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Turnen, Spiel und Sport. Sächsischer Oberlausitzturngau. Das erste Bezirks-Bergfest des 4. Bezirks im neuen Verbände, das bei reger Beteiligung einen guten und zufriedenstellenden Ver lauf nahm, fand bei sonnigem Augustwetter, alter Ueberlieserung getreu, am Sonntag auf der idyllisch gelegenen Waldwiese am Jä gerhause des Mönchswalder Berges statt. Nachdem um 12.30 Uhr die Kampfrichtersitzung unter der Leitung des Bezirksvolksturn- warts H. Richter-Weifa stattgefunden hatte, bei welcher die Eintei lung der Kampfrichter in 4 Gruppen erfolgt und die Wertungs- staffel durchgesprochen wokden waren, traten um 1 Uhr insgesamt 113 Wetturner (54 Turner und 59 Turnerinnen) an. Bei den Turnern wurde als Wettkampf ein Dreikampf in 2 Stufen durch geführt. 1. Stufe (19—38 Jahre): 75 Meter-Lauf: 13 Sek. — 0 P., 9 S. — 20 P. Steinstoßen (15 Kilo) mit Anlauf: 4Z0 Meter — 0 P., 7Z0 Meter — 20 P. Weitsprung ohne Brett mit Anlauf: 4 Meter 0 P., 6 Meter — 20 P. Zweite Stufe (über 38 Jahre) 50 Meter-Lauf: 11 Sek. -- 0 P., 7 Sek. — 20 P. Kugelstoßen (10 Kilo) mit Anlauf: 4 Meter -- 0 P-, 8 Meter -- 20 P. Hoch- sprung über Latte: 0,90 Meter -- 0 P., 1,40 Meter -- 20 P. Ein zelkampf: Gewichtheben (37F Kilo): Anzahl der gültigen Hebungen entschied. Für die Turnerinnen wurde unter Leitung des Beztrks- frauenturnwarts W. Leeder, Lauba, ein Dreikampf (75 Meter-Lauf, Weitsprung, Ballweitwurf) in 3 Stufen durchgeführt. Sämtliche Wettkämpfe hatten von vornherein Rücksichtncchme auf die Geeig netheit und die Lage der Laufbahn walten lassen, da es sich eben um ein Bergfest handelte. Die Bezirksleitung kann sich freuen und mit Genugtuung feststellen, daß so vitte Turner uno Turnerinnen tätig auf den Plan getreten sind, legten sie doch damit ein glau- bensstarkes Bekenntnis zur deutschen Turnsache ab. Alle vorge nannten Kämpfe konnten dank der guten Mitarbeit sämtlicher Kampfrichter und vor allem dank des mustergültig arbeitenden Be- rechnungsausfchusses von 1 bis 5 Uhr ausgetragen werden. Gegen ^6 Uhr schritt man zur Siegerverkündigung. Richt weniger denn 40 Sieger (26 Turner, 2V Turnerinnen) konnten mit dem schlichten Eichenkranz geschmückt den Weg nach dem Heimatdörfchen antre- ten. Leider erfüllten sich die in der Vorschau gebrachten Meinungen nicht, da der erst« Sieger des Borjahres, Ritscher^Sroßpostwitz, wegen einer Sehnenzerrung verhindert war, anzutreten. Ein hef tiger Kampf entspann sich zwischen Weiche-Weigsdorf und Tübel- Kirschau, den ersterer zu feinem Gunsten entscheiden konnte mit einem Punkte Vorsprung (53 : 52). Als besonders gute Leistung ist zu erwähnen der Igjährige Turner Trompler^runewalde mit seinem Steinstoß von 8F0 Meter. Die bekannt« Turnerin M. Pvr- tia-Großpostwitz erzielte einen glänzenden Ballweitwurf von 60 Metern. Als wenig geturnter Einzelkampf wurde im neuen Be zirk das Gewichtheben (S7H Kilo) gezeigt, bet welchem Bieger-Tal- lenberg di« große Leistung von SS Hebungen zustande brachte. Der. Bezirksoberturnwart Ernst Schicrz Steinigtwolmsdorf begrüßte im Namen der Sauleitung alle Wetturner und beglückwünschte alle Sieger zu dem errungenen Erfolge. Bezirksfrauenturnwart Lee- der-Lauoa, gab die Siegerinnen, Bcrzirksvolksturnwart H. Richter- Weifa die Sieger bekannt. Er al, Leiter de, Bergfestes dankt« allen Wettkämpfern