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!? deS Hauses. Sie essen mit dem Vater, und die Mutter dient, sie zürnen mit der Mutter und diese wirft sich vor dem unbärtigen Sohne auf die Erde und bitter um Verzeihung, daß sie ihn beleidigt har. Doch dieß überschreitet schon unsere Grenzen, wir wollen noch ein Wort von der weiblichen Jugend reden. Zur Sclavin des ManncS und zur Kinderträgcrin ist daS Weib geboren. Der Vater macht eS nicht mit Freuden kund, wie beim Sohne, wenn Nun eine Tochter geboren ist. Für diese gibt cs keine Ceremonien; ja keine Religion, als die sie sich selbst bildet, etliche oft den Männern unverständliche Gebräuche und Worte, und Aberglaube von der Mutter her. Für sie haben die Veda'ö (heiligen Bücher) keine Wiedergeburt, also auch keinen Himmel, kein Jenseits. Damit fehlt dem Weibe aller Trost in der traurigen Laufbahn, die ihm bevorsteht, und auch aller Sporn der Hoffnung auf Vergeltung, oder der Furcht vor der Strafe. Die Schule Hal für sie keinen Unterricht, denn „Unwissen heit ist ihre Zierde." Nur die Dewadial, die „Die nerinnen der Gottheit", wie sie heißen, lernen Lesen und Singen, um diejenigen Schriften zu lesen, welche die gräuliche Fleischeslust wissenschaftlich behandeln, und um als Satans Dienerinnen ihm mehr Schlacht opfer gewinnen zu können. Aus der Kindheit ohne Unterricht, es sei denn mit dem, eine künftige Neben buhlerin gründlich hassen und mit allen Schimpfnamen belegen zu können; mit einer Phantasie, befleckt von allem Schändlichen, das ihr entgegeniritt in den Bil dern an jedem Tempel, bei Processionen, beim Götzen dienst, von dem, was sie täglich in und außer Vein Hause hört und sieht; entflammt von böser Lust, die auf alle Weise in ihr anzufachen versucht wird, ja unterrichtet, wie sie ihren künftigen Gatten betrügen und die Ehe brechen soll, — tritt sie in diesen Stand. WaS soll sie erziehen in der Ehe mit einem Manne, dessen Namen sie nicht nennen darf, neben den sie sich nicht setzen, an dessen Seile sie nicht gehen darf; zu dem sie aufblicken muß, als zu ihrem Tyrannen, der selbst ohne Zucht in allen Stücken ausgewachsen ist und weder sich, noch sein Weib zu zügeln Kraft hat? Wie soll sie in diesem Zustande ihre Kinder erziehen? Die den Indiern für heilig geltende Baniane mit ihren Luftwurzeln (ein riesiger Feigenbaum, von dessen Aesten sich viele Schnüre zur Erde herabsenken, welche Wurzel schlagen und neue Stämme bilden) ist ein Sinnbild des HeidenthumS. Es senkt immer wieder seine Wur zeln in die jungen Herzen und wird je länger je mäch tiger. Zwei Laster sind es, die bei der Jugend im Tamulenlande besonders hervorstechen, Lüge und Un zucht. Erstere ist ihnen zwiefach angeboren. Sir zeigen im Lügen eine Gewandtheit und eine Geistes gegenwart im Augenblick, die erstaunlich ist; eben so wie die Hartnäckigkeit, mit der sie leugnen. Daß sie Sünden der Unzucht treiben, wie sie Paulus Nöm. I, 24.27. beschreibt, kann kaum anders sein, da sie täglich von ihrer Umgebung dazu angeleitet werden. Nach dieser betrübenden Schilderung ging der ge nannte Missionär zur Darlegung dessen über, waS zur Abhilfe dieser entsetzlichsten Uebelstände geschieht. Missionsschulen gibt cs in Indien zur Zeit 2015, in denen 50,000 Kinder unterrichtet werden. Unter diesen sind nun solche, in denen heidnische Lehrer heidnischen Schülern das Lesen in der Bibel lehren, ihnen den Katechismus einüben und die biblische Geschichte vor