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K94 Tagesgeschichte. Berlin. Die materiellen und moralischen Erfolge, welche die Deutschen auf der Ausstellung in Chicago errungen haben, sind Ursache der Wiederaufnahme des Gedankens einer deutsch-nationalen Ausstellung in Verbindung mit der Berliner Gewerbeausstellung für 1896 geworden. Die nationale Ausstellung dürste wesentlich kunstgewerblichen Zwecken dienen. — Der Gesetzentwurf über den Schutz der Waaren- bezeichnung wird in nächster Session dem Reichstag wieder vorgelegtwerden, da allseitig derWunsch laut wurde, der Entwurf möge alsbald zur Erledigung kommen. — DaS ReichSversicherungSamt veröffentlicht das Ergebniß der von den Vorständen der gewerblichen Berussgenoffenschaften und von den Ausführungs behörden, sowie von den gewerblichen Arbeitervertretern vorgenommenen Wahl von vier nichtständigen Mit gliedern des Reichsversicherungsamtes nebst je 12 Stellvertretern derselben für die Wahlperiode vom 1. Oktober 1893 bis zum 30. September 1897. Von den 63 wahlberechtigten Genoffenschaftsvorständen haben 59, von den 277 wahlberechtigten Ausführungsbehör den 168 und von den 3196 wahlberechtigten Arbeiter vertretern 2671 ihre Stimmzettel rechtzeitig eingesandt. Zu Stellvertretern sind u. A. aus Sachsen gewählt: Tischler Wilhelm Krüger aus Dresden-Altstadt, Dreher Franz Emil Riemann zu Chemnitz, Friedrich Anton Zickmann zu Chemnitz und Häuer Carl Ernst Cl. Eitner zu Oelsnitz i. Erzgeb. — Obwohl die Beschlüsse der Berliner Steuer konferenzen geheim gehalten werden sollen, erfährt man hierüber doch schon, daß sich die für die Wein steuer eingesetzte Kommission im Prinzip zu Gunsten der projektirten Weinsteuer-Erhöhung entschieden habe. Weiter verlautet, daß in der zur Vorberathung des Tabaksteuer - Projektes eingesetzten Kommission der bundesstaatlichen Kommissare b-deutende Meinungs verschiedenheiten hervorgetreten seien, was allerdings das Gerücht nur bestätigen würde, dem zufolge in den Kreisen der Bundesregierungen Differenzen bezüglich der geplanten Tabaksteuer herrschen sollen. — Auf verschiedenen Strecken der preußischen Staatsbahnen werden mit Beginn des neuen Winter- fahrplaneS — d. i. 1. Oktober d. I. — die Bahnhöfe in der Weise abgesperrt, daß der Zutritt zu den Bahn steigen und, soweit dies nach Lage der Verhältnisse erforderlich ist, auch der Zutritt zu den Warteräumen nur gegen Vorzeigung der Fahrkarten und für Nicht reifende nur gegen Lösung einer Bahnsteigkarte zum Preise von 10 Pfg. zulässig ist. Die Prüfung und Durchlochung der Karten geschieht von diesem Tage ab auf den fraglichen Strecken nicht mehr durch den Zugschaffner, sondern durch den vor dem Zugang zum Bahnsteig aufgestellten Beamten, den sogenannten „Bahnsteigschaffner". Nach Beendigung der Fahrt wird die Karte dem Reisenden nicht durch den Zugschaffner, sondern vor dem Abgänge vom Bahnhofe ebenfalls durch den Bahnsteigschaffner abgenommen. — Der Kronprinz von Italien wird, wie nunmehr bestimmt ist, auch den Stuttgarter Kaisertagen beiwohnen. Ursprünglich sollte Kronprinz Victor Emanuel bekanntlich nur an den Kaisermanövern in Lothringen theilnehmen, aber schon zu Anfang der selben wurde aus Metz mitgetheilt, daß der italienische Thronfolger den Kaiser auch nach Karlsruhe begleiten werde, und jetzt wird der Prinz von Neapel also auch in Stuttgart zugegen sein. Die Anwesenheit des italienischen Thronerben während der ganzen Dauer der Kaisermanöver in Süddeutschland ist wohl eine deutliche Antwort auf die frechen Angriffe, welche feine Deutschlandsfahrt Seitens der französischen und