für ihre Aufopferung und Mühe. Mit einem kräftigen Gut Heil! auf die deutsche Turnsachc schloß er seine marc kige Ansprache. Wirkungsvolle Hebungen der bekannten Oberguri- ger Kinderriege am Barren unter Leitung des Oberturnwarts Schultze erfreuten alle Zuschauer, die aus der Umgebung herbei- geeilt waren. Die Uebunge», welche als Pflicht- und Kürübungen vorgeschrieben waren und ins Kunstturnen übergingen, besonders der einarmige Handstand mit Rad, sind als wirkliche Leistungen anzusprechen. Der Turnverein Obergurig kann stolz auf seinen Nachwuchs sein. — Nachträglich sei herzlicher Dank gesagt den Turnvereinen Gnaschwitz und Großpostwitz, die freundlicherweise das Sicger-Kränze-Winden übernommen hatten. Aufrichtiger Dank gebührt an dieser Stelle auch dem Turnverein Obergurig, der den Platz vorgerichtet und die Geräte mit vieler Mühe auf Bergeshöhe gefahren hatte. Und nicht zuletzt sei den beiden eifrigen Volksturn warten Richter-Weifa und Paul-Kirschau der wärmste Dank dafür ausgesprochen, daß sie es verstanden haben, das Bergfest so muster gültig vorzubereiten. Sieger-Li st e: Turner. 1. Stufe (bis 38 Jahre): Tübel, Rudolf, Kirschau 52 P., Röhner, Martin, Oppach 47 P-, Trompler, Kurt, Cunewalde 41 P., Bergmann, Richard, Taubenheim und Pachc, Emil, Oppach. 40 P., Düring, Benno, Schirgiswalde 39 P., Dr. Seifert, Oppach und Brade, Max, Kirschau 38 P., Gröschel, Kurt, Kirschau 37 P., Domschke, Karl, Cunewalde 36 P., Borchert, Richard, Kirschau 35 P., Hahn, Moritz, Oppach und Raußendorf, Herrmann, Ober- gurig 34 P. Hierüber außer Wertung: Weiche, Siegfried, Weigs- dorf mit 53 P. 2. Stufe (über 38 Jahre): Jacob, Ewald, Oppach 52 P., Gröschel, Martin, Kirschau 52 P., Richter, Ewald, Ringen- hckn 51 P., Röthig, Herrmann, Schirgiswalde 50 P., Jentsch, Osw. und Kern, Reinhold, Weizsdorf 49 P„ Richter, Max, Großpostwitz 43 P., Neumann, Alwin, Wilthen 42 P. Hierüber außer Wertung: Steglich, Paul, Kirschau mit 48 P. Gewichtheben: Bieger, Herrmann, Callenberg 33 He bungen, Küchler, Richard, Crostau 26 Hebungen, Noyotny, Kirschau 20 Hebungen. Turnerinnen. 1. Stufe (15—17 Jahre): Richter-Wehrs dorf 44 P., Conrad-Großpostwitz 37., Fährmann-Beiersdorf36 P., Golbs-Sohland und Freund-Wehrsdorf 35 P., Düring-Wilthen S4 P-, Kaulauch-Weigsdorf 33 P., Petschel-Großpostwitz, Strehl» und Janke-Großpostwitz 32 P-, Wciß-Weifa 32 P., Mauermann- Kirschau 31 P-, Zieschang-Cunewalde und Lebelt-Weisa 30 P„ Harig-Sohland und Winkler-Großpostwitz 29 P. 2. Stufe (18 bis 24 Jahre): Portig-Großpostwitz 44 P., Beck-Wehrsdorf 43 P-, Ja- cob-Weigsdorf SO P. 3. Stufe (über 24 Jahre): Horn-Beiersdorf SO P. Gin neuer Wellhöhenrekord. pari«, 24. August. (Drahtb.) Der französische Flieger Callig» hat am Montag auf dem Flugplatz von Le Bourget seinen eigenen Weltrekord geschlagen. Dieser betrug 12066 Meter. Er stieg um 5 Uhr auf und landete um 7 Uhr 25, nachdem er eine Höhe von ungefähr 12 800 Meter erreicht hatte. Die erreichte Höhe wird erst nach Prüfung der Barographen wirklich feststehen. Es wird je doch sicher gemeldet, daß der früher« Rekord bei weitem geschlagen worden sti. ...... — Lin Oberförster ««ter Mordverdacht verdöstet. 