Volltext Seite (XML)
Vom Beruf der Frau. § Von Else Trott-Helge. Die Zeit sollte vorüber sein, da man in der Berufs tätigkeit des Weibes ein vorübergehendes Stadium, einen Notbehelf erblickte. Die Verhältnisse gesellschaftlicher und Wirtschaftlicher Art haben sich nicht allein während der letzten Jahrzehnte nach dieser Richtung hin von Grund auf verschoben, sondern vor allem hat der Krieg völkisch mit rauher Hand Wandel geschaffen. Tie Frau, die jetzt tns Berufsleben tritt, hat sehr viel Weniger Aussicht, diesen Abschnitt als einen vorübergehenden anzusehen, als die vor dem Kriege. Denn die enormen Verluste auf den Schlachtfeldern haben die männliche Bevölkerung dezimiert, vor allem die Blüte unserer Jugend, die nocht vor dem heiligen Tore der Ehe stand. Wenn also diese ins Berufsleben tretenden Mädchen sich nicht sagen dürfen, datz ihre Betätigung im Erwerbs leben nur eine vorübergehende sein werde, so setzt das auch sehr viel mehr Nachdenken darüber voraus, was man Werden will. Manches junge Mädchen hat sich bisher zu irgend einem Berufe von heute auf morgen entschlossen. Vielleicht durch eine äußere Anregung, vielleicht Weil die Freundin in dem gleichen Fache einen guten Posten inne hat und viel verdient, vielleicht auch, weil sie ganz plötzlich Lie Lust dazu anwandelte. Gefiel dann das Ergriffene dem jungen Mädchen nicht, so tröstete es sich damit, daß ihre Tätigkeit nicht von Dauer sein werde. Die Berufsratiae empfand nicht die rechte Befriedigung am Schlüsse ihres Tagewerkes, sie ging wohl auch ihren Pflichten oft in lässiger Weise nach, tat gerade nur das, was man sie tun hieß: oft drückte sie sich auch noch daran herum. Sie dachte nicht daran, Weiter zu streben, sich fortzubilden, neues hinzuzulernen, um aufzurücken, um infolge der ncu- yewonnenen Kenntnisse einen besseren Platz einnehmen zu können, der ihr dann sicherlich Befriedigung gewähren würde, sie zu neuem Streben anspornen könnte und ihr Flügel zu höherem Fluge wachsen ließe. Sie wartete vom Morgen auf den Abend, vom Wochenbeginn auf den nächsten Sonntag, mechanisch und gleichgültig ihre Arbeiten ver richtend. Sie blieb ein beruflicher Älltagsmensch, erreichte oft nicht einmal den Durchschnitt dessen, was geleistet Wurde. Um so stärker arbeitete ihre Phantasie, umsomehr spann sic sich in Zukunftsträumereien ein, um so heißer ersehnte sie den Augenblick, da, wie zu Dornröschen, auch zu ihr einst der Prinz kommen möge,der sie erlöse. Nicht aus dem hundertjährigen Schlafe, aber aus dem enttäuschenden Einerlei, aus der unbefriedigenden Fron des Berufslebens. Solchen berufstätigen Frauen standen natürlich auch vor dem Kriege schon viele Tausende anderer gegenüber. Frauen, die mit Leib und Seele bei ihrer Arbeit Waren. Vom ersten Augenblicke an. Nicht etwa, weil sie das Zeug in sich hatten, Tüchtigeres zu leisten. In einzelnen Fällen mag das zugestanden sein, aber durchaus nicht für alle. Warum jene mit Lust und Liebe ihrer Betätigung nachgingen, warum sie Interesse bekundeten, weiterstrebten, das hatte ganz andere Ursachen, das war darauf zurück zuführen, daß sie einen Beruf ergriffen hatten, der ihrer Veranlagung. entsprach. Der sie interessierte und ansvornte, der ihre Fähigkeiten zur Geltung brachte und so , gleich Lust, Liebe und Befriedigung zu gewähren vermochte. Es wäre verkehrt, behaupten zu wollen, datz jene Be friedigung, jenes Gefühl, vorwärts streben zu müssen und mehr zu erreichen, erst mit den Jahren kommen könne. Günstigstenfalls dann, Wenn der Geist des jungen Mädchens reifer geworden ist, oder das Berufsleben zur Gewohnheit wurde, ungünstigflenfalls erst in den Jahren, da die Frau ihre Hoffnungen darauf, in den Hafen der Ehe einlaufen zu können, im allgemeinen begräbt. Zugestanden, datz das auf manche zutrisft. Für den grötzteu Teil aller berufs tätigen Frauen aber sicherlich nicht. Der normal veranlagte Mensch, ob Mann, ob Weib, besitzt den Drang nach Betätigung. Er empfindet ein befriedigendes Gefühl, wenn er seine Pflicht erfüllt hat. Er geniext die Muscstuuden als Feicrzeit, weil sie durch das Bewuxticiu an die treulich erledigten Obliegenheiten versüßt werden. Ter normale Mensch geht auch nicht mit einer Gänsehaut an den neuen Arbeitstag heran. Aus geruht und erfrischt nimmt er sein Tagewerk wieder auf sich, weil sein richtig entwickeltes Verantwortungsgesühl ihm