russi schen Chauvinistenblätter erfahren hat. — Der Amerikaner Ide ist an Stelle des abge gangenen Cederkrantz nun doch Oberlichter von Samoa geworden. Die Persönlichkeit des Mannes ganz bei Seite gelassen, kann diese Nachricht in Deutsch land dennoch kaum große Begeisterung erregen. Offi ziös wird er weidlich gelobt; selbst wenn alles zu seinem Lobe Gesagte wahr wäre, würde doch die ein fache Thatsache, daß mit Ernennung eines Amerikaners der nordamerikanische Einfluß in Samoa eine weitere Stärkung zum Nachtheile des ohnehin ganz ungebühr lich zurückgedrängten deutschen Einflusses erfährt, der von Rechtswegen der überwiegende sein sollte, genügen, um die Frage auswerfen zu lasten, ob es nicht endlich an der Zeit wäre, die Aera der Unterlassungssünden und der Connivenz gegen andere Mächte ans Samoa zu schließen und in der dort befolgten Politik etwas mehr Rückgrat zu zeigen? Auf Samoa sind schon so viele Fehler begangen worden, daß eigentlich auch nicht der kleinste mehr gemacht werden sollte, und die Er nennung Jde's ist etwas mehr als ein kleiner Fehler. Elsaß-Lothringen. Die der Stadt Metz vom Kaiser geschenkte Bürgermeister kette ist ein Meister werk der Goldschmiedekunst. Eie ist nach einem Entwürfe von Prof. Eeder in Straßburg in der Werkstälte von PH. Heiden in München gefertigt. Die gothikche Kette zeigt vorn als Haufitstück einen reichen Baldachin mit der Kaiserkrone und dem Reichsadler. An einer Art von Tabernakel ist hier eine Gemme mit dem Bildniß Kaiser Wilhelm II. angebracht. An diesem Theil hängt an verschiedenen Kettchen ein originelles Kleinod, darstellend die nie besiegte Jungfrau von Metz mit Schwert und Stadtwappen in reichem Lor beergerank. Das niedliche Figürchen ist bunt emaillirt. Ein Spruchband trägt die Inschrift: „Sie ist in guten Händen." Die rückwärtige Schließe der Kette ist durch das Wappen von Lothringen gebildet. Die Kette selbst zeigt ein originelles Muster von goldenen Gliedern und emaillirten Blumen und ist reich mit Diamanten besetzt. Schweiz. Es ist sehr lehrreich, die Haltung zu beobachten, welche die außerschweizer sozialistische Presse dem Initiativantrag der Schweizer Genoffen bezüglich des „Rechtes auf Arbeit" gegenüber einnimmt. Man sollte meinen, der Antrag fände allgemeinen Beifall, da er ganz im Sinne des Zukunstsstaates ge dacht ist. Weit gefehlt! Der Antrag wird und zwar besonders von der deutschen Sozialdemokratie bekämpft. Der Berliner „Vorwärts" erklärt den Antrag für un praktisch, weil er innerhalb der heutigen Gesellschafts ordnung nicht durchführbar sei, vielmehr erst der große Umsturz stattgesunden haben müsse. Ernsthafter werden die Einwendungen des „Vorwärts", soweit sie sich aus die durch den letzten Züricher Kongreß und die Vor gänge in Aigues - MorteS nicht eben in glänzendes Licht gesetzte internationale Seite der Sache beziehen. In dieser Hinsicht sieht er sich zu folgenden schmerz lichen Bekenntnissen genöthigt: „Die Durchführung der von unseren Genoffen gestellten Forderung des Rechtes auf Arbeit würde auch für die nichtschweizerischen Arbeiter nicht gleichgiltig sein. Die schweizerische Regierung würde, sobald es der Ablauf ihrer Staats verträge nur irgendwie gestattet, den fremden Arbeitern, vor Allem den deutschen und italienischen, das Recht, in der Schweiz zu arbeiten, nehmen, sie würde alle nichtschweizerischen Arbeiter ausweisen, um ihren Lands leuten mehr Arbeitsgelegenheit zu schaffen und um die ihr durch das Recht auf Arbeit geschaffene Unterstützungs pflicht der Arbeitslosen zu vermindern. Sicherlich wollen dies unsere schweizerischen