8m Schneeberggebiet waren vor einiger Zeit zwei Jager erschos sen aufgefunden worden. Der Verdacht der Täterschaft rich tete sich anfänglich gegen Wilderer. Am Sonnabend wurden nun, wie die „Nachtausgabe" aus Wien meldet, der Ober förster der betreffenden Gutsverwaltung, Neugebauer, und ein Holzarbeiter unter dem Verdacht des Mordes an den bei den Jägern verhaftet. Cs heißt, daß sich Neugebauer ver schiedener Betrügereien schuldig gemacht, u. a. auch Wild dieberei getrieben und aus Furcht vor Verrat die beiden Jä ger getötet habe. Aus dem Zimmer der beiden Ermordeten hat er einen Notizkalender und das Tagebuch entfernt, da sie für ihn kompromittierende Angaben enthielten. Zum Umsturz in Griechenland. General Kondylis, Führer der nationalistischen Republikaner In Griechenland, hat, wie gestern gemeldet, die Diktatur des ^Gene rals Pangalos beseitigt und sämtliche Minister der bisherigen Re gierung verhaften lassen einschließlich des Diktators des Generals Pangalos Er hat bereits die Ministerpräsidentschast übernommen und den früheren Staatspräsidenten, Admiral Konduriotis, zum Präsiden en der Republik in Vorschlag gebracht. (Von links nach rechts: ' /onduriotis, Kondylis und Pangalos.) Zwischen Mffsnschast unö Zauber» Sensationelle Fakirkünste. In Berlin erregen gegenwärtig die Vorführungen eines türkischen „Fakirs" namens Dr. Tahra-Bei berech tigtes Aufsehen, die den, der sie nicht selbst gesehen und erlebt hat, unglaubhaft anmuten müssen und die doch durch einwandfreie Beobachter bezeugt werden. Ausführ lich berichten über seine ans Wunderbare grenzenden Lei stungen die Berliner Blätter, darunter die „Vossische Zei tung", die von einem Sonderexperimentalvortrag dieses Fakirs folgende anschauliche Schilderung gibt: „Der Charakter der Vorführungen empfiehlt, zu dem Vortrag keine schwangeren oder schwachneroigen Damen mit zubringen", stand auf der Rückseite der Einladungskarte, die zu wenden man ausdrücklich gebeten war. Infolgedessen hatte eine große Zahl weiblicher Zuhörerinnen, auf die min destens das zweite Merkmal (eine Tautologie eigentlich) zu traf, neben vielen Aerzten, Psychologen, Psychoanalytikern, Parapsychologen oder sonst in okkulten Dingen skeptisch, gläu big, halbgläubig Interessierten im Foerster-Saal in der Kcithstraßc sich eingefunden: zum Experimcntaloortrag des Fakirs Dr. Tahra-Bei. Als der hellblaue Vorhang sich öffnete, sah inan aufge stellt die Werkzeuge und Attribute, mit denen die Gestalt des Fakirs in der populären Vorstellung ausgcstattct ist: zwei der berühmten nägelgespickten Bretter, auf einem schwarz verhängten Tisch eine Kollektion von Dolchen und Nadeln und auf dem'Boden Sand, trockene Erde, deren Bedeutung inan, wenn auch auf alles gefaßt, nicht sogleich zu erkennen vermag. Uebrigens ist man zunächst geneigt, das ganze Arsenal nicht recht ernst zu nehmen, in welcher Skepsis man bestärkt wird durch einen Weihrauchdust, der benebelnd vor Aufgang des Vorhanges schon von der Bühne hcreinbricht, verdächtig als Mittel der Nasen- und Masfenhypnosc. . . Ein wenig ernster und vertrauenswürdiger erscheint uns der Herr in» schwarzen Anzug, der auf die Person des Fakirs Dr. Tahra- Bei sachlich einführend vorbereitet und später seine Worte verdolmetscht. Tahra-Bei, erfahren wir, ist ägyptischer Ab kunft und hat Gelegenheit genommen, in Konstantinopel den medizinischen Doktorgrad'zu erwerben. Schon sein Vater ge hörte dem Stand der Fakire an, jener Leute, die, den hete rogensten Rassen und Glaubensgemeinschaften entstammend, eine