deren persönliches Erscheinen beim Gerichte dahin ausgesprochen, daß es sich nicht rechtfertigen lasse, weilu gewisse Schiedsgerichte die Praxis befolgen, regelmäßig und nur mit Ausnahme offenbar frivoler Berufungen den Bernfungsllägern auck) dann, wenn sie unterliegen und obgleich sie nicht mittelst besonderer Anordnung zum persönlichen Erscheinen aufgefordert waren, einen Anspruch auf Ersatz ihrer Reise- und VersäumnlSkosten zuzusprechen. Die für diese Fälle maßgebende Bestimmung ließe -ine Verurteilung zur Kostenerstattung gegen die Berufsgenossenschaften nur im Falle des Unterliegens der letzteren in der Haupt sache zu. Der in der Hauptsache unterliegende Be- rusungSlläger soll allein dann für die durch sein Er scheinen vor dem Schiedsgericht entstandenen Kosten sowie für die verursachte Versäumnis Ersatz zu fordern berechtigt sein, wenn er nicht lediglich als Partei zur Wahrnehmung seiner Rechte, sondern auf Grund einer ausdrücklichen richterlichen Anordnung erschienen lst, welche »hm sein Erscheinen zu dem Zwecke vorgeschrie ben hat, damit durch eine an dem Körper des Ver letzten anzustellende Augenscheinnahme über das Vor handensein und den Grad seiner Erwerbsunfähigkeit Bewers erhoben werden kann. Die amtliche Bearbeitung der deutschen Kri- minalftatistik für das Jahr 1886 giebt, wie in früheren Jahren, auch in diesem m einer besonderen kartographischen Darstellung ein geographisches Bild der Kriminalität, welches den früheren un großen ganzen entspricht, d. h. die fast regelmäßige E>te»ge» rung der verbrechen und Vergehen von Westen nach Osten auswelft. Die geringste Zahl von Verurteilten im Verhältnis zur Bevölkerung haben die beiden west falischen Regierungsbezirke Munster und Minden und bas daran grenzende Fürstentum Schaumburg-Lippe, die höchsten Zahlen haben die Bezirke an oer russischen Grenze, lnsvesonoere Bromberg und Gumbinnen. Die Slarte der Kriminalität der weiblichen Bevölkerung zu der jenigen der männlichen verhält sich, was das ganze Reichsgebiet betrifft, wie 28:100; es sinkt aber dieses Verhältnis in einem Bezirk (Münster) bis auf 11 hinunter, in einem andern (Fürstentum Schwarzburg- Sondershausen) steigt es bi- auf 36:1o0 hinaus. Die KrlMiuatital der jugendlichen verhalt sich im Reich überhaupt zu derjenigen der 18 und mehr Jahre alten Einwohner wie 52:100, denn es kommen auf 100000 jugendliche Einwohner 563, auf 100000 erwachsene 1080 Verurteilte der gleichen Alterskalegorie. Der deutsche Export nach Rumänien nimmt, da dieses Land seinen steigenden Bedarf an Roheisen und Eisenfabrlkaten, Blechen, Blei rc. mehr und mehr aus Deutschland deckl, m erfreulicher Weife zu. Wie wir aus dem Beucht der Handelskammer für den Regierungsbezirk Oppeln pro 1887 ersehen, finden auch deutscher Zucker und oberschlesijche Steinkohlen in Rumänien Absatz, letztere namentlich seit Einfüh rung des ZwelpfennlgtarstS vom Dezember 1887. Außer mit Rumänien war auch um den übrigen Donauftaaten un genannten Jahre der Verkehr Over- schlestens ein solcher, daß er für die Zukunft das Beste verspricht. Prag, 22. August. Nach offizieller, un heu tigen „Prager Abendblatt" erfolgter Veroffeurltchung wird Se. Majestät der Kaiser anläßlich der bei Pfiek stattfindenden Manöver Sonntag, den 2. Sep tember, daselbst Eintreffen und Dienstag, den 4. Sep tember, abends sich nach Wren zuruckbegeben. — Tiefe Stille trat nach diesen Worten im Saale em. Jeder fühlte die