Parteigenoffen nicht, sie haben wohl an diese unausweichliche Folge ihres Vorgehens, falls es von Erfolg begleitet wäre, gar nicht gedacht. Desto größer ist unsere Verpflichtung, hierauf hinzuweisen." Ein neuer Beweis, wie windig es mit dem internationalen Sinn der sozialistischen Arbeiterschaft bestellt ist. Frankreich. In Toulon herrscht wegen der be vorstehenden Ankunft des russischen Geschwaders bereit« festliche Stimmung. Von allen Setzen trifft man umfassende Vorbereitungen zu einem glänzenden Empfange der erwarteten russischen Gäste, auch ist vom Stadtrath schon ein bedeutender Credit für die offiziellen Empfangsfeierlichkeiten bewilligt worden. Inzwischen wollen neuere Petersburger Meldungen wissen, der russische Flottenbesuch in Toulon sei wiederum ver schoben worden — sollte man aber an der Newa wirklich so grausam sein und die Franzosen noch länger zappeln lassen? Rußland. DieVer! obungdes russischen Thr on - folgers mit der Prinzessin Sibylle von Hessen soll nach dem Ablauf der Hoftrauer in FredenSborg ver kündigt werden. (Die Prinzessin Sibylle ist eine Tochter des am 14. Oktober 1884 verstorbenen Land grafen Friedrich von Hessen und der in Frankfurt lebenden Landgräfin Anna, geb. Prinzessin von Preu ßen. Die Prinzessin Sibylle ist am 3. Juni 1877 zu Schloß Panker in Holstein geboren. Der älteste Bruder derselben, Prinz Alexander, residirt in PhilippS- ruhe bei Hanau.) Italien, lieber den Gesundheitszustand des Papstes waren in den letzten Tagen wieder einmal beunruhigende Gerüchte im Umlauf. Dieselben werden indessen von vatikanischer Seite als vollkommen un begründet erklärt, ver Papst befinde sich vielmehr sehr wohl, zum Beweise dessen wird darauf hingewiesen, daß er am Donnerstag vier Cardinäle und fünf Prälaten empfangen habe. England. Der Sitzung des Oberhauses am 9. September wohnten der deutsche, russische, türkische und amerikanische Botschafter bei. Lord Salisbury bekämpfte in sünfviertelstündiger Rede die Hom er ule- Bill, welche England keineswegs Ruhe bezüglich der irländischen Fragen bringen werde, da die Irländer im Reichsparlament blieben. Die Regierung behaupte, daß die Unionsakte ein Mißerfolg sei; er bestreite dies aber; denn seit Bestehen der Union habe der Gesammtzustand Irlands sich wesentlich gebessert. Die Politik der Opposition sei am Besten durch Gladstones und Lincoles Erklärungen gekennzeichnet, nämlich: geduldig zu verharren, Gutes zu stiften und von der bisherigen Linie nicht abzuweichen. Es sei ferner unwahr, daß durch die Bill die internationale Lage gebessert würde; im Gegentheil würde England die Kontrolle an der irischen Küste verlieren. Lord Salisbury empfahl schließlich den Unionisten als Motto MacaulayS Erklärung: Die Union bis zum Aeußersten zu vertheidigen, d. h. den Mandaten und den Vorfahren und den hohen Ueberlieferungen und dem britischen Reiche nicht untreu zu werden. Nach dem Kimberley hierauf geantwortet hatte, erfolgte di« Abstimmung und verwarf das Oberhaus mit 419 gegen 41 Stimmen die Bill. England. Der Streik der englischen Berg leute hat fortgesetzt ernste Unruhen im Gefolge. So riefen die streikenden Bergleute am Donnerstag in Chidswell sehr bedenkliche Ruhestörungen hervor. Die Tumultuanten bewarfen die Polizisten mit Steinen, worauf die Polizisten mit Gewehr und blanker Waffe wiederholt vorgingen. Es kamen in dem Handgemenge zahlreiche Verwundungen sowohl auf Seiten der Tumultuanten wie auch unter den Polizisten vor. Auch in Heckmorthwike verursachten die streikenden Grubenarbeiter arge Ruhestörungen, sie bewarfen die Polizisten ebenfalls mit Steinen