sagt, datz er nicht dazu berufen ist, als Drohne zu leben. Jenes schöne Wort, das von einem köstlichen Leben spricht, das Mühe und Arbeit War, hat für den normal veranlagten Menschen gleichmäßig Geltung, sei es Mann oder Weib. Nur was für beide nicht gleichmäßig galt, ist der größere oder geringere Ernst bei der Wahl des Berufes. Schon der Knabe beschäftigt sich damit, was er einst werden Will. Diese Erwägungen nehmen einen sehr breiten Raum in seinem geistigen Leben ein. Daß er von Jahr zu Jahr, nicht immer, aber doch häufig etwas anderes will, hat nichts zu sagen. Sein Geist klärt sich an diesem Für und Wider ab. Er erwägt alles, um^dieses zu verwerfen, jenes an seine Stelle zu setzen und um schließlich doch instinktiv zu dem zurückzukehren, Was seiner Individualität am meisten zusagt. Von jenen Ausnahmenfällen, die mit den stets größeren Schwierigkeiten des wirtschaftlichen Leben- leider immer zahlreicher werden, jenen Fällen, da aus Praktischen Gesichtspunkten der Lieblingsberuf nicht ergriffen Werden kann, soll hier nicht gerechnet werden. Weil solche Fälle in gleichem Maße auch an das vor der Berufswahl ste hende Weib herantreten. Darüber hinaus aber genoß und genießt die Berufswahl des jungen Mannes, des Knaben oder Jünglings, die Erwägung der Für und Wider im Kreise der Familien, der Verwandten, Freunde, Lehrer und Berater, ja der breiten Oeffentlichkeit und der sozialen Stellen sehr viel mehr Bedeutung, als die des Weibes. Eben, weil man in dem jungen Manne, der sich für einen Beruf entschließt, einen Menschen sieht, der einen Entschluß fürs ganze Leben faßt, während das junge Mäd chen nach der herrschenden Gitte in ein Uebergangsstadium tritt. Was braucht man da lange zu wägen und zu wählen? Bietet sich gerade ein Platz, io wird es einge- schvben, zeigt sie vorübergehend den Wunsch, dieses oder jenes zu lernen, so stimmt man zu, vorausgesetzt, das; dieser Wunsch kein allzu absonderlicher ist oder die Ver hältnisse übersteigt. * Mit solchen traditionellen Ansichten mutz in Zukunft gebrochen werden. Aus welchen Gründen, das ist am Ein gänge schon gesagt worden, zum Teil wenigstens. Tenn ganz gleich, ob ein junges Mädchen früher oder später in den Hafen der Ehe, der durchaus nicht immer der sichere ist. einlaufen kann, schon vom rein menschlichen Stand punkte aus mutz es entschieden werden, datz Indivi duum Jahre nutzlos vergeudet oder schlecht auwcndet, dis ihm unter anderen Verhältnissen gut vorwärts helfen oder seelisch heilsam werden würden. Jahre, während der man Wie ein Sklave front, die Tage zählt und unter einer Be schäftigung seufzt, die einem nicht zusagt, vielleicht sogar der ureigensten Veranlagung nach zuwider ist, sic können nicht als Zeiten der inneren Fortentwickelung, des Reifens an gesprochen Werden. Aber wir Deutschen haben weder das Recht och die Mittel, während der nächsten Jahrzehnte eine solche Ver geudung mit Arbeitskraft treiben zu können. Das ist, neben dem rein psychischen Wohlbefinden des Einzelnen, der stärkste Grund, der dafür spricht, datz auch bei der Berufswahl des Weibe? künftighin in allen Fällen jene Sorgfalt geübt werde, wie bei der des Mannes. Zunächst hat darum jede berufsuchende Frau selbst mitzuarbeiten. Andere ausschließlich für sich sorgen zu lassen — unter diesen anderen soll hier die Oeffentlichkeit, die soziale Fürsorge und ähnliches verstanden werden —. ist durchaus unangebracht. Selbstbestimmung und Selbst entscheidung sollte sich selbst das jüngste Weib nicht aus aus der Hand nehmen lassen. Darunter ist natürlich nicht zu verstehen, datz man das junge Mädchen gewähren lassen soll, daß man seinen Launen rückhaltlos stattgeben muß, sondern lediglich die Beachtung seiner Wünsche, die Teil- nahme an seinen Interessen, die Erweckung der Urteils fähigkeit durch Bekanntmachung mit einzelnen Berufszweigen das Eingehen auf diesbezügliche Gespräche. Eltern und ältere Geschwister, Anverwandte, Freunde und Lehrer sollrcn sich gleichermaßen die Ansicht zu eignen machen, daß di« Berufswahl des jungen Mädchen durchaus nichts Neben sächliches sei, nichts, was man leicht nehmen dürfe. Ter Krieg ist in gewisser Beziehung auch im beruf lichen Leben der Frau ein Erzieher gewesen. Er hat von den Frauen und Mädchen eine gewaltige Mehrarbeit ge- fordert, als in Friedenszeiten, er hat sie aus Betätigungen ——- —k-