Richtigkeit der Erörterungen, doch keiner wagte als Erster, denselben belzustimmen. (Fortsetzung folgt.) E»n Blick aus England- Geschichte und seine politische Zukunst. (Schlup.) Und wie sieht es in den Kolonien aus? Die „Reel-Rebellion" in „Eanada", nämlich der Aufstand der canadijchen Mijchltuge gegen die Kolomalregierung 1885, wurde nach einigen Gefechten von den Truppen medergeworfen und endete Mit der Hinrichtung des Anstifters Reel, hat aber doch, trotzdem die canadische Regierung nachträglich noch mehrere Gesetze ins Leven ries, um emgermaßen den Üvelständen avzuheljen, die den Ausstand hervorgerufen hatten, vielfache Mißstim mung unter den Mischlingen und dem sranzüsischen Teil der dortigen Bevölkerung zurückgelassen, oie einen Keim für spatere ernstliche Alttonen gegen die britische Regierung bildet. Schon jetzt besteht eme zahlreiche Partei in Eanada, der ganz vesonberS diese unzufrie denen Elemente angeyören, welche ganz öffentlich von einer UilabhängigkeilSerklarung LanadaS oder einer Einverleibung desselben in die Vereinigten Staaten spricht. — Auch in „Austritten" ist der Prozentsatz unter der Bevölkerung nicht gering, der einen unab hängigen australischen Staat enduao der jetzigen Ab hängigkeit vom britischen Stammlande vorzuht. In oea „Südafrikanischen Kolonien" gewinnen hingegen Den zahlreichen Wählerversammlungen auf dem Lande schloß sich gestern auch eine solche Ver sammlung in Prag an. In einer gestern abends vom hiesigen jungtschechlichen Altstädter Bürgerklub ein berufenen, im Konviktsaale abgehaltenen Wähler versammlung erstattete der Reichsratsabgeordnete für die Prager Altstadt, Prof. Or Gabriel Blazek, Jungtscheche, den Rechenschaftsbericht. Prof. Blazek erntete reichen Beifall von seinen Gesinnungsgenossen, besonders als er erklärte, daß die jungtschechischen Ab geordneten im Abgeordnetenhause für die Abweisung des Liechtensteinschen SchulantragS » Umm« stimmen werden. Die Politik der Alttschechen fand selbstver ständlich in Blazek keinen Lodredner; die Versamm lung nahm schließlich Mit 250 gegen 9 Stimmen eine Resolution an, in welcher dem Abg. Blazek und den anderen jungtschechlschen Abgeordneten oa» vollste Vertrauen ausgesprochen ward. — Der tschechische Schulverein hatte um die Errichtung einer Bürger schule mit tschechischer Unterrichtssprache in Dux an gesucht. Vor kurzem wurden in dieser Stadt von der l. k. Bezirkshauvtmannschast die bezüglichen Erhebungen vorgenvmmen, wobei die Duxer Stadtvertretung, der Orlsfchulrat der deutschen und tschechischen Volksschule in Dux und die Vertreter der benachbarten Gemeinde Ladowltz gegen das Ansuchen des tschechischen Schul vereins Verwahrung emlegten. Der k. k. Bezirks schulrat in TepUtz hat nun nach Erwägung aller Um stande sich die Überzeugung von dem Bedürfnisse der angestrebten Schule nicht verschaffen können und des halb beschlossen, in diesem Sinne Bericht an die oberste LandeSjchulbehörde zu erstatten. Parrs, 21. August. Der Minister des Aus wärtigen, Hr. Goblet, kommt morgen zum diploma tischen Empfang aus Kontainbleau hierher und wird mit dem Leiter der politischen Abteilung seine Ant wort auf die letzte Ensplsche Note bezüglich der Ka» puulattonen von Massauah feststellen, die Tags daraus dem Ministerrate unterbreitet wird. — Gestern wurde in ganz Frankreich die August-Tagung der Generalräte eröffnet. Zwischenfalle werden aus Earcajsonne und Bordeaux gemeldet. In ersterer