und zerstörten schließ lich sogar die Bergwerksgebäude. — Der „Standard" meldet: Die Ermordung Emins am Ufer des Viktoria-Nyanza wird bestätigt durch in England eingegangene Briefe, welche ein Offizier der Expedition an seinen Vater hierher ge sandt hat. Der Briesschreiber theilt mit, er Habs in Nyangwa in einer Zinnbüchse Briefe und Depeschen Emins gefunden, welche am Tage vor dessen Er mordung in deutscher Sprache geschrieben waren. Die Briefe berichten eingehend über mehrere Kämpfe mit Arabern, welch' letztere 800 Mann verloren hätten, wobei 2 beziehentlich 3 Europäer getödtet worden wären. — Der Brief des englischen Offiziers, meldet der „Standard" weiter, sei Nyangwe datirt und besage, unter den Mitgliedern der Expedition herrsche kein Zweifel an dem Tode Emins. Derselbe sei am 26. Februar den Lualaba entlang mit einer kleinen Bedeckung in der Richtung nach den Stanleysällen zu marschirt und habe an dem Kampfe gegen die Araber theilgenommen. Emin wäre durch Saidie, einen Ver wandten Tipu Tipps, wiedererkannt worden; Ersterer habe sich auf Befehl Moharras, des Bruders Tippu'S, aus Emin gestürzt und ihm den Kopf abgeschlagen. Süd-Amerika. Mit dem Sturze des Kaiserreichs hat, wie vorauszusehen war, auch für Brasilien die Aera fortwährender Revolutionen, wovon das übrige Süd-Amerika heimgesucht wird, oegonnen. Bei diesen Unruhen thut sich namentlich die Flotte hervor, unter deren Offizieren und Mannschaften ein arger Geist der Zuchtlosigkeit herrscht. Nach irgendwelchen prinzipiellen Beweggründen ist bei allen derartigen Bewegungen nie zu suchen; sie sind lediglich ein Ausfluß ehrgeiziger Bestrebungen, die mit freiheitlichen, patriotischen oder nur überhaupt politischen Ideen nichts gemein haben. Nach den letzten über Paris eingegangenen Meldungen aus Rio de Janeiro wurde ein Bombardement der Stadt durch das aufständige Geschwader befürchtet und beschlossen die Befehlshaber der fremden Kriegs schiffe aus Anregung des Kommandeurs der französischen Schiffe zu interveniren, um eine Beschießung der Stadt zu verhindern. Ein deutsches Kriegsschiff liegt zur Zeit nicht vor Rio; die beiden Kreuzer „Arcona" und „Alexandrine" ankern im La Plata-Fluße, um wäh rend der argentinischen Unruhen den Schutz der dort ansässigen Deutschen wahrzunehmen. Indien. Die kürzlich in Bombay stattgefundenen blutigen Streitigkeiten zwischen Mohamedanern und Hindus sollen in Folge politischer Umtriebe ent standen sein, wie der Gouverneur von Bombay, Harris, dieser Tage erklärte. Harris fügte die wettere Erklärung hinzu, daß die Schulvigen zur Verantwor tung gezogen werden würden. Diese Vorgänge scheinen aber nur die Vorläufer einer größeren Bewegung zu sein. Wenigstens meldet die in Allahabad erscheinende und sehr angesehene Zeitung „Pioneer", daß die von den Führern der Agitation zu Gunsten des Kuhschutzes weitverbreitete Brandliteratur einen wesentlichen Ein fluß auf die Hindus in den verschiedenen Provinzen Indiens ausübe. Falls nicht besondere Vorsichts maßregeln getroffen würden, sei eine plötzliche gewalt same Erhebung zu gewärtigen, im Vergleiche zu welcher die Unruhen in Bombay und in Rangoon unbedeutend erscheinen würden. Neueste Nachrichten. Pest, II. September. Großes Aussehen wird er regt durch das Verschwinden des Regierungsvertreters auf der Chicagoer Weltausstellung, des technischen RatheS im Handelsministerium, Bodner. Derselbe war, weil er das Klima nicht vertragen konnte, nach Europa zurückgereist. Seine Spur ist indeß in Southampton verloren gegangen. Man befürchtet, dqß Herr Bodner das Opfer eines Verbrechens geworden ist-