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Der sächsische Erzähler : 25.08.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192608251
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19260825
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19260825
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-08
- Tag 1926-08-25
-
Monat
1926-08
-
Jahr
1926
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 25.08.1926
- Autor
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stMen Nachforschungen lenkten den verdacht auch gegen einen gewissen aus Karlshorst stammenden Hermann Kör« ner, der sich in der kritischen Zeit in Binz aufgehalten und wenige Tage nach dem Diebstahl Verhandlungen mit aus wärtigen Händlern zur Absetzung der Beute angeknüpft hatte. Bei der am Sonntag früh in der Wohnung Körners oorgenommenen Durchsuchung wurden wertvolle Gegen stände des bestohlenen Schriftstellers Erdmann gefunden. Nach anfänglichem Leugnen gestand Körner den Diebstadl ein. Ein Teil der Schmucksachen konnte bereits wieder her beigeschafft werden. — Riesenbrand bei der Lonlinenlal-Laoulchouc-Lom- pagnie. Durch einen Riesenbrand ist am Sonntag die Rege nerieranstalt der Continental-Caoutchouc- und Gutta-Percha- Eompagnie, A.-G., in Seelze bei Hannover, das größte Un ternehmen dieser Art in Deutschland, fast gänzlich vernichtet worden. 400 bis 500 Tonnen Gummiabfälle und die ausge dehnten Baulichkeiten der Fabrik, die der Verarbeitung der alten Gummiabfälle dienten, brannten völlig nieder. Dieser Leitbetrieb des weltbekannten Unternehmens liegt in einem westlichen Vorort von Hannover, etwa fünf Kilometer von der Peripherie der Stadt entfernt. Die Entstehungsursache wird auf Selbstentzündung zurllckgeführt. Gegen Mittag bemerkte der Kontrollwächter kleine züngelnde Flammen und alarmierte sofort die Betriebsleitung und die Feuerwehr, die sofort zur Stelle war. Die enormen Gummivorräte, die sonst nur zu schwelen pflegen, brannten unter ungeheuerer Rauch entwicklung bald lichterloh, da ein orkanartiger Sturm wütete, der das Feuer anfachte und an die Fabrikanlagen herantrieb. Die ganze Anlage war bald unzugänglich. Lagerschuppen von 200 Meter Länge und 150 Meter Breite, gewaltige Mengen von Gummireifen, alte Automobilreifen und große Haufen von Gummi bildeten ein einziges Flam menmeer, das so ungewöhnliche Ausmaße annahm, daß alle Bemühungen der Feuerwehr umsonst waren. Die kolossale Hitze ließ ein Herankommen der Wehren überhaupt nicht zu, auch war die Wasserbeschaffung sehr schwierig. Die Fabrik anlagen der Eont.-Caoutchouc-Comp. in Seelze sind so gut wie zerstört. Lediglich das Aetzehaus steht noch. Der Scha den beläuft sich auf über eine halbe Million Mark, ist aber durch Versicherung gedeckt. Der Hauptbetrieb in Hannover wird durch die Brandkatastrophe nicht beeinträchtigt. In Seelze waren 300 Arbeiter beschäftigt. — Zm Fallschirm auf die Straße gestürzt. Ein furcht bares Fliegerunglück ereignete sich am Freitag bei den Hebungen eines si .oedischen Luftschiffgeschwadcrs in der Nähe von Stockholm. Am Nachmittag sollte eine Parade über die Stadt stattfinden. Es stiegen sechs „Hansa-Bran- denburg-Maschinen" auf. In der vordersten Maschine be fand sich Kapitän Ehrensvaerd, der Cl>ef der ersten Marine division, in der zweiten Maschine Leutnant Hard. Die sechs Begleiter sollten gleichzeitig einrn FMchirmabstieg von den Flugzeugen aus vornehmen. Als die Maschinen dreimal die Stadt überkreuzt hatten und sich in einer Höhe von etwa 500 Meter befanden, kletterte Leutnant Hard aus seinem Flugzeug heraus und gab den fünf Kameraden das verabredete Zeichen. Vier Flieger sprangen zusammen mit ihm