Stadt führt der opportunistische Senator Marcou den Vorsitz un Generatrate der Aude und versetzte in seiner ErössnungSlede dem Präfekten, mit welchem er infolge des seinerzeit vielbejprocheuen Bürgermeister streites aus gespanntem Fuße lebt, einige Seitenhiebe. „Wir brauchen Verwatlungsbeamte mit gesundem Ur- leit, nicht wie der unjrlge", sagte er der „Agence Ha- vas' zufolge. Der Präfekt legte Verwahrung ein und verließ den Saal. In Bordeaux waren 5 Stimm gange nötig, um die Wahl eines Obmannes zu stände zu bringen, und das gewählte Mitglied, der Senator Dupouy, mochte eme >o bestrittene Wahl nicht an- nehmen. — Die meisten republikanischen Blatter geben sich die erdenklichste Muhe, mittelst allerlei Er wägungen und Berechnungen um die Lhaijache, daß der bereit- seinem politischen Tode nahegeglaubte Hr. Boulanger aus allen drei Wahlen des letzten Sonnlags als Steger hervorgegangen ist, herum- zulvmmen. Allein wenn auch zuzugeben ist, daß der Anhang Boulangers im Nord-Departement von 172000 Stimmen, dw der Exkrtegsminister bei seiner vorigen Wahl dort erlangte, auf 130000 zurückge gangen «st, welche offenbar sich mit den 126 500 des ab- gejetzlen konservativen Bürgermeisters des Elysee-Stadt- bezlrks, Hrn. Köchlin, so ziemlich decken, also zum größten Lett dem Lager der Rechten entstammen, so ist dafür die Thalsache des Rückgangs der repu blikanischen «tlmmen in allen drei Departe ments um so beachtenswerter, sie beweist, daß der Haß, welchen die ^uhrer und Berufspolitiker der Linten gegen Boulanger predigen, von einem sehr großen Teil der sonst republikanisch stimmenden Wah ler nicht geteilt wird, da dieselben durch die Furcht, Boulanger könne gewählt wecoen, nicht bewogen wer- deii tonnten, zu Gunsten der opportunistischen Kandi daten am Wahlakte leitzuneymen. Das „Petit Jour nal" ist aufrichtig genug, zu erklären, diesmal sei Floquet der Geschlagene, stimmt aber mit dem monarchischen „SoleU" darin überein, daß oie drei fache Wiederwahl des Exgenerals nicht der persön lichen Beliebtheit desselben, sondern seinem Einspruch gegen das herrschende System zuzuschrelbeu sei. Frei lich will das allgemeine Stimmrecht nach der Meinung des „Petit Journal" und der voulangistischen Presse etwas ganz Anderes als nach der der konservativen. Erstere erblickt in den Wahlen vom Sonntag einen HlnwelS aus die demokratische VerfasfungSdurchsicht und der Abg. Laguerre bietet bereits m der die altholländijchen Elemente, die Boeren, immer mehr die Oberhand und bilden, besonders seitdem der Trans vaalstaat seine Unabhängigkeit erlangt hat, einen ge fahrdrohenden Gahrungsstoff. Und „Indien", der wichtigste überseeische Landes teil für Old England, dessen Wert gerade jetzt, wo sich durch den Bau des Eisenbahnnetzes, die Errichtung zahlreicher JndustrleetabllssementS und die Anlage von vielen Thee- sowie anderen neuen Plantagen die dor tige Volkswirtschaft rapid hebt, sich bedeutend steigert, während im britischen Stammlande das gesamte ge werbliche Leben schwer damederliegt, wird sich für die Dauer nicht an die britische Krone fesseln lassen, trotz dem die Stimmung sür England gegenwärtig dort noch sehr geteilt ist und die dicht bevölkertsten Pro- vlnzen Punjab, Madras und Bombay den Briten gut gesinnt sind, — sondern wird m>t der Zunahme seiner kulturellen Entwickelung auf Ne eigene Selbständigkeit mit aller Kraft hlnarvetten. Da», was Indien vor der Hand noch an das