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Eindringlichkeit, so daß Robert dieser Belehrungen über drüssig geworden war! Das Minel hatte manchmal schon gejammert wegen der Arbeit, die das „Bishzeug" verur sachte, und gemeint, eine Milchkuh und die Hühner genüg- ten. Was verstand sie, Krämer-Saupens Tochter, von die sen Dingen! Und Robert hatte ihre unsinnigen Reden nicht etwa zurückgewiesen, sondern ihnen zugestimmt, wenn auch nur, weil er sich in schlechter Laune befand, oder weil er sei ner Frau nicht gerade widersprechen wollte. Der Alte konnte ihm doch nicht trauen. Jetzt in der Scheune hörte der Sohn die Darlegungen nicht nur aufmerksam an, er er klärte, daß er sie beherzigen werde. „Einer sieht ja den Erfolg!" und „Das wollen wir ja wieder machen! Ich will mir's merken!" sagte er. Das war eine Freude für den Alten! Er schuftete mit neuer Lust, schien vom Reißen nichts mehr zu spüren, und seine blauen Aeuglein blitzten wieder hell und pfiffig in die Welt. In diesen Tagen fuhr Baumeister Kleinschmidt in den Mühlenhof, um geschäftliche Abmachungen mit Robert zu treffen. Er sah den Alten und machte sofort ein froher stauntes Gesicht. „Na, mein lieber Herr Matthes, heut' ge fallen Sie mir wieder! Denn wie ich Sie zuletzt draußen auf dem Bauplatz traf —" „Ja, da war ein bissel viel über einen niedergeplauzt." „Die Geschichte mit Seideln, nicht wahr?" „'s hatte mich arg mitgenomm'! — Na, nu is das vor bei! Jetzt gelüst's mich wieder nach Taten! Wenn ak der Winter nich lange mehrte!" „Das wünschen wir auch!" „Ich muß unfern Lagerplatz noch vollends in Schuß bringen, damit wir Raum haben für die geschnittenen Höl zer. Und wenn Sie unterdes neue ankaufen " „Deswegen bin ich da. 's bietet sich uns eine gute Ge legenheit. Das Holz möchte Ende Winter-noch abgefahren werden." „Komm' Sie ak rein, Herr Baumeister! Robert is drinne. Da wollen wir die Sache bereden. — Ihren Fuchs bring ich Verweile in den Stall." Da es Vesperzeit war, mußte der Baumeister eine Tasse Kaffee mittrinken. Man unterhielt sich über dies und jenes, und auch Frau Hermine beteiligte sich am Gespräch. Dem Schwiegervater vergönnte sie aber kaum ein Wort. Sie schob ihm die Tasse und das Semmelkörbchen hin, ohne ihn anzusehn. Der Alte hatte schon geglaubt, daß sie „ausge- tückscht" habe; denn an den letzten beiden Tagen hatte sie ihm ein freundlicher.s Wesen gezeigt. Wenn sie nun heute in Gegenwart des Fremden, wieder eine so feindselige Miene machte, so mußte doch ein Grund vorliegen. Er dachte nach, wodurch er sie erzürnt haben könnte, fand aber nichts. Doch sollte er schon an diesem Abend Klarheit erhalten. Beim Abendessen schien auch Robert verstimmt. Als abgegessen war und die Magd aufzuwaschen begann, sagte er zum Vater, sie könnten doch hinübergehn ins Stübel. Jetzt kommt's dachte der Alte und setzte sich still an den Tisch, während Robert verlegen am Sekretär in den Papie ren kramte. „Na, sagt ak mal, was habt Ihr denn eigentlich bei Seidels Begräbnisse angestellt!" wandte Robert sich plötzlich herum. Er ließ, so sehr er sich zusammennahm, deutlich sei nen Unwillen merken. Der Alte sah ihn ein paar Augenblicke lang erstaunt an. Dann krümmte er sich über den Tisch und blieb, die Stirn in Falten gerissen und kauend, schweigend so sitzen. Das reizte den Sohn. „Ist das denn wah., was die Leute erzählen?" fragte er. Und als auch darauf keine Antwort erfolgte: „Ausstreiten tut Jhr's also nich, da wird's wohl stimm'!" ,^Ich weeß ja nich, was gered't wird!" sagte der Alte. „Wirklich nich? Da will ich's Euch verraten: Ihr sollt Euch recht auffällig b-iomm' Han! Ihr sollt gerust Han: Wer Vater und Mutter flucht, der soll des Todes sterben. Gegen den Pfarrn, laut, und Ihr müßt getan Han, als ging's Euch genau, wie's Seideln durch seine Töchter ge- aang' is! Das ganze Dorf red't davon!" Der Alte hackte scharf mit der Nase über die Tischplatte, schwieg aber. Robert wurde heftiger. „Na, is das so, oder lügen die Leute?" „'s hat seine Richtigkeet, daß ich das gcruft ha. So steht's in der