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216 Nr. 6. STAHL UNI) EISEN.“ December 1881. der Freihandelspartei, die im Fortschritt und unter den Secessionisten zu suchen sind, Richter, Rickert, Ramberger u. a. m., im Reichstage fort gesetzt betonen werden, dass sich das deutsche Volk in den Wahlen gegen die neue Handels politik erklärt habe. Man wird indessen die Herren daran erinnern, dass sie zwar die Er folge des Zolltarifs, wie nicht anders zu er warten war, bestritten, aber Mann für Mann vor der Wahl zugesichert haben, an den Industrie- Zöllen nicht rütteln zu wollen. Sie seien zwar überzeugt, dass diese Zölle der Industrie nichts nützten, vielmehr schadeten, sie wollten aber dem Zolltarif seine ehrliche Probe gönnen, zu mal da nach ihrer Ansicht die zollgeschützten Erwerbsbranchen sehr bald die Rückkehr zum Freihandel oder doch zu geringerem Zollschutz selbst beantragen würden. Ja die weitaus grösste Mehrzahl der gewählten Freihändler hat diese Erklärung vor der Wahl nicht bloss für die In dustrie-Zölle, sondern für den ganzen Zolltarif, also mit Einschluss der landwirthschaftlichen und Finanzzölle abgegeben. Auf Grund dieser Versprechungen sind liberale Candidaten auch von schutzzöllnerisch gesinnten Liberalen gewählt wor den; für die Wahl waren nach so bestimmt ab gegebenen Zusagen die Bedenken in Bezug auf die zu befürchtende Abänderung des nothwendigen Zollschutzes beseitigt und die Wähler könnten einzig und allein ihrer politischen Ueberzeugung folgen. Unter solchen Umständen kann von irgend welcher Entscheidung gewisser liberalen Wahlbezirke zu Gunsten des Freihandels doch wirklich nicht die Rede sein. Ueber wieviel Stimmen die Freihändler im Reichstag zu verfügen haben werden, lässt sich zur Zeit noch nicht übersehen, da, wenn man auch alle Secessionisten und Fortschrittler dazu rechnen wollte — auoh hier gibt es einige Aus nahmen — über das handelspolitische Glaubens- bekenntniss vieler neu eingetretenen Mitglieder der anderen Parteien ausreichende Kenntniss fehlt. Der Zuwachs wird im höchsten Falle etwa 70 — 75 Mitglieder, die Zahl der im Reichstag vorhande nen radicalen und gemässigteren Freihändler, zu deren Gunsten gerechnet, etwa 160 —165 betragen, und somit wäre die Gefahr einer Majorisirung beseitigt. Ein etwaiger Angriff der in sich ge schlossenen und sehr rührigen Partei würde auch keineswegs bei den Industrie-Zöllen, sondern bei den landwirthschaftlichen, vielleicht auch bei dem Petroleumzoll einsetzen. Und doch wäre dies, wie die Dinge einmal liegen, nur der erste Schritt für weitere Zollermässigungen und Zollbeseitigun gen, und damit würde früher oder später auch dem nationalen Schutz der industriellen Arbeit das Grab bereitet. Die Industrie, und vor allen Dingen die Eisenindustrie, werden daher genöthigt sein, die Operationen der Freihandelspartei mit grösster Aufmerksamkeit zu verfolgen; die Situation ist immerhin ernst genug. Dr. H. lientesch. Die General-Versammlung der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller zu Düsseldorf am 12. November 1881. Da nur verhältnissmässig wenige Mitglieder des Vereins deutscher Eisenhüttenleute zugleich Mitglieder der nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller sind, so dürfte es angemessen erscheinen, einen kurzen Bericht über die General-Versammlung der Gruppe in diesen Blättern zu geben. Es dürfte um so mehr berechtigt sein, einiges Interesse für diese Verhandlungen vorauszusetzen, da bei den sehr verwandten Bestrebungen, die sich in der Eisen- und Stahl-Industrie und in Wahrung der Inter essen derselben erneuern, doch immerhin eine gewisse Theilung der Arbeit zwischen den beiden Vereinen stattfindet. Denn wenn der Verein der deut schen Eisenhüttenleute den Schwerpunkt seiner Thä- tigkeit in die Behandlung der so hoch bedeutungs vollen technischen Fragen verlegt, so beschäftigt sich die nordwestliche Gruppe, als ein Theil des Hauptvereins deutscher Eisen- und Stahl-Indu strieller, hauptsächlich mit den wirthschaftlichen Fragen, von deren geeigneter Lösung das Wohl und Wehe der Industie in so hohem Grade ab hängig ist. Was der Hauptverein in der nordwestlichen Gruppe in dieser Beziehung in den letzten sechs Jahren geleistet hat, darf als bekannt vorausgesetzt werden; es sei nur gestattet darauf hinzuweisen, dass die intensive Thätigkeit beider wohl am meisten zu dem Umschwünge in der öffentlichen Meinung beigetragen hat, welcher es unserm grossen Kanzler ermöglichte, mit einem Theile seiner bedeutungsvollen Pläne für die Reform der deutschen Wirthschaftspolitik durchzudringen. Die hier vorliegende Theilung der Arbeit in