britische Reich fesselt, ist nicht allein die englische Waffengewalt und die ungeheure Kapltalkraft Old Englands, deren e» zu seinem wirt schaftlichen Emporbluyen unbedingt bedarf, sondern die Eifersucht der einzelnen Rajah» und der Kasten unter sichl Doch mit oer Zunahme der kulturellen Ent wickelung und der Abnahme de» religiösen FanallS- mus, wird auch diese Eifersucht immer mehr schwin den und em gedeihliches, staatlich unabhängiges Fort bestehen ermöglichen. All' diese Lhatsachen werden denn auch seit neuerer Zett im britischen Stammlande immer mehr gewür digt und haben zur Gründung der „tmzwrutt ka- äsrattao Uvaguo" geführt, welche fortlaufend Ber- „Presse" seinen alten Freunde» von der äußersten Linken die Versöhnung mit dem „tapferen General" auf dieser Grundlage an, womit jedoch die „Locarde", das Organ de» rechten Flügel» de» boulangistischen Komitee», durchau» nicht einverstanden ist, da der dreifache Sieg Boulanger», der seine Plebi»zitziffer auf 900000 Stimmen bringt, nicht eine Niederlage dieser oder jener republikanischen Schattierung, sondern der parlamentarischen Regierungsweise überhaupt de- deute. Dasselbe erklärt auch der bonapartistische Abg. Delafosse im „Matin", nur daß er die Rolle Bou langer» auf da» Verwahrungseinlegen beschränkt und die Aufgabe des Neuschaffen» einem „Anderen" (na türlich dem Prinzen Victor) zumeist. Andererseits tritt jetzt neben dem „National", der schon längst die Beschleunigung der Neuwahlen befürwortet hat, auch „La Paix", da- ehemalige Grsvysche Organ, für die Auflösung der Kammer ein; nicht ein>ehen wollen, daß diese Maßregel unvermeidlich geworden sei, heiße sich die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. — Der „TempS" erklärt die Meldungen für grundlos, nach welchen die Regierung die Einberufung der Kammern beschleunigen oder (nach anderen) ver zögern wolle; ihre längst bekannte Entschließung, die Herbsttagung anfangs Oktober zu eröffnen, sei nicht verändert. Ebenso wenig habe die Regierung die Absicht, gegenüber dem Erwählten vom vorigen Sonntag Ausnahmemaßregeln zu ergreifen. — Der Untersuchungsrichter Atthalin hatte die jüngst beim Begräbnis Les „General»" Eudes gegen die Polizei geschleuderte Sprengbombe untersuchen lassen. Dieselbe wog 816 und hatte die Form einer 12 em langen, 7 em rm Durchmesser haltenden Röhre. Die Ladung bestand aus 60 gr eines Gemisch» von Kliegspulver, Nitroglycerin, Schießbaumwolle und einer noch nicht analysierten Masse, wahrscheinlich ver dorbenem Pikrat; ferner aus weißem gerolltem Pa Pier, 3 Glasröhren von 45 mm Läitge, sowie Nägeln, Schrauben, sonstigen Eisenstücken und Schrotkörnern. Die Herstellungsart werft auf nihilistische Urheber schaft hin. «rüffel, 21. August. Anläßlich des National festes fand gestern auf dem Place des Palais eine Revue der Truppen der Garnison statt Eine große Menjchenmasse hatte sich zu diesem Schauspiel auf den Boulevards und den an den Park anstoßenden Straßen eingesunden. Dabei kam r», wie man der „Frkj. Ztg." berichtet, zu verschiedenen Zwischenfällen. Im Augenblicke, als der Kommandant de» Brüsseler Militärbezirks, General van der Smissen, der die Revue abhielt, in der Nähe des Akademiepalastes auf dem Boulevaro erschien, tönten ihm mehrfache Rufe „Vivs b'allvur! Vivs tu ropullliguol" entgegen, die sich aus seinem Wege unv während der Parade noch öster wiederholten. Auf dem Boulevard du Rögent wurde ein junger Mann, der „Vivo LuUeur!" ruf, von Gendarmen festgenommen und vor den General geführt, der jedoch mit den Worten: „Laßt ihn gehen, es sind nur Elende!" den Manifestanten frelließ. General van der Snussen ist wegen der Art, mit der er vor zwei Jahren gegen die aufrührerischen Arbeiter des Hennegaues verfuhr, bei den Arbeitern sehr ver haßt; die gestrigen Kundgebungen aber sind al» die unmittelbare Folge des über Falleur verhängten Exils zu betrachten, das eine bedeutende Erregung unter den Arbeitern in Charleroi und im Centre erzeugt hat. Als die Truppen nach Beendigung der Revue in ihre Kasernen zurückkehrten, folgte dem Grenadielregiment ein Trupp Manifestanten, die auf dem Place de Lou- vam zu tanzen begannen, die „Marseillaise" sangen uno die Ruse: „Es lebe Falleur! Nieder mit van der Smissen!" laut »verden ließen. — Wie die „Gazette" und andere Blätter heute berichten, lausen im Centre wieder Gerüchte von einem bevorstehenden Streik um. Die Glasarbeiter hätten nach dieser Quelle in La Louvisre eine Zusammenkunft gehabt und den Aus bruch des Streiks binnen drei Wochen beschlossen. Belgrad, 20. August. Anläßlich des Patronats festes des Regiments des Kronprinzen Alexander hielt der Kommandant Major Magdalenic eine be deutsame Ansprache, in der er die serbische Armee als das Werk der Obrenovic bezeichnete und die er mit folgenden, mit „Urahl" ausgenommenen Worten schloß: „Indem die Armee den König Milan zum obersten Krieg-Herrn hat und den KönigSsohn als Mitglied zählt, ist sie vom Glauben an den Stern der Obrenovic beseelt uns stet» bereit, alle Opfer zu dringen, welche die Pflichttreue erheischt, und dem Rufe des Herrschers überallhin zu folgen. Wir wer den alle alles für König und Vaterland freudigsten jammlungen abhält, Lokalvereme stiftet und den Zweck verfolgt, die überseeischen, selbständig sich verwaltenden Gebiete des brttlschen Reiches mit dem Muttertande in ern enges Verhältnis zu bringen und durch wirk samere Baude als die der gemeinsamen dynastischen Spitze aneinander zu knüpfen. Wenn e» auch vorder hand nicht möglich ist, ein von sämtlichen Kolonien zu beschickendes große» Reichsparlament in Loudon in» Leben zu rufen, well dw Vertreter der Kolonien daun nicht allein nur raten, sondern auch fordern und über das Gesamtwohl des Reiche» mit entscheide» wollen, wa» nicht gut angeht, da emzelne Kolonien noch immer sehr der Unterstützung de» Mutterlandes bedürfen, da her gerechterwtlse keineswegs beanspruchen können, in Ne Lage versetzt zu werden, aus der Lasche des Mutterlandes du Unterstützung selbst zu dekretieren. Immerhin wäre es aber jetzt nicht nur zulässig, sondern auch im höchsten Grade notwendig, daß das so ost übel beratene „britische Kolonial- amt" sich eine Lonjulta, bestehend au» Ver tretern der einzelnen Kolonien, zur Seite setzen ließen wodurch der nützliche, gesicherte Austausch kolo nialer Anschauungen mtt den Ansichten Old Englands für beide Lelle erzielt würde! Doch sür die weitere Zukunft wird auch der pro jektierte britische „Reichsduud" mit einem großen ReichS- parlameut in London und mit emer einheitttcheu Zoll schranke gegen die übrigen Lauder, keine»weg» ver- mögen, diese« gewaltige Staatengedild«, welche» übrigen» dann auch er» ungeheurer volkswirtschaftticher Nachteil für die anderen Staaten der Erd« märe, nicht aufrecsst zu erhalten. Ebenso werden e» auch du übrigen Groß mächte dereinst beschränken müssen, daß Gcoßbritanuun