Bibel!" „So! Und das hat auch seine Richtigkeet, daß Ihr von uns so behandelt werd't wie Seidel von seinen Sechsen?, Na?" Robert war dicht an den Tisch herangetreten. Seins große, schwere Gestalt begann zu beben. Nun beugte er sich drohend zu dem Alten hinüber. Der hob den Kopf. Mit seltsam lächelnder Miene, die verriet, daß er weder etwas zu befürchten habe, noch sich durch ein unvorsichtiges Wort in Gefahr bringen w rde, mit einer Miene aus Schmerz und Trotz gemischt, antwort tete er: „Sieh ak, Robert, wenn zwischen uns immer so ein Einverständnis geherrscht hätte wie jetze in den Tagen —" „Wenn Ihr s uns auch immer so leicht machtet! Also habt Ihr oorm ganzen Dorfe aussprechen wollen: Euch geht's nicht anders als Seideln, Ihr seid so ein Vater, dem die Kinder fluchen! So schlimm geht's Euch, daß Ihr die Oeffentlichkeet aufrufen müßt!" „Ich ba, soviel ich mich besinne, keen Wort mehr ge sagt, als du eben wiederholt hast!" sagte der Alte mit trotzi ger Ruhe. „Und da liegt das drinne, und 's is so ge- meent gewesen, und die Leute han's auch so vers! nden! Seht Euch ak um im Dorfe, wer's so hat wie Ihr? Man cher Auszügler wär' froh, wenn er schelten und walten könnte wie Ihr! Gebricht's E. ch denn an was? Hat Ihr wie Seidel um Quartier und Brot betteln gehn müssen? Nich mal arbeiten brauchtet Ihr, niemand verlangts, Ihr scharwerkt rum, weil Jhr's nich lassen könnt! Und dafür macht Ihr uns schlecht, daß mir uns nich mehr im Dorfe sehn lassen möchten?" Mit seiner Bärenstimme schrie das Robert heraus, und er schlug mit der Faust auf den Tgcy, daß die Platte krachte. Das schüchterte den Alten nicht ein. „Nee, Robert, das ha ich euch nie angetan! Das würd' ich auch nie tu:.! Aber gerade ideal is wenigstens 's Minel nich immer zu mir gewesen, ich ha manches eingesteckt, was mir gar nicht ge fallen hat! Und wenn ich arbeite, soviel und gern ich m, da wird noch niemand von mir eine Klage drüber gehört Han!" „Warum hat Ihr mir's nich gesagt, wenn was nich in Ordnung gewesen ls? Warum schreit Jhr's in die Welt raus! Das is pure Boshaftigkeet!" schrie Robert. Da kam Hermine herein. „Jawohl, Boshaftigkeet! Daß die Leute mit Fingern auf uns weisen sollen! Welche Frau läßt sich denn vom Schwiegervater das bieten wie ich? Ihr hat den alten Seidel ins Haus gebra ht und seid schuld, wenn's damals zu Zank und Streit kam! Und wie hat Ihr mich und meine Mutter angefahren! Und da soll eins ideal sein gegen Euch? Wärt Ihr ak ein idealer Vater, da könnte eins auch anders zu Euch sein! Uns alle hat Ihr in Schande gebracht mit Euerm Benehmen auf'm Kirchhofei Auch meine Eltern möchten sich nicht mehr sehn lassen: über all müssen sie's hören!" Der Alte hatte einige Male mit dem Schädel tief über den Tisch gehackt. Seine geballten Fäuste hatten gezuckt. Er hatte den Mund geöffnet und so heftig erwidern wollen, wie ihm zugesetzt wurde. Aber er beherrschte sich, stand auf und ging aus dem Stübel, die Verwünschungen verfolgten ihn bis in seine Kammer. (Fortsetzung folgt.) Bücherschau. Oskar Schwär. „Der Sündenbock". Mummelswalder Ge schichten mir Bildern von Kurt Rübener. Preis kart. RM. 3.— Leinen RM. 4.—. Werner Klotz, Verlag, Zittau i. Sa. Dies i st Oskar Schwärs lachendes Buch. Innig seine Selige Magd (Zum geharnischten Ritter), ernst und herb sein Bann der Scholle, von unheimlicher dramatischer Wucht seine Alten, voll köstlichen Humors dieser neue Band! Er enihält eine Auswahl der besten Dorfgeschichten aus den längst vergriffenen Mummels- waldern, der Ahnengalerie und dem letzten Schaffen. Schwär, der sich mit Liebe in sein Volkstum versenkt hat und seinen Menschen tief in die Seele blickte, entdeckte noch manches Original. Und er schildert diese Eigennaturen mit dichterischer Kraft, so daß wir sie in jeder Situation lebendig vor uns sehen. Schwär ist heute als der Dichter der Oberlausitz allgemein anerkannt. Darum sollte sein „Sündenbock" jedem in die Hand gelegt werden, der diesen Menschenschlag kennen lernen will, jedem Lausitzer aber als der treue Spiegel seiner selbst!