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138 Nr. 4. STAHL UND EISEN. October 1881. trachtungen und die Vernachlässigung der prak tischen Bedürfnisse hat, nach dem eigenen Ge ständnisse der massgebenden Persönlichkeiten, die Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure nicht denjenigen Rang einnehmen lassen, welchen das Blatt unbedingt erreichen musste und konnte. Wir begrüssen die Anstrengungen, früher begangene Fehler auszumerzen, mit bestem Wunsche des Gelingens und sind sicher, dass mit dem Gedeihen der literarischen Vertretung das bisher vermisste äussere Ansehen steigen wird. Für den Verein deutscher Eisenhüttenleute geben die dort gemach ten Erfahrungen einen bedeutungsvollen Wink, wie die Klippen zu umschiffen sind, welche unserm noch wenig erprobten Fahrzeuge drohen. Manche technischen Schriftsteller sehen in einer leichtfasslichen Behandlung von Fachfragen eine Art von Entwürdigung und verabsäumen selten, ihren Geisteserzeugnissen das nöthige Ge präge der höheren Wissenschaftlichkeit aufzu drücken. Selbstredend sind für gewisse Unter suchungen die feinsten und schärfsten der bis jetzt bekannten Methoden unentbehrlich, und darf Niemand sich beklagen, wenn ihm deren Ver- ständniss verschlossen bleibt; dagegen genügen für die weitaus grössere Zahl allgemein verständ liche, elementare Betrachtungsweisen. Hochgelehr ter Formelkram, zahlreiche Integralzeichen u. s. w. sind, wenn nicht unbedingt nothwendig, allemal vom Uebel und veranlassen einen Theil der Leser, z. B. stark beanspruchte Praktiker, solche Bücher oder Hefte sofort bei Seite zu legen, sicherlich aber die betreffenden Stellen zu überschlagen. Geschickte Behandlung schwieriger Fragen mit einfachen Hülfsmitteln und ohne weitläufigen, ge lehrten Apparat erzielt immer die beste Wirkung und den grössten Erfolg. Keiner verstand das besser als Justus von Liebig, dessen chemische Briefe u. A., unerreichte Muster klarer, verständ licher Darstellung, den durchschlagendsten und wohlthätigsten Einfluss auf Mit- und Nachwelt ausübten. Wer jemals versuchte, über irgend einen Gegenstand in der besprochenen Weise zu schrei ben, wird gefunden haben, dass dazu eine um fassende Beherrschung des Stoffes gehört, die Aufgabe eher erschwert als erleichtert und der vollendeten Meisterschaft den freisten Spielraum zur Entfaltung ihrer Ueberlegenheit gewährt. Gegenwärtig huldigt man nicht mehr der An sicht des Gelehrten Daniel Heinsius, der die Echtheit einer angeblich von Aristoteles ver fassten Schrift bestritt, weil dieselbe nirgends die erhabene Dunkelheit biete, welche in den übrigen Schriften des Aristoteles die Unwissen heit zurückschrecke. Arago geisselt in der Vor rede zu seiner berühmten populären Astronomie gebührend diese seltsame Auffassung des Schrift stellerthums: wir mussten dabei unwillkürlich an gewisse neue Richtungen denken, deren fanatische Jünger in übertriebenem Eifer unausgesetzt be flissen sind, ihren Schriften durch barocke, ge schmacklose Ausdrucksweise den Zauber erhabener Dunkelheit zu sichern, deshalb jedoch für nüchterne Alltagsmenschen ungeniessbar sind. Die Fachgenossen werden uns verstehen, wenn wir ihnen eine ganz andere Schreibart, auch etwas gerechtfertigtes Misstrauen gegen an scheinend sehr gelehrte Dunkelheiten empfehlen. Anfangs wirken die Orakelsprüche verblüffend, man hält sie für ungemein weise, sich selbst aber für sehr dumm, weil einem jene Erhabenheiten unverständlich bleiben. Dreht man aber einmal den Spiess um, fragt mit unverfrorener, skeptischer Zweifelsucht nach dem Wie und Warum, dann entpuppen sich häufig die angeblichen Propheten keineswegs als grosse Kirchenlichter, sondern als ganz kleine Stümpfchen Unschlitt. „Stahl und Eisen“ hofft dereinst ein mächtiger Freund und Beschützer aller vernünftigen, gesun den Bestrebungen, dagegen der gefürchtete Feind und Verfolger jeglicher unfruchtbaren Ideologie zu werden. lieber die Eisenerzablagerung von Lothringen- Luxeniburg und ihre Bedeutung für die Eisenindustrie. Von Aug. Jaeger in Dillenburg (Nassau). (Hierzu Blatt 1 und 2.) 1. Einleitung. Der Eisenerzbergbau in Lothringen-Luxemburg ist sehr alt und war in früherer Zeit lediglich auf die dicht unter Tage in Hohlräumen und Spalten des braunen Jura unregelmässig liegen den alluvialen, braun- und rotheisensteinartigen Erze — die sogenannte minerais de fer fort —• gerichtet. Diese haben indessen wenig Bedeutung mehr und bezweckt der Bergbau jetzt fast aus schliesslich die Gewinnung der tiefer liegenden mächtigen und ausgedehnten oolithischen Braun eisensteine — der sogenannten Minette. — Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts wurde indessen mit der Gewinnung der Minette begonnen, und als man deren Bedeutung erkannte, wurden die vorhandenen Hüttenwerke erweitert und neue