Skala von gauklerischen Schlangenbeschwörern bis zum in sich versunkenen Philosophen bilden . . . Während der Dolmetsch noch spricht, ist inzwischen Tahra-Bei selber ein getreten, oder vielmehr er steht auf einmal da, hinter seinem Einführer: eine große Gestalt in weißem Burnus, geziert mit einem silbern und lila geflochtenen Bande, in langem, weißen Gewand bis fast auf die Knöchel, an der Hüfte durch einen Gürtel geteilt, schwarz geschnürte Sandalen unter weißen Strümpfen; braunes Gesicht mit langer Nase und schwarzem Bollbart nach orientalischem Schnitt: wie aus einer Ziga rettenreklame entsprungen — wäre nicht ein sehr sanftes und kluges Lächeln, das mehr ist als das eines Gauklers und Zauberkünstlers, ja, das einer feinnervigen Zuhörerin den Vergleich mit einem Christuskopf entlockt. Und so, sanft und leise, ist seine Sprache: ein Französisch, für dessen Schwächen er sich entschuldigt. In der Tat hat er eine gewisse Neigung, den männlichen und weiblichen Artikel zu verwechseln. Wenn man ihn sprechen hört, weiß man vollends: dies ist kein Taschenspieler und Tausendkünst ler, der uns Weihrauchumnebelten (der Dust ist längst auch verschwunden) verblüffende Stückchen vorführen wird. Er ist zu jeder Kontrolle bereit, bittet, ehe er mit feinen vxpürlenoeg beginnt, eine petit jnr^ herauf, zwei Herren Aerzte, zwei Herren Journalisten, die das Vertrauen des Publikums ge nießen. Dr. Krönor wird als Arzt akklamiert, ein Para psychologe, und Sanitätsrat Koerber, Psychoanalytiker. Ein paar Journalisten folgen. Die Aerzte halten, rechts und links, Tahras Hände; seltsames Bild: der psychoanalytische Gelehrte mit dem rötlichen Bart neben dem Weißbebur- nusten. Eine kleine Unstimmigkeit: sie stellen 110 bis 112 Pulssihläge in der Minute fest, Tahra selbst versteift sich sanft auf 97. Dies ist nicht unwichtig, denn auf der Zahl ver Vulrschlcige beruht sein System. Ms ISO, sagt er, fast da« Doppelte also, könne er sie steigern. Da« ist seine Kunst, sein eigentliche» Phänomen; er beherrscht die Schnelligkeit de« Mutumlauf«, kann die Zirkulation willkürlich regeln. Er Hai Herz und Gefäße in Ver Gewalt, da« «ckonomk Erstem der vasomotorischen Nerven ist seinem Willen unterworfen. Inder die Aerzte noch skeptisch die LWerenz von IS bis IS Schlägen nachrechnen, hat Tahra die Flügel seines Kopf tuchs hochgeknöpst, den Kittel über di« Schultern herabgleiten lasten, Hände gegen da« Gesicht, Daumen in den Mund ge preßt — und ist steif hintenüber gefallen. Seine beiden Assi stenten fangen ihn auf, legen ihn auf ein Gestell. Ein Stein, ein solider Block, der unter den übrigen Requisiten gelegen hat, von den Zeugen aus dem Publikum geprüft, keine prä parierte Attrappe, wird ihm auf den (von unten nicht unter stützten) Leib gelegt, steif liegt der Körper da, jemand führt mit einem Hammer- wie man ihn von Pflasterarbeiten her kennt, einen Schlag auf den Stein: in zwei Stücke bricht er auseinander. Tahras Leib bleibt ausge streckt, steif, unversehrt. Dies war der Auftakt. Tahra erwacht. Denn so wird man es wohl nennen müssen. Nun aber, b e i v o l lst em Be w u ß ts e i n, greift er zu den Messern und Nägeln auf dem Tisch — stumpf und spitz fand sie einer der kontrollierenden Aerzte — bohrt sich zwei lauge Hutnadeln mit buntschillernden Knöpfen durch die packe, eine von links nach rechts, eine von