ab, während Ehrensvaerd zögerte. Zwei der Fall schirme entfalteten sich nicht und die Leutnants Tennebero und Finnfen stürzten auf die Straße. Beide waren sofort tot. Die Militärbehörden erklären jetzt, daß sie ihre Ge nehmigung für den Absprung nicht erteilt hatten. — Festnahme von Falschmünzern. Wegen Herstellung und Verausgabung falscher 50-Pfennig-Stücke wurden in Nürnberg durch die Kriminalpolizei ein Metallwarenfabri kant, ein Kohlenhändler, eine Arbeiterin und eine Schneide rin festgenommen. Es wurde festgestellt, daß während der letzten drei Wochen etwa tausend Falschstücke geprägt und verausgabt worden waren. Das ganze Herstellungswerk- zeug wurde beschlagnahmt. — Der Marlerpfahl über dem Ameisenhaufen. Eine Tat unerhörter Grausamkeit wird aus der ungarischen Ort schaft Sajk berichtet. Seit einiger Zeit machten Wilddiebe die Gegend unsicher. Der Förster Scombcsth, der mit be sonderem Eifer die Besitzungen des Grafen Erdödy über wachte, hatte einige Wilderer dingfest gemacht und sich da durch den tödlichen Haß aller übrigen zugezogen. Als nun kürzlich zwei Wilddiebe den Förster allein trafen, überfielen sie ihn und zogen ihn völlig aus. Dann banden sie ihn nackt an einen Baum, an dessen Fuß sich ein ungeheurer Ameisenhaufen befand. Danach überließen sie ihr Opfer seinem Schicksal. Als es Nacht wurde, gelang cs dem Un glücklichen endlich, den Knebel aus dem Mund zu drücken, der ihn bisher daran gehindert hatte, um Hilfe zu rufen. Während auf seinem Körper Tausende von Ameisen hin und her liefen, schrie er verzweifelt mehrere Stunden lang, bis seine Stimme heiser wurde. Niemand hörte seine Hilfe rufe. Erst am Mittag des nächsten Tages wurde er von einigen Holzfällern entdeckt, die ihn losbanden. Volle 15 Stunden hatte diese fürchterliche Marter gewährt. Sein Körper war von ungezählten Ameisenbissen gepeinigt und geschwollen. Die entsetzlichen Schmerzen hatten ihn halb irrsinnig gemacht. Er versuchte zu gehen, aber nach zwei Schritten brach er ohnmächtig zusammen. Der unglückliche Förster wurde in hoffnungslosem Zustande in ein Kranken haus cingeliefert. Von den Wilderern fehlt jede Spur. — Der Richter in Badehosen. In einem Seebad in der Nähe von New York wurde dieser Tage der Friedens richter des Ortes zur Erfüllung seiner Pflichten geholt, als er eben selbst sich im Bad befand. Eine sröhlichc Bade gesellschaft wurde ihm vorgeführt, die soeben auf frischer Tai ertappt worden war, al« sie sich im Widerspruch mit den örtlichen Polizeivorschriften im fahrenden Auto auf dem Wege zum Strand auszoa. Der Friedensrichter, selbst in der Badehose, waltete sofort seines Amtes, beries einige ebenso wenig bekleidete Beisitzer und verurteilte die Gesell schaft zu 10 Dollar Strafe per Kopf. Nach Schluß der Ver- Handlung badete man gemeinsam weiter. — Salzsäure-Attentat einer Geschiedenen. Am Sonn abendabend verübte die 38 Jahre alte Näherin Agnes Simon in einer Konditorei der Großen Frankfulterstraße in Berlin auf den Dentisten Adolf Simon, ihren früher. Ehemann, ein Attentat, indem sie dem Mann eine Tasse mit Salzsäure ins Gesicht schüttete. Der Dentist wurde schwer verletzt, und man befürchtet, daß die Sehkraft des linken Auges zerstört ist. Die Frau stellte sich der Polizei. Grund zur Tat ist, daß die Frau Simon ihren geschiedenen Mann dafür verantwortlich machte, daß die Tochter auf Abwege geraten war. — Ausbreitung der Lholeracpidemie in China. Nach einer Meldung der Agentur Jndopazific hat sich die bei Char» bin wütende Eholeraepidemie auf verschiedene Punkte de» chinesischen Ostens ausgedehnt. Die chinesischen Behörden haben umfassende Vorbeugungsmaßnahmen getroffen. — Veh dem — der