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Vkt nahmen ihn viel zu sehr in Anspruch, als daß er sich gerade jetzt eingehender mit ihm hätte beschäftigen können. So saß denn Graf Franz und trank, und wie alle Menschen, deren Gesundheit durch einen wüsten Lebens wandel zerrüttet ist, und die nicht viel vertragen können, so stieg auch ihm der Dunst zu Kopfe und fachre alle bö sen Leidenschaften in seinem Innern mit einem Male wieder an. Eine Weile schon bemerkten dir Herren von Scekala, daß er allerhand unverständliche Worte vor sich hin urmelte, plötzlich aber sahen sie ihn anistehen, einem Bedienten ein volles Glas vom Präsent wibrett nehmen und ziemlich unsicheren Schrittes sich entferne!'. Ehe Graf Konstantin, der seinen O.ckel fast nicht aus den Augen ließ, es verhindern konnte, stand derselbe auch schon der zum Tode erschrockenen Gräfin Josephine gegen über. Die Haare wirr und tief in die Stirn herabhän- -end, mit schlotternden Knien und einem häßlichen, bos haften, läppischen Mienenspiel, das überfließende Glas mit halb ausgestreckter Hand vor sich hmhaltend, stand der Unselige vor der bleichen, zitternden Frau und weidete sich an ihrem Anblick. Es war etwas Teuflisches in dem Menschen. »Schau," lallte er zutraulich grinsend mit halbleiser Stimme, „wer hätte das gedacht, holde Seppi, daß wir beide noch einmal auf diese Weise mit einander verwandt würden!" Die junge Frau schaute sich wie hilfesuchend um, sie ahnte nur zu wohl, was kommen würde. Sie wollte ihren Gatten herzurufen, aber der befand sich gerade jetzt zu entfernt von ihr, es hätte dies nur vorzeitig Aufsehen er regt. Sie suchte mit einem stolzen, strengen Blick den Grafen im Zaum zu halten, sie sixirte ihn, wie mau eine Bestie fixiert, die zum Sprunge ansetzt. Aber jener Halb- trnnkene war schlir .-er als ein reißendes Tier. „Gett, Seppi, bist Wohl ein wenig erschrocken, daß ich dir so unversehens in die junge Ehe hineinschneie? — aber — aber fürchte dich nicht, Schatz — das bleibt alles upter uns — das heißt, unter Umständen natürlich — natürlich, du verstehst mich schon, wie?" Es gab aber noch jemand, dessen Blicke nicht einen Augenblick ausgehört hatten, den Grafen Franz zu be obachten, und das war die Baronin. Mit Entsetzen be merkte sie, wie unmäßig jener den Getränken zusprach, und wie er jetzt halb betrunken und von innerer Tücke leuchtend sich der Gräfin nahte. Sie wollte einen Bruch Hierbeiführen, eine Szene selbst, wenn es sein mußte, um ihren Zweck zu erreichen, aber mit Anstand, innerhalb des Kreises der Familie; einen öffentlichen Skandal herbeizuführen, das war zuviel. Sie war klug und Dame von Welt genug, um einzusehen, daß ein sol cher unter jeder Bedingung vermieden werden mußte, daß er alles verderben würde. „Jesus Maria, was hat der Zoborn!" raunte sie er schrocken Lisi Waltersdorsf zu, auf den Grafen deutend und sich schnell erhebend. „Kommen Sie, Lieschen, der Mensch ist offenbar bettunken und wird ein Aergernis geben, schnell, schnell! Und so waren die beiden Frauen herzugeeitt und kamen gerade noch zur rechten Zeit, um die letzten Worte des Grafen Franz zu hören. Ehe noch die Baronin etwas tun konnte, hatte die brave Lisi schon gehandelt. Ohne zu zaudern, drängle sie sich keck zwischen den Grafen und seine halb ohnmächtige Verwandte. Mit lächelnder Lippe, aber fester Hand nahm sie jenen beim Arm und rief mit erheuchelter Fröhlichkeit: „Nun, wenn Sie einmal beim Gratulieren sind, Gras Zoborn, dann vergessen Sie auch mich nicht, Sie werden es doch schon gehört haben, daß ich Braut bin." „Um Gotteswillen, was tun Sie!" raunte ihm unter dessen die Baronin mit zornigem Blicke von der anderen SeitL ins Ohr. „Schweigen Sie ganz still, Unseliger, trinken Sie keinen Tropfen mehr, Sie werden sonst alles verderben!" Der Graf hatte sich ruhig, etwas verblüfft zwar, -durch Lisi