rechts nach links, in der Mundhöhle kreuzen sie sich — ohne ihn übrigens am Sprechen zu hindern. All dies ohne da« geringste Tröpfchen Blut. Und ein Messer stößt er sich, vorsichtig suchend und drehend, von der Seite vorn in den Hals, eins in den Arn«. Kein Blut. Erst auf die Frage eines Herrn mit Monokel in der ersten Reihe fließt es: Tahra macht es fließen: „Jetzt!" sagt er zu sich, und siehe da: rötlich tritt es aus der Wunde am Hals. Der Herr wünscht mehr zu sehen, hat sozusagen Blut geleckt, läßt es sich nicht nehmen, selbst eine Fingerspitze Tahras, bekanntlich eine der schmerzhaftesten Stellen des Körpers, wissenschaftlich mit einer Hutnadel zu durchbohren. (Wobei erinnert sei, daß zwei von diesen noch immer in Tahras Backen stecken.) Auch Blut am Finger fließt erst auf Wunsch des Herrn. Ein anderer erkundigt sich nach Nar ben: warum sein Körper keine aufweise? Tahra entwickelt seine Theorie: der verstärkte Blutumlauf be schleunige die Heilung, wie er Bazillen töte, auch bei Krebs und Tuberkulose. Dies ist seine private Theorie, gegen die es jedenfalls nicht spricht, daß er sie mit durchbohr ten Backen vorträgt — mag die abendländische Wissenschaft dazu stehen wie sie will: dies Phänomen ist da, sie sieht es durch die Brillen prominenter Professoren und kann es nicht leugnen. Wie er das eigentlich mache? forscht pfiffig-naiv jener erste Herr, der mit seinem Monokel den Phänomenen auf den Grund zu gehen wünscht. Tahra vertröstet auf eine Privatvorlesung für die Herren Wissenschaftler über sein Sy stem, dem Publikum meint er, sei er äos oxpörionoos schuldig. Aber er hat ein wenig Erholung nötig und — legt sich mit entblößtem Oberkörper auf das Nagel brett. „I-o äoulour 68t uno opimon", bemerkt er, indem er sich niederläßt, wobei sein Kittel unten zerreißt. (Jedermann, hat sein Dolmetscher einleitend ausgeführt, sei in der Lage, es so weit zu bringen: Fakirtum sei keine Geheimkunst. Der rigorose Couöismus, das Schmerznichts sei als Ein bildung, steht uns allen offen.) Als Tahra sich erhebt, hat er keinerlei Wunden, nur ein paar gerötete Druckstellen auf seinem Rücken. Zum Beweise seines vollen Bewußtseins begibt er sich auf ein anderes, nicht weniger geheimnisvolles Gebiet, macht gleichsam zwischendurch und zum Zeitvertreib ein paar 6xpörl6ne68 der Gedankenübertragung. Seine bei den Nadeln im Munde, springt er vom Podium, ergreift einen Herrn der ersten Reihe — es ist Alfred Döblin — bei der Hand: er möge sich was denken. Tahra zieht ihm den Schlips aus der Weste. „Falsch!" sagt Döblin: Tahra sollte ihm den Füllfederhalter aus der Westentasche nhmen. ,,^b, cloetonr," erklärt Tahra. „Sie haben nicht den a-oto gesehen, sondern nur das deutsche Wort „Füllfederhalter" gedacht, da« ich nicht kenne." Uehriaen« wird er munterer und kau» ter im Verkehr mit dem Publikum. Und dann vertauschi er zwei Hüte: er hat richtig gehandelt und Döblin hat richtig gedacht. Verblüffend, wie er mit Hilfe eine« Medium« einem auf den Kopf zufaal. „Sie denke« a« ein Ereignis vor acht Jah ren, e« ist Krieg. Sie find nicht gefangen, aber irgendwo eingeschloffen. Damal« trafen Sie einen Herrn, der heute abend hier ist, Sie haben ihn seitdem nicht mehr gesehen, fra gen ihn heute, was er getan hat la den acht Jahren." E« stimmt: in de« Spartakustagen, Januar ISIS, mar der Versuchsherr la einem Berliner