liegt! Ein Wiener Kaufmann, der außer der schweren Zeit noch ein schweres Leiden zu ertragen hatte, entschloß sich, auf eindringliches Zureden des Hausarztes, ein Spital aufzusuchen, und hatte mit der Führung des Geschäftes seinen Freund betraut. Im Spital ergab sich die Notwendigkeit der Vornahme einer Opera tion, die zwar günstig verlief, aber längere Zeit zur Be handlung und Heilung erforderte. Daheim wirtschaftete der Freund,'und der Geschäftsgang besserte sich zusehends, dock, nicht zugunsten des Firmeninhabers, sondern seines Stell vertreters, der nämlich die ganze Einnahme für sich ver wendete. Als der Kaufmann davon erfuhr, beschick er den Mann zu sich und stellte ihn zur Rede. Dieser tat sehr ent rüstet und wies jeden Verdacht von sich. Er wurde aber bald überführt, und als er noch immer leugnete, rief ihm der Kaufmann drohend zu: „Weh dem — der lügt!" Der saubere Freund wurde hierauf vom Geschäft entfernt und dieses selbst geschlossen. Nach einigen Wochen war es mit dem Kaufmann endlich so weit, daß er das Spital verlassen und seinem Berufe wieder nachgehen konnte. Aber — o Schreck! Als er sein Geschäft öffnete, fand er darin nichts als die nackte Einrichtung vor. Der ganze Warenvorrat war verschwunden. Was nicht der Freund mitgenommen, hatten inzwischen Einbrecher ausgeräumt. Die Kasse ent hielt nichts als einige Groschen Bargeld, eine exekutive Steuerrechnung und einen Zettel, darauf mit Bleistift ge- chrieben stand: „Weh dem — der liegt!" Das schwimmende Kabarett. Humoreske von Ann Tizia Leitich. Die kleine, goldhaarige Mrs. O'Bricn hantierte in der engen „Wirtschaftseckc" ihrer einziinmerigen Wohnung auf der 160. Straße. Sie war sehr schlecht gelaunt, die kleine, goldhaarige Mistreß, und sie hatte auch Grund hierfür. Jetzt wurden es sechs Jahre, daß sie verheiratet war, und noch immer saß sie in dieser New Yorker Arme-Leutewohnung, mußte jeden Cent umdrehen, während die andern Girls, die mit ihr in die Schule gegangen waren, sich Pelzmäntel und Autos kauften und in Fünf-Zimmer-Wohnungen Gäste empfingen. Was hatte doch Jim gesagt, als sie als junges Paar hier einzogen und er ihre Enttäuschung merkte darüber, daß nicht einmal eine richtige Küche da war: „Ein Uebergang, Kindchen, warte nur, bis mein Drama angenommen ist. Es muß angenommen werden, es ist zu gut. Dann bekommt meine süße Frau den schönsten Pelzmantel. Russisches Eich horn, grausamten, schmeichelnd. Wie wird sie da schön sein!" Ach, ein Uebergang „Grüß Gott, Mädi!" — Da war er schon, müde wie jeden Abend, wenn er überhaupt kam am Abend: denn wie ost mußte er Herumlaufen bis in die Nacht hinein und auch die Nacht hindurch; das, was kein anderer nehmen wollte, mußte er tun, weil er noch immer nicht zum festbesoldeten Berichterstatter-Stab der Zeitung gehörte. Wenn er nichts brachte, verdiente er nichts, und deshalb mußte er beständig auf der Jagd nach interessanten Vorfällen sein. Als Jim sich nach dem Abendbrot den Mund wischte, sagte er: „Im Palastkino soll ein recht gutes Stück sein. Willst Du Dir's nicht anschaue»?" Schön kam er damit an, freilich hätte er das eigentlich wissen können. Wie eine kleine Katze fauchte sie über den Tisch hin: „Dort ist sicher die Mrs. Krausekopf, und die hat einen neuen Pelzmantel. Und Du glaubst, ich soll mich in meinem alten Fähnchen von ihr anschaucn lassen? Wie Du Dir das vorstellst! Lächerlich, ganz lächerlich!" Er antwortete nichts; er antwortete eine ganze lange Weile nichts, sah nur starr vor sich hin. Dann schlug er mit der Faust auf den Tisch, daß die Teller gegeneinander klirr ten: „Das muß aufhören", — und nach einer Pause, „und cs wird aufhören." Stand auf und ging zur