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' Denkspruch. 8ul unä Mul Ilir Volk unä ;mdei! geben — Nenn' ckie Ls«, äie sich äer krt vergleich:. cv. liörner. Sie enipfanden es daher als eine Erleichterung, als Dora, die jüngste Tochter der Frau Apotheker, von den Einkäufen in scherzender Laune nach Hause kam und nichtsahnend der unerquicklichen Szene ein Ende bereitete. Thea begab sich in ihr Zimmer und nahm dort an ihrem Schreibtisch Platz. Die ganze Szene mit ihrer Mutter klang noch in ihrer Seele nach, denn sie hatte plötzlich wieder die alte Frage in ihr wachgerufen, dieselbe Frage, die ihre Mutter in so undelilater Weise ihr entgegengeschleudert hatte. Was hätte sie ihr darauf erwidern sollen? — Sollte sie ihr sagen: „Mutter ich kam zu dir, weil es heiß, wildsehnsüchtig in mir schrie seit dem Tode meines Mannes nach einer Heimat, nach Liebe, nach einem Zusammensein mit Menschen, die meinem Herzen nahe stehen?" — Niemals würde sie solche Töne über die Lippen bringen. Auslachen würde sie ihre Mutter und sagen: „Von solchen Gefühlen haben wir alle noch nichts bei dir bemerkt." Und die Mutter hätte recht! Die schönen, wirklich harmonischen Stunden, die sie seit ihrer Heimkehr verlebt hatten, waren zu zählen. Und warum? — Nach uno nach hatte sie es bitter verstehen gelernt, — zwischen ihr und ihren einzigen Angehörigen hatte sich eine unüberbrückbare Kluft aufgetan. Die sechs Jahre, die sie als glückliche Gattin an der Seite ihres Mannes in oer Großstadt verlebt hatte — ihr Mann war Maler, und sie hatte in den geistig hervorragendsten Kreisen verkehrt —, diese sechs Jahre hatten einen anderen Menschen aus ihr gemacht. Sie paßte nicht mehr zu den Ihren. Ihre kleinbürger lichen Anschauungen, die engherzigen Vorstellungen von den Menschen und dem Leben, ihre Unfreiheit und Unselbständigkeit in allen Dingen war für sie täglich eine qualvolle Fortsetzung von Aufregungen und Aerger. Die Welt aber, die sie verlassen hatte, zu der sie ihrem ganzen Denken, und Empfinden nach gehörte, war ihr nun seit dem Tode ihres Mannes auch ver schlossen. Kurze Zeit waren die Freunde ihres Mannes noch gekommen, aber da nun das belebende Element, der geistige Mittelpunkt ihres Hauses fehlte, blieben sie nach und nach weg. Bald war ihr Empfangsraum leer, ihr schönes Heim vereinsamt. In dieser Zeit, wo sie sich so recht verloren und verlassen in der großen Stadt vorkam, hatte sie sich entschlossen, zu ihrer Mutter zu gehen. Und was war aus ihrer letzten Hoffnung geworden, an die sie sich so inbrünstig geklammert hatte? — Die Erkenntnis: Auch hier wird sich deine suchende Seele nur Wunden holen. O ja, sie wußte es! Bitter hatte sie es erfahren, sie hatte keine Heimat mehr! Heiße Tränen füllten ihre Augen. Sie litt unbeschreiblich, hoffnungslos, leer, schal kam ihr das Leben, die ganze Zukunft vor. Trotz der starken seelischen Erschütterung schlief sie ziemlich gut. Als sie am andern Morgen die Fenster ihres Zimmers öffnete, lag ein sonnenvergoldeter August morgen über den Gärten und den fruchtreifen Feldern. Während ihr Blick so über die benachbarten Gärten streifte, bemerkte sie, daß in der gegenüberliegenden Villa des Professors Wildberg die Läden wieder hoch gezogen waren. Es war