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"8 „Und Ihr Iaht es geschehen?" jragte jener; es tat ihm leÄ. „Bersucht mit Eurer Feder pe zu ipießen! Lielleicht, daß sie sich davor fürchten/ gab der Kanzler zurück. Sn feinem Innern kämpften Spott und Zorn miteinander. .Drei Mana im ganzen Schloß, die jag«, eine Schar Be waffneter fo leichtlich nicht davon." .So rufe man das Landvolk auf! Man lasse feuern, daß sie es auf den Dörfern hören!" riet der Sekretär. Las war damals oie übliche Art, di« Leute in den umliegenden Otten davon zu verständigen, daß Sekabr drohte. Der Kanzler drehte sich rasch nach ihm um, sah ihn ein« Zeitlang überrascht an, dann erheiterte sich sein Gesicht. .Zuweilen, Sekretär, fällt Euch doch auch mal etwas Rechtes ein." Der Sekretär wußte für » erste niO, ob er'» für Hohn oder für ein Lob nehmen sollte, entschied sich ab«r schließlich für da» letzte. Während die Reiter mit ihren beutebeladenen Wagen durchs Tor fuhren, riß der Kanzler den Fensterflügel auf und ries in den Burghof hinunter: .Man soll die Ecke lösen!" Der Befehl schien ihm die ganze Gefahr, in der sie sich befanden, erneut zum vollen Bewußtsein gebracht zu haben. Er drückte die Fäuste geaen di« Schläfen, stand unschlüssig, gkrg dann wieder einige Schritte und atmete tief. Bon der Mauer dröhnten drei Böllerschüsse über die Stadt hinweg. Die Feind« sahen sich um, lachten sich aber dann eins. Richt genug damit, daß sie di» Burg ausgeplündert hatten, machten fl« sich jetzt auch über die um Stolpen gelegenen Besitzungen her, fielen in die vor der Stadt befindlichen Schäfereien ein und trie ben die Herden weg, ließen di« Teiche ab, damit die wert volle Zucht an Fischen verloren ging, und hieben tn den Wäldern sinnlos die Bäume nieder. Schlimm trieben sie es in Rennersdors, wo sie den Leuten zusetzten und dar Bieh aus den Ställen und von den Weideplätzen wegholten. „Warum denn feuert man nicht weiter?" fragte drr Kanzler, ärgerlich darüber, daß das Feuem eingestelu wor den war. „Geht, Sekretär! Forscht nach! Wir brauchen dringen- Hilfe." Doch der Sekretär kam mit dem wenig tröstlichen Be scheid zurück, daß das Pulver verschossen sei, es wäre nur ganz wenig Vorrat davon auf dem Schloß gewesen. „So müssen wir eilend danach schicken", sagte der Kanz ler bestürzt. „Die Bischofswerdschen müssen uns damit ver- sehen." Und als der Sekretär ihn ungläubig anblickt«, denn er wußte, daß die Beziehungen zwischen Stolpen und Bischofswerda nicht eben die freundschaftlichsten waren und daß insonderheit in letzter Zeit die Bewohner Bischofswer das nicht gut auf das Amt Stolpen zu sprechen waren, be kräftigte er seine Rede mit dem Zusatz: „Es ist zu ihrem eignen Besten. Ist Stolpen in Gefahr, dann ist es Bischofs werda auch." Er fühlte, daß er sich damit selbst Hoffnung zusprechen wollte, vermied es aber, es sich einzugestehen. .schreibt an den Bürgermeister, Sekretär!" Er diktierte ihm das Schreiben in die Feder. Als er an die Liede und Freundschaft erinnerte, die Bischofswerda allzeit an Stol pen gefunden habe, schielt« der Schreiber wieder mit jenem spitzbübisch zweifelnden Blick zu ihm herauf. „. . . allzeit gefunden hat. . ." wiederholte der Kanz ler mit ernstem Nachdruck, und der Sekretär, der die Zu rechtweisung verstand, fuhr flugs mit der Feder in die Tinte und schrieb, ohne wieder von den Zeilen aufzusehen. Bald nach Mittag ging ein Bote mit einem Schreiben von Stolpen ab. (Fortsetzung folgt.) Rautenkranz v. Schwerter Roma« a«4 dem Barock August des Starken von Heinrich Zerkaust«. 118 NorkleZung.) Nachdruck verboten.) Wie bas zerrte und riß in ihrem Leib, als wollt« es mit tausend Schmerzen hervorbrechen aus ihr. Sie, die auch bei den wenigen Vertrauten immer noch einen Schleier um ihre innerlichsten Gedanken zog, kämpfte gegen sich selber an. Ein ihr sonst fremde» Gefühl der Weichheit und des sich ganz Aussprechenwol len» überkam fie, je näher der Augenblick ruckte, daß sie unter Ein- satz ihre» eigenen Leben» dem Kind« de» Kurfürsten Leben schen ken wollte. .Feindin, Knoch? Aurora von Lvuigsnuura hat Uns «drn>o- «rnig da» Herz Unsere» lieben Gemahl» genommen, wie die Merle jetzt in Wien. Sie war nur schwach, «ammerherr. Run wird fie ihre Schuld doppelt büßen müssen, fürchten Dir." Eine Paus« trat ein, tn der jeder von ihnen beiden de« eigenen schweren Gedanken nachhing. Wie gern wollt« die Kurfürstin in dör Gräfin König»marck ein» Freundin gewinnen. Sie »ar von ihr verraten worden. Aber stand «» ihr jetzt an, Fluch zu