Tür hinaus. Eine ganze Nacht und einen ganzen Tag ließ er ihr Zeit zum Trotzen und zum Bereuen. Dann, am Abend, kam er, strahlend dos rötliche Jungcn-Gesicht unter dem röt lichen Haar, warf den Hut gegen die Decke und umarmte sie so stürmisch, als wäre die Zeit sechs Jahre zurückgegangcn. „Hallo, old girl, geh' und kauf' Dir Deinen Pelzmantel, wir sind aus dem Wasser. Ganz und gar aus dem Wasser." lind küßte sie auf den Mund und auf die Wangen und wieder auf den Mund, daß sic ganz glühend und schön wurde, teils aus Freude über ihn, teils des Pelzmantels wegen. „Was wird das für ein Paradieren geben vor Mrs. Krausekopf!" Vorläufig aber mußte wieder Jim für ein oder zwei Tage weg. Am Sticgenabsatz warf er ihr noch eine Kußhand zu: „Keine Sorgen mehr, Kindchen, in ein paar Tagen bin ich Stab-Berichterstatter mit 2500 Dollar Anfangsgehalt und werde dick und fett davon. Sollst von mir hören." — Nach zwei Tagen war er wieder da und erzählte ihr atemlos die ganze Geschichte, so, wie sie morgen in der Zei tung stehen würde, in seiner Zeitung, die allein diese hor rende Nachricht haben würde, sie allein vor allen anderen Zeitungen, die nichts wissen davon, die stumm sein müssen wie die Oelgötzen, weil sie keinen Jini O'Bricn haben, der ein solch guter Spürhund ist. Ihm allein, ihm allein würde irs die Zeitung zu danken haben, und „kannst Dein Leben wetten, sie werden es mir lohnen müssen, sonst tun es andere, denn nach diesem werden sie mich alle haben wol len —" „Ja, aber was, was ist cs denn nun eigentlich?" fragte die kleine Mistreß, durchschauerl von soviel Glück. „Gleich, gleich, laß mich nur meine Schuhe ausziehen, sic sind ganz naß, bin vom Boot auf das schwimmende Floß gesprungen und wäre fast ins Meer gefallen — nein, nein, reg' Dich nicht auf — nur fast; nur die Füße waren drin nen, aber die ordentlich. So also —" Also das war cs: Jeder weih, wie in letzter Zeit die Alkoholschmuggler frecher als je dabei sind, dem nationalen Gesetz des Alkoholverbotcs eine Nase zu drehen, wie sic auf alle möglichen Schliche und Tricks kommen, um ihr Ge säss ins Land zu schmuggeln, damit die Leute was zu trin ken bekommen. Und nun haben sic etwas Neues, etwas ganz Geniales erfunden. Zwölf Meilen lang von der Küste weg ist der Ozcan noch trocken, das heißt, innerhalb von zwölf Meilen darf auf keinem Schiff Alkohol verkauft wer den aber darüber hinaus ist das Meer frei. Nun, das haben sich die Schufte zunutze gemacht,denn etwa 15 Meilen weit von der kleinen Insel „Langufer" hinaus schwimmt drau ßen im Meer verankert ein Boot, prachtvoll eingerichtet mit Wintergarten und lauschigen Ecken, mit entzückenden Tän zerinnen, Sängerinnen, Jazzkapellen usw. Und vor allem — ein Ueberfluß an gutem Alkohol: Whiski;, Bier, Cham pagner, Wein — was das Herz begehrt — ein Paradies für die ausgetrocknetc und durstige Kehle des New Parkers. Baden kann man sich dort in Alkohol — man hat nichts zu verhehlen, und man braucht nichts zu fürchten. Ein Meer von Licht und von Fröhlichkeit ist das Boot in der Nacht — aber alles geht nach innen; nach außen zu schweigt cs dun kel auf dem Wasser, und nur wer den Weg ganz genau weiß und nur wer das Losungswort kennt, für den wird eine Falltreppe herabgelassen . . . Ein Abcndausflug, ein Nachtausflug von New Park, romantischer, verheißungs voller als irgend einer, ein lockendes Abenteuer Also das war es: Das hatte Jim entdeckt, Jim vor allen anderen! „Ach Jim, wie interessant", sagte die kleine Mistreß und schlug die Hände zusammen. Am nächsten Tag stand alles in der Zeitung, in Jim's Zeitung, mit fettgedruckten Ucbcrschriften: „Das schwim mende Kabarett. Mitten im Meer schwelgen New