Verlagshaus eingeschlosfen gewesen, fein Partner, der jetzt neben ihm steht, bestätigt alles. Ein klein« Pause hat sich Tahra verdient, ehe er „zum Schluß kommt". Wirklich zum Schluß. Denn nichts anderes geschieht — nach ein paar kleinen Tierexperimenten mit Hahn und Kaninchen, das Tahra bösartig (mSokant) nennt: kein Wunder, wenn er ihm den Kehlkopf zudrückt, um es bewegungslos zu machen — nichts Geringeres also wird vorbereitet, als das ontorrvmvnt, die Beerdigung des schein toten Tahra. Hamlet-Stimmung herrscht auf der kleinen Bühne, Totengräber mit Spaten stehen da, der Sand fin det seine Aufklärung: zehn Minuten, auf Wunsch auch länger, macht Tahra sich anheischig, im Sarge zu lie gen — über sich Sand. „Coreveil" und „onterromvnt" ge braucht er im Gespräch, sanft und scherzhaft, wie gewöhnliche Umgangsworte, einem Zartnervigen mag es ein wemg schaurig vorkommen. Tahra schließt (so sagt er) mit der Zunge den Kehlkopf, wie er es eben von außen beim Kanin chen gemacht, sinkt nach ein paar Minuten mit gurgelndem Laut hintenüber, seine Gehilfen fangen ihn, stecken ihm ein Tuch in den Mund, legen ihn in den Sarg, werfen Sand hinein, ihm ins Gesicht — rasch eine Blitzlichtaufnahme, ehe der Deckel geschlossen wird, Erde ringsumher geschaufelt, es kollert richtig und schauerlich, der makabre Klang: Erde ge gen Holz. Zehn Minuten — darunter tat er's nichr, es macht ihm nichts aus, obwohl das Publikum sich ausdrücklich mit fünf Minuten einverstanden erklärt hatte, aber in Griechenland vor kurzem habe er's auf 28 Tage, einen vollen Monat, ge bracht — zehn Minuten, wie soll man sie nützlich ausfüllen?, Dr. Krön er, der ärztliche Kontrolleur, improvisiert einen kleinen wissenschaftlichen Vortrag: Tahras Gedankenübertra gungs-Phänomen nennt er einen echten Fall von Telepathie, unter die von ihm vertretene Wissenschaft fallend, die er die parapsychologische nennt. Sie sängt da an, wo die Psycho analyse aufhört, beim Unbewußten: magische Zentren seien dort anzunehmen, die manifest werden im Medium, ratio nal sei der Vorgang nicht zu deuten . . . Während er so wis senschaftlich plaudert über das Problem des Fakirismus oder des Poga oder der Magie, liegt neben ihm in einer hölzernen Kiste unter ein paar Fuß Sand einer begraben und ist tot. . . Indes der Vortragende sich bemüht, einen Schluß zu finden, wird schon der Sand beiseite geschaufelt, der Sarg wird auf gerichtet, der Deckel nach vorn geöffnet. Da steht er, wie ein« Mumie — wahrhaftig, der Entdecker des Tutanchamon must Ähnliches gespürthaben: dasselbe „Ziehen im Leib" (Thomas Mann hat es beschrieben), das „Ängerührtwerden der Ma- gennerven", das den Sturz durch die Jahrhunderte ebenso begleitet wie jedes okkulte Erlebnis. Ist es denn ein Unter schied, ob einer ein paar tausend Jahre tot war oder zehn Mi nuten? Tot ist tot, die Zeit hat stillgestanden für diesen, der da mit Sand bedeckt steht, starr noch, mit geschlossenen Augen, im weißen Grabtuch, auf der linken Seite ist es her- abgesunkcn, Erde liegt auf der bloßen Brust, aber sie atmet, hebt sich, senkt sich leise, der Arzt ergreift die Hand, Puls sehr klein, kaum spürbar, erhöht übrigens auf etwa 120, ein Schütteln durch den Körper, ruckartiges Zuckender atmet hef tiger, öffnet die Augen — lächelt — halb noch jenseitig, halb wie über einen gelungenen Scherz . . . Ll«.