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852 Nr. 10. STAHL UND EISEN.“ October 1890. als 200° oder gar einem häufigen Wärmewechsel zwischen 150 und 350® dauernd ausgesetzt sind. Diese Werthe können auf zuverlässige Weise kaum anders als durch Dauerversuche im warmen Zu stande oder nach dem von Prof. Bauschinger* eingeschlagenen Verfahren ermittelt werden. Aber die Frage der Sicherheit von Eisen- constructionen wird, wie mir scheint, auch noch durch das eigenthümliche Wesen beherrscht, welches bei etwa 300 0 sich bemerkbar macht und doch vielleicht recht beachtenswerth sein möchte. Bei 300° befinden sich alle drei unter suchten Eisensorten in einem merkwürdigen Zu stande, welcher dem oft behandelten »blauwarmen Zustande« entsprechen dürfte. Das Eisen zeigt neben gröfserer Festigkeit eine wesentlich ge ringere Querschnitts-Verminderung und geringere Dehnbarkeit, als im kalten Zustande. Es ver trägt weniger Formänderung, die Brüche treten plötzlich ohne vorheriges Einschnüren ein; das Material zeigt eine gewisse Sprödigkeit, die auch durch die abweichenden Erscheinungen in der Bruchfläche zum Ausdruck kommt. Es ist des wegen die Frage wohl berechtigt, in welchem Mafse etwa das Eisen bei 300° Stofswirkungen, namentlich oft wiederholten, zu widerstehen vermöge. Als eine eigenthümliche Erscheinung darf auch wohl das Verhalten zwischen — 20 und 20° hervorgehoben werden. Mir erschienen die hier in den Linienzügen ganz regelmäfsig her vortretenden , anfänglich starken Krümmungen (Steigung der Festigkeit neben Abnahme der Dehnbarkeit und der Querschnitts-Verminderung, kurz Abnahme des Formänderungsvermögens) so auffallend, dafs ich lange nach einer Aufklärung darüber suchte, ob nicht am Ende doch ein grundsätzlicher Fehler in der Versuchsausführung dieses eigenthümliche Verhalten bedingt haben könne. Wie man weifs, wurde früher häufig behauptet, dafs Schienenstahj in der Kälte spröder sei als in der gewöhnlichen Wärme. Die Ursache dieser Sprödigkeit wurde alsdann in der gröfseren Starrheit der Unterlage, des gefrorenen Bodens, gefunden, und in Rufsland wurde festgestellt, dafs die Schlagversuche mit Schienen von — 20° Wärme nicht nennenswerth ungünstiger aus fallen, als diejenigen bei gewöhnlichen Wärme graden. Wenn also auch die hier mitgetheilten Versuchsergebnisse die Zunahme der Sprödigkeit mit Erniedrigung der Wärme unter den Gefrier punkt wahrscheinlich machen, so möchte ich doch hervorheben, dafs eine Bestätigung dessen durch eine weitere Ausdehnung der Versuche in dieser Richtung recht sehr wünschenswerth ist. Aus dem Voraufgehenden und aus den Linien in Fig. 2 u. 3 ist mehrfach der Unterschied zwi- * Bauschinger, Mittheilungen aus dem mech.- techn. Laboratorium. München, Heft XV. sehen den von zwei verschiedenen Hüttenwerken gelieferten Materialien hervorgetreten. Dieser Um stand sowie die eingangs begründete Nothwendig keit, die Versuche auf nur drei Härtestufen zu beschränken, veranlafst leider, dafs die Gesetz- mäfsigkeit der Eigenschaftsänderungen des Eisens mit steigender Wärme und steigender Härte nicht in der Weise klar zum Ausdruck gebracht werden kann, wie es bei Aufstellung des Arbeitsplanes beabsichtigt war. Sucht man zunächst nach den Ursachen für die charakteristischen Abweichungen zwischen den Erzeugnissen beider Hüttenwerke, so wird man zuerst die chemische Zusammen setzung beider Materialien und alsdann die etwaige Verschiedenheit in der mechanischen Bearbeitung nach dem Giefsen zu beachten haben. In letzterer Hinsicht darf man wohl annehmen, dafs grofse Abweichungen nicht vorgekommen sein dürften, da ja die Erzeugungsart zwischen beiden Werken vereinbart war. Deswegen dürfte es sich recht sehr empfehlen, die Analyse beider Materialien noch jetzt nachträglich ausführen zu lassen. Grofse Abweichungen in der chemischen Zu sammensetzung der Materialien werden kaum zu erwarten sein, denn der allgemeine Charakter der Schaulinien ist schliefslich doch ein ähn licher, wenn auch bei etwa 200 und 300° be- achtenswerthe Abweichungen nachgewiesen worden sind. Aenderungen in der chemischen Zusammen setzung haben aber schon Aenderungen in den Festigkeitseigenschaften des Eisens bei gewöhn licher Wärme zur Folge. Ohne Zweifel ist das auch bei erniedrigter und erhöhter Wärme der Fall, und es ist wohl möglich, dafs für die ein zelnen Beimengungen (Kohle, Mangan, Silicium u. s. w.) der gröfste Einflufs auf die Eigenschafts änderungen bei verschiedenen Wärmegraden ein tritt. Deswegen erscheint es mir nicht aus geschlossen, dafs die Bauchungen, welche die Linienzüge Ob, O3 und , bei Härtestufe III gegen über den Linienzügen für die Härtestufen I und II aufweisen, auf das besondere Vorherrschen des einen oder des andern Elements zurück geführt werden können. Es wäre sicher nicht ohne Interesse gewesen, auch noch die zweite Probe von Union mit der ersten vergleichen zu können, indessen waren die Abweichungen zwischen dem Material von Union und Hörde, welche diesen Wunsch veranlassen, nicht voraus zusehen, und daher mufsten die anfangs gegebenen Gründe für die Nichtprüfung ausschlaggebend sein. Das allgemeine Gesetz für die Festigkeits änderungen des Flufseisens der untersuchten Art mit steigender Wärme könnte man aus einer Zusammenfassung der Linienzüge in Fig. 2 u. 3 wohl ableiten. Man würde finden, dafs es sich an die früher gefundenen Versuchsergebnisse im allgemeinen anschliefst. Zur Vereinfachung der Uebersicht verweise ich auf ein von mir ver- fafstes Referat über die älteren Versuche in der