sagen über die Rivalin, da der Kurfürst auch fie schon wieder vernach lässigte! War pe nicht ein Weib wie sie, arm und verlassen. Dan« aber dacht, Christiane Eberhardt« an ei« Getuschel, da» di» zu ihr gedrungen. Wie ei« heiße Well, flutet« grausamer Schmerz ihr^ durch di« Glieder. Sir fühlte, wie alle» «tut ihr pun Herzen drang. Wa» aber, wenn auch Aurora von KSnigmnarck gesegneten Leide» wär«, wie di« Kurfürsti« selbst? v furchtbarer Bedank«, verrat tn doppeltem Sinn«. Rein, da» «icht. Solche» zu verwinden, kon«te der Himmel nicht auch noch «rlange« von ihr. „Knoch, spreche Er die Wahrheit, ist Gräfin Aurora " Tränen stürzten au» ihre« Augen. „Durchlaucht, Gnädigste Frau, und wenn r» so wäre —" Doch schon reut, den Kammerhrrrn dieses harte »ort. Chri stiane Eberhardt« «rsärbte sich, ihr Gesicht wurde schneebleich. Herr von Knoch lief hinaus, Hust zu holen. Diener und Zofen drängten in da» Gemach, brachst» Essenzen und Erfrischungen, stan den ratlos herum, bis der Leibmediku» erschien und fie de» Ztm- mers verwies. Der Kurfürsti« schwere Stund« «ar gekommen, und nur der all« Kammerherr ahnte, daß außer dem Kampf um da» «ue Leben auch im Herze« dieser Frau eine wilde Schlacht tobst, bei der selbst der Leibmediku» mit hilflosen Händen daftand und ihr nicht die kleinste Linderung zu bringen vermochst. Christian« Eberhardine rang mit Gott und der Hälst um Gnade oder Fluch. Stark« Arme hoben fie mit zartem Druck aus ihr Lager. Wie eia Sturm auf dem Meere «ar ihr Kampf, der schlug ihren Leib, daß er sich hoch aufbäumte. MU irre» Händen griff sie haltlos in die Lust hinein. Dazu bohrten ««rbttttich die Gedanken, warst« spitz« Lanzen durch ihr Hirn, Gnad« oder Fluch. Fluch dem Gatten, Fluch Aurora! Endüch erstand ein Bild vor ihren Augen: Mutter Erde, ge segnet vom Himmel. Das ewig tragische Lo» aller Lieb«, Kampf juoischen Mann und Weib, aber au» dem Thao» blüht empor da» Reue, da» Werdende, da» Versöhnend«, da» Kindl Schwestern, Mütter der Well, reicht euch di» Hände, ihr, die ihr verbunden sti» in Urfchmerz um da» Kind. Ihr Sebenedeistn der Liebe. Gnade — Gnade! War e» nicht aust sein Kind, da» Kind der Sünde, das schuldlose Kindl Gnade — Gnade! Rur einer war hier zu richten, einer würde vor feinem Gott einmal Rechenschaft geben müssen. Und für diesen einen wollte sie bitten, denn er war ihr da» Liebste auf Erden, «ar all ihrer Gedanken Ziel, aller Sehnsucht Wunsch. V Leben, wie grausam ist dein Gesicht, wenn du nackt dastehst im Spiegel der Wahrheit! „Gnädigste Frau, ich flehe Eie an. Eie müssen sich beruhigen. Denken Sie an Ihr Kino." Da sprach die Stimme der Kurfiirftin, sie kam von weicher, und eine schmale, bebende Hand griff die de» Kammerherrn: „Nur an Gott und mein Kind denke ich. — Er ist ein alter Mann, Knoch, ein ehrlicher Mann. Wird Er eine Botschaft drin- gen an eine, die mir weh getan auf der Welt?" Den Kammerherrn riß es am Herzen, hinknien hätte er mögen vor dieser Frau, eine Gesegnete des Herrn. Cr konnte nur stumm eine Bewegung tun. „Sag Er ihr, daß ich nicht zürn«. Daß ich für ihr Kind belen will, als sei es mein eigenes." — In dieser Nacht schlief keiner vom Heer der Lakaien im Schloß zu Dresden. Am Bett der Kurfürstin wachte der Leibmedikus, in einem Winkel des Schlafgemaches betete unaufhörlich Herr von Knoch. Fackeln brannten in allen Gängen, und lm Hose standen gesattelt di« Pferde der Extrapost mit dem Marschbefehl Wien. Die Order war ausgefertigt bis auf ein einziges Wort. Em Wort, um das die Kurfürstin in Qual und Schmerzen schrie, ein Wort, auf das die ganze Stadt, das ganze Land wartete, die Hubois und Kanoniere aller Regimenter, alle Glocken in den Kirchen weit und breit, selbst Friedrich August in Wien, wenn er in das Palais des Grasen Esterle ging, und wenn er zurückkehrte von dort. Und plötzlich stiegen alle Fahnen hoch, die Böller donnerten, es brausten Kuriere wie die wilde Jagd davon, die Luft erzitterte vom Chor des Geläutes, wie Meeresbrandung schlug der Men- scheu Jubel und Dank gegen die Mauern des Schlosses, da der Leibmedikus verkünden durste: , „Seiner Durchlaucht, dem Kurfürsten Friedrich August von Sachsen, unserem geliebten Landesherrn, ist ein Prinz und Nach- folger geboren, gesund an Leib und Gliedern. Mit seligem Herzen vernahm es Christian« Ebrrhardme, ihre Hände falteten sich, und sie lächelte unter Schmerzen wie chie de- mütige Siegerin. , Es war am gleichen Tage — man schrieb de« 17. Oktober 1KSS —, da rollte In der Frühe eine Reisekuische über das-holpria«