Waltersdorfs einige Schritte weit von der Gräfin fortführen lassen und machte sogar einen zweifel haft«, Versuch zu einem freundlichen Grinsen, als die strahlenden Augen des reizenden Mädchens ibn anlachten: er suchte offenbar schon nach einer passenden Erwiderung, seine Gebärden schienen sich aufzuheitern, da verdarben die heftigen Worte der Baronin alles. Er blieb plötzlich störrisch stehen, seine Mienen ver finsterten sich schnell wieder, er wankte ein paarmal vor wärts und rückwärts mit dem Oberkörper und warf dro hende Blicke um sich. „Was?" ries er dann, sich immer mehr erhitzend, „al les verloren? Was wollen Sie von mir? Schweigen soll ich, he — schweigen, wenn mein eigener Bruder meine Mätresse heiratet, die Seppi, vom Karltheater —. und mich — zum Bettler macht?! — Himmel und Hölle!" Der Gras hatte die letzten Sätze nicht geschrien, nein, gebrüllt hatte er sie, er schäumte förmlich, sein Augen funkelten wie die eines wilden Tieres, und seine abge magerten Arme fochten wütend in der Luft herum. Als wenn eine Bombe mitten zwischen die frohe Gesellschaft gefallen wäre, so wirkten jene Worte. Unwillkürlich erhoben sich alle Anwesenden er schrocken von ihren Sitzen und schauten entsetzt aus ven Rasenden. Eine tiefe, unheimliche Stille trat ein, nur durch einen schmerzlichen Aufschrei unterbrochen. Nach einem kurzen, aber fast übermenschlichen Kampfe ver langte die Natur ihre Rechte, ohnmächtig sank die junge, gemißhandelte Gräfin in die Arme der umstehenden Damen. Graf Roscowitz hatte jenen Schrei gehört, aber nur einen Blick warf er hinüber zu seiner Gattin; mit festem Schritt und hoch erhobenem Haupte, seine Züge wie aus Erz gemeißelt, so trat er dicht vor seinen Bruder Franz, der zurückprallte, als er in jenes bleiche, starre Antlitz schaute, aus denen zwei Augen voll Abscheu ihn an glühten. „Graf Zoborn," sprach der beleidigte Gatte, und seine Stimme klang seltsam, so hart wie Stahl und eiskalt, „Sie haben zwar viel getrunken, aber betrunken sind Sie nicht. Wir sind nicht so nahe verwandt miteinander, dem Himmel sei Dank, daß ich nicht jede Rechenschaft von Ihnen erwarten dürste für jenes Wort. Von Stunde an betrachte ich Sie als ein giftiges Reptil, das man zertre ten muß. Ich heiße Sie einen ehrlosen Verleumder, einen Lügner! Und nun entfernen Sie sich, Graf Zoborn!" Und wiederum trat eine schwere, verhängnisvolle Stille ein. Die über alle Begriffe peinliche Situation spiegelte sich auf allen Gesichtern wieder. Ein tiefes Mitgefühl für den Grafen Anton und feine Gattin erfüllte jede Brust. Zwar waren unter der Menge der geladenen Gäste manche, die die Mesalliance des Grafen mit einer Schau spielerin mißbilligten, und die nur aus Achtung vor die sem seiner Einladung gefolgt waren, aber empört und ent rüstet waren sie von dem brutalen Benehmen des Gra fen Zoborn. Wohin dieser blickte, er begegnete nur fin steren, verachtenden Gesichtern. Die Worte des tief beleidigten Bruders und Gat ten schnitten scharf wie Schwerter, die Geste, womit er seinen letzten Befehl begleitete, womit er jenen gehen hieß, war so imponierend, das ganze Benehmen des Grafen so gebietend und würdevoll, daß der Schurke trotz seines augenblicklichen Zustandes die Wucht desselben empfand. Zwar machte er noch eine Anstrengung, sich geltend zu machen, aber vergeblich. „Ein Lügner — so — ein Lügner!" rief er drohend und focht abermals mit seinen Armen in der Luft herum, „wir werden sehen — wir werden sehen!" Das waren seine letzten verständlichen Worte, denn schon hatte die Geduld der Umstehenden ihr Ende er reicht. Der General, Graf Edmund und Konstantin und noch einige von den Herren legten ohne weiteres Hanv an den Wütenden, zwangen ihn in den ersten besten Wagen hinein und hießen den Kutscher im Galopp davonfahren; seinen Reitknecht mit den Pferden sandte man ihm nach. (Schluß folgt.)