unmöglich, daß ProfessoÄ schon von der Reise zurück waren. Und da entdeckte sie auch auf der breiten Veranda, durch das Blumengespinst hindurch, einen verwundeten Offizier, der eben von einen: Diener in seinem Wagen aus die Veranda geschoben wurde. (Fortsetzung MM Die heimatlosen. Kriegsskizze von A. Diringer. (Nachdruck verboten.) Schon färbte sich das Laub gelblich, schon- blühten > überall in den Gärten die Astern in bunter Farben- l Pracht, und die Abende waren kühl und früh dunkel. ! Um den schönen Abend noch zu genießen, saß Frau Apotheker Müller mit ihrer Tochter Thea, einer ele- ; ganten Großstädterin und jungen Witwe, zusammen auf z ihrem Balkon. Die Damen waren in die neusten Kriegsberichte ! vertieft. Während die alte Danie mit einer Hast, einer Flüchtigkeit die Berichte durchflog, las Frau Thea ' langsam, in ernster, tiefer Bewegung. Wehr als ein- mal lehnte sie sich, wie überwältigt von den Ereignissen. ! die sich da draußen abspielten, in ihren Sessel zurück. Sie Ivar immer wieder erstaunt, mit welcher Selbst verständlichkeit von manchen Menschen all das Große, das sich da draußen auf den Schlachtfeldern ereignete, hingenommen wurde. / Plötzlich warf ihre Mutter die Zeitung hin. „Ach was," sagte sie ärgerlich, nach einer Stickerei greifend, „zum Davonlaufen ist es jetzt einfach mit den Zeitungen! — Immer nur Kriegsberichte und Kriegs geschichten und politische Erörterungen, man wird schon rein verdreht davon!" „Aber Mutter!!" „Na, was denn aber? Ist es vielleicht nicht etwa so? — Hat man denn jetzt überhaupt noch etwas vom Leben? Wo man hinkommt, die Bekannten in Trauer oder Sorgen, die schönen Abende im Lese verein sind vollends eingeschlafen, die Sonntage so öd und langweilig, kurz und gut, man kommt sich vor wie lebendig begraben in dem kleinen Nest!" Mit entsetzten Augen hatte Frau Thea den Wort schwall ihrer Mutter über sich ergehen lassen. Sie konnte sich kaum beherrschen. „Weißt du, Mutter," sagte sie scharf, „wenn das dein Ernst ist, was du da hervorsprudelst, dann Verdienst du nicht, daß ein Tropfen deutsches Blut für dich vergossen wird." Unwillkürlich hatte sie sich erhoben, ihre imposante Gestalt wuchs förmlich vor den Augen ihrer Mutter, einen Augenblick war dieselbe wie gebannt. Aber dann kam ihr der ganze verletzende Ton ihrer Tochter zum Bewußtsein. „Was du dir nicht alles gleich herausnimmst," erwiderte sie giftig, während ihre Nasenflügel vie- briertcn. „Man wird doch in Gegenwart seiner leib lichen Tochter mal seinem Aerger Luft machen dürfen, ohne gleich einen Vaterlandsverrat zu riskieren! Aber du, ich weiß wirklich nicht, warum hast du immer etwas an uns auszusetzen, bald an mir, bald an Dora! Wenn wir dir so wenig gefallen, weshalb bist du denn über haupt zu uns gekommen?" Die junge Frau zuckte zusammen, als hätte sie ein schwerer Schlag getroffen. „Ja, warum bin ich über haupt nach Hause gekommen?" — Bitter wiederholte sie die Worte, sie mechanisch nachsprechend. Träumerisch flogen ihre Blicke dabei hinaus in den dämmerigen Garten. Eine bedrückende Stille herrschte einen Augenblick zwischen Mutter und Tochter. — Es war zum ersten Male, daß ihre gegen sätzlichen Anschauungen so scharf zum Ausdruck kamen, und sie erschraken beide darüber. —