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Weißeritz-Ieitung Erscheint Dienstag« und Freitag». Zu beziehen durch alle Postanstal, te». Preis,,10 Quart.ltzNgr. Inserat« werden mit 8 Psg. flir di« Zeile berechnet und in allen Expeditionen angenommen. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Verantwortlicher Rcdactcnr: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Die Thronrede des Kaisers Napoleon III. So wichtig ist die Rede, welche Napoleon III. bei Eröffnung der Session des gesetzgebenden Körpers am k. März gehalten hat, daß das Berliner telegraphische Correspondenzbürcau über 200 Thlr. Kosten sür's Tele- graphiren gezahlt hat, um die mit großer Gespanntheit erwartete Rede noch denselben Tag Abends vollständig in Berlin zu haben, an welchem sie gehalten worden war. Alle Welt lauschte jener Staatsschrift, weil man aus den Conserenzverhandlnngen wenig oder nichts Zuverlässiges erfährt, und weil man erwartet hatte, der Kaiser werde den Abschluß deS Friedens verkündigen. Wenn sich gleich jeder Vernünftige sagen konnte, daß die Ausgleichung von Interessen, welche einander schroff gegenüber stehen, nicht das Werk weniger Tage sei, so glaubte man doch gern, was man wünschte, selbst dann »och, als verlautete, es sei in einer der Conferenzsitzungen sehr scharf dcbattirt worden. Wie mochten aber die Börsenlcute erschrecken, als sie statt der Friedcnsnachricht einen halb kriegerischen Trom- vetenton hörten! Napoleon liebt es, die Welt zu über- raschen. Seine Thronrede ist bei weitem kriegerischer, als friedlich. Alles darin läuft aus die überschwengliche Ehre und den Ruhm der großen Nation hinaus, dessen Urheber Napoleon III. ist. Von den Worten an: , Eine große Waffenthat entschied zu Gunsten der Alliirten" ent hält jeder Satz der Rede eine Position zu Frankreichs finanzieller, militärischer und politischer Machtsnmme, so daß die Welt über die Größe und den Ruhm Frankreichs erstaunen muß. Die dritte Anleihe ist ohne Schwierig keiten gedeckt, ja man hat Napoleon ein so großes Ver trauen geschenkt, daß man fünf Mal mehr, als man be durfte. gezeichnet hat; die Theuerung wurde mit morali schem Muthe getragen, der Bewunderung verdient; jene Gefahr, welche zudem durch Privatwohlthätigkeit gemildert ward, ist beseitigt; der militärische Geist der Nation war nie glühender, als im gegenwärtigen Augenblick; die Blind- nisse Frankreichs sind befestigt durch die Besuche zweier Souveräne. AuS diesen Sätzen leuchtet hervor: Ihr werdet klug handeln, wenn ihr Frieden schließt; denn Frankreich hat nöthigensalls alle Mittel, den Krieg fortzuführen. Nun kommen endlich die stolzen Sätze.- „Der gegenwärtige Krieg ist für Frankreich nur eine Episode, ein kurzer Zwischcnact, der leicht zu einem Hauptact werden kann, wenn Rußland nicht die Friedensbedingungen eingeht." Wenn Napoleon wiederholt das englische Bündniß betont, so geschieht eS in demselben Sinne, daß Frank reich im Bunde mit England Kraft genug hat, den Krieg nöthigensalls fortzuführen. Uebcrall finden sich Hindeu- tungen auf diese Allianz. Auch die höchst ehrenvolle Er wähnung Sardiniens ist in derselben Richtung mit einem Seitenhiebe auf Oesterreich, das so viel „Rücksichten" seit- her genommen hat.- Daneben ist die freundlichere Seite der Rede nicht zu übersehen. Napoleon vergißt nicht, daß in seiner Re sidenz die Friedenskonferenzen stattfinden, und daß die Vertreter seines nordischen Feindes anwesend find. Der Freundlichkeiten gegen Rußland sind nicht wenige in der Rede. Die „hartnäckige Vertheidigung Sebastopols hat an einem Erfolge zweifeln" lassen; es sind folglich die Russen sehr tapfer und heldenmütig gewesen, nur noch etwas übertroffen noch . von Frankreichs „beispielloser Waffenthat." Diese Sätze lassen sogar die Möglichkeit des Erfolges der russischen Waffen zu. Daß der russischen „Waffenehre Genüge geleistet" wird ausdrücklich anerkannt. Dem Kaiser von Rußland wird die Nachgiebigkeit sehr erleichtert durch die Hinweisung, daß er „Erbe einer Lag« ist, die er nicht Hervorgernfen;" auch für die Zukunft wird die gleiche Nachgiebigkeit erleichtert durch den Satz: „er habe sich selbst geehrt durch Annahme der österreichischen Friedensvorschläge." Von den untergeordneten Punkten heben wir nur die etwas kühle Behandlung Oesterreichs und den sehr bemerkenöwerthen Umstand hervor, daß die Türkei auch nicht einmal mit dem Namen erwähnt ist. Preußen und die Mittelstaaten sind wohl in dem Satze bedacht, wo von den „Nathschlägen oder Bitten" die Rede ist, die von allen Cabinetten nach Petersburg kamen. An dieser Gegeneinanderstellung der kriegerischen und friedlichen Momente der napoleonischen Rede ist ein fester Anhalt für ihre Beurtheilunz gegeben. Napoleon will den Frieden, er läßt aber auch eine Drohung scharf durch blicken, wenn man sich nicht fügt. Geht aus den Pariser Conferenze» der Friedt nicht hervor, so werden furchtbare Summen eingebüßt, und Handel und Gewerbe, welche jetzt einen neuen Aufschwung nehmen, würden ungemein gedrückt werden. Bereits sind eine Menge Banken, Ereditanstalten und Actienunterneh- mungen ins Leben gerufen worden, welche nur im Frieden sich entfalten können. Durch neuen Krieg können zahl lose Subsistenzen ruinirt werden. Noch hoffen wir fest den Frieden, nicht zwar aus Napoleon'S Thronrede, sondern aus der Friedensliebe Alexanders >1. und aus der finanziellen Erschöpfung Ruß- landS. Auch Frankreich bedarf deS Friedens, das läßt sich nicht wegleugnen. Die Nothwendigketten sind aber die beredtesten Diplomaten. Sie werden die Pariser Friedens- conferenz zwingen, die Schwierigkeiten auszugleichen, welche dem Abschluß des Friedens entgegen stehen. In dem Zeit- alter deS nahen Friedens, wenn er auch nicht auf ein Menschenalter andauern dürfte, werden mit Kapital ringe- Heu« Summen verdient oder verloren werden; denn alle