tragen. Da aber in solchen Schulen neben den Ge, nannten der Heide den Schülern zugleich die Loblieder ganze Unterweisung in der Religion und Moral, die der Priester gibt. Weiteres mag der Schüler, wenn er Lust hat, von Anderen lernen, oder sich aus Bü chern selbst unterrichten. Doch gibt es unter den Brahminen und auch unter den Sudraö (heilige Kriegerkaste) solche, die in den Veda'S und anderen Schastira'S (heiligen Bü chern) unterrichten, dann aber nicht als Haus- oder Familienpriester, sondern als Lehrer. Wie cS über haupt mit der Religion der Brahminen steht, läßt sich daraus erkennen, daß keiner über'Religion denken, lesen oder sprechen soll, es sei denn in der Sanskrit sprache; diese Sprache versteht aber unter Hunderten kaum einer. Die Religion des großen Haufens ist Aberglaube, der sich von Acltern auf Kinder forterbt. Die Erziehung der Kinder im Hause bezeichnet daS Sprichwort: „Bis zum fünften Jahre halte den Sohn als einen Prinzen; bis zum zehnten als einen Sklaven, und hernach als einen Herrn!" In der ersten Periode wird den Kindern aller Wille gelassen und sie wachsen ohne Zucht heran. Weil aber dann daS in fünf Jahren schon erstarkte Stämmchen sich nicht gern biegen läßt, so werden unbarmherzige Zuchtmittel an gewendet, alö z. B. daß man ihnen gestoßenen spani schen Pfeffer in die Augen reibt, sie an den Füßen aufhängt und Pfeffer unter ihnen anzündet, sie bar barisch schlägt u. s. w. Die Tortur, die in der Schule angewandt wirb, könnte ein eigenes Kapitel abgeben. Das 8uliu — piulu — ^iinllu (d. h. Brennen mit einer glühenden Nadel an gewissen Theilen)' ist ein beliebtes Schrecknnttel. In der Schule wird nicht ge bessert, waS im Hause verdorben wird. Der Schul unterricht befaßt sich nur mit dem Lehren deS Lesens, Rechnens und Schreibens, welches Alles recht me chanisch, ohne allen Versuch, die Denkkraft zu wecken, beigebrachl wird; weshalb auch alle Schulbücher vom ABC und Einmal Eins an in Reimen abgefaßt sind und durch Vorsagen und Nachsagen singweise einge lernt werden. Besonders aber bildet das Auswendig lernen von Lobgesängen an die verschiedenen Gott heiten, der tausend Namen des Wischnu oder Siva, auch das von Cittengedichten, eine Hauptaufgabe der Schule. Dieses Auswendiglernen, und zwar ohne weitere Auslegung, möchte der Religionsunterricht zu nennen sein. Die Kinder besuchen sehr frühzeitig die Schule, ost vor dem dritten Jahre, und zeigen große Fähig keiten. Eins unserer Christenkinder, ein Mädchen von noch nicht drei Jahren, lernte durch bloßes Zuhören den ersten Psalm, den ihre Großmutter lernte; eben so die zehn Gebote und das Vaterunser; desgleichen that ein Knabe. — Welcher Schade, daß in solch weichen Boden so frühzeitig der giftige Same des HeidenthumS mit allen seinen Gräueln ausgestreuet wird, der denn auch seine Früchte bringt. — Die Knaben sind es, welche bei den Processionen, die meistens NachtS ge schehen, die Fackeln und Fahnen tragen, die Namen der Götzen ausrufen und den größten Lärm machen. Sie sind eS aber auch, die bei der Predigt deS Evange liums den Missionär am Meisten beunruhigen, immer bereit, wenn er den Rücken wendet, mit Geschrei ihn zu verspotten, wenn nicht mit Koth oder Steinen ihm für seine Mühe danken. Mit solcher Vorbereitung treten sie aus den Kin- derjahren in die dritte Periode, wo sie als Herren zu ehren sind, welche Ehre ihnen von ihrer eigenen Mutter erzeigt wird, wie von allen weiblichen Einwohnern