Yorker in Alkohol." So wie er's erzählt, stand's drinnen, denn er hatte cs ja geschrieben, und da war auch sein Name unter einem Artikel, auf der ersten Seite der Zeitung. Himmel, cs war wirklich wahr, sic waren gemacht. — Und da ging es auch schon los: Ein Telephonieren, ein Autovorfahren, ein Besuchemachen ohne Ende: „Mr. O'Bricn, ganz unter uns, na, was? Wie? Wir verstehen uns doch? Es soll Ihr Schade nicht sein, Mr. O'Bricn, ich habe ein Geschäft für Herrenwäsche. Suchen Sic sich aus, was Ihnen beliebt — aber dieses schwimmende Kabarett? Pikfcinc Sache, he? Also gerade heraus, Mr. O'Bricn, wie kommt man hin? Es soll Ihr —" Dann die flötende Stimme einer jungen Dame am Telephon: „Wir wollen einen Ausflug machen — ach, hän gen Sic nicht an, bitte, so, cs ist Mrs. O'Bricn? Oh, sehr erfreut, Mr. O'Bricn ist schon in der Redaktion, so, so. Also, liebste Mrs., ich habe einen Import von europäischen Par füms, die wunderbarsten Sachen habe ich, ich schicke Ihnen ein Kistchen voll. Aber hören Sie, sagen Sie doch, wie kommt man hin, — ach so, Sic haben schon angchüngt!" Mrs. O'Bricn hatte tatsächlich angchängt; denn das war nicht mehr auszuhaltcn. Sic saß da inmitten ganzer Berge von Dingen, die ihr versprochen worden, waren, und wußte sich nicht zu helfen. Parfüms, Schuhe, Seiden, Theaterkarten, 10-, 20-, 100-Dollarscheinc, das alles tanzte nur so um sie her. Sie hätte ja um ihr Leben gern nur den zehnten Teil davon gehabt, aber ihr Mann hatte ihr nicht gesagt, wie und wo man zu dem merkwürdigen Kaba rett, das die Leute so unendlich interessierte, gelangen könne. Es war ein Geheimnis, vom Himmel gefallen, damit er Stab-Berichterstatter werden und sie sich ihren Pelzmantel kaufen könne. Pelzmantel! Die kleine, goldhaarige Mistreß sprang auf: Anstatt zu warten, bis ihr Mann ernannt wurde, könnte sic sich doch eigentlich den Mantel jetzt gleich kaufen, nicht wahr? Man gab ihr ihn gewiß auf Ratenzahlungen, der Name ihres Mannes stand gut dafür, ihn kannte heule jeder. — Am nächsten Nachmittag war die kleine Mistreß O'Bricn bei Mrs. Krausckopf eingcladen und bekam Tee und Kuchen und dann sogar noch Eiskreme! lind Mrs. Krausckopf lächelte und tänzelte um sie herum und war so sehr bemüht, sich angenehm zu machen, daß die kleine gold haarige Frau mit immer süßerer Liebe ihres Jim gedachte: Wie ist cs doch herrlich, die Frau eines berühmten Mannes zu sein! Und am Abend desselben Tages war alles aus. Aus! Der ganzen Welt schien der Boden entzweigcschlagcn. Jim kam nach Hause und warf sich auf das Bett, daß es in allen Fugen krachte. Er schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte, schluchzte herzzerbrechend. Die kleine Mrs. wußte nicht, was das bedeutete; sie hatte den schönen, grau samtenen Eichhornmantcl herausgelegt, damit er ihn sähe und sich daran erfreue; aber als Jim ihn erblickte, stöhnte er noch ärger auf. Schließlich erfuhr sie, was geschehen war: Er war Knall und Fall entlassen worden. Und warum? . . Weil die ganze geheimnisvolle Ge schichte vom schwimmenden Kabarett frei von ihm erfunden gewesen war! Weil er sich den interessanten Fall, den ihm das Schicksal ewig zu versagen schien, hatte erzwingen wol len. Und so arg war er dabei daneben geraten! Als das Telephon läutete, sprang er auf und horchte hin in der wahnsinnigen Hoffnung, sein Chef hätte sich be sonnen oder die Geschichte wäre am Ende doch wahr. „Hallo?" „Oh, ist dort Mr. O'Bricn? Bitte, könnten Sie nicht, ich habe eine Autofabrik, einen schmucken, kleinen Wagen für Sie, wenn Sie mir die Adresse des schwimmenden —" „Verdammt." Jim wollte schon das unschuldige Höhrrohr an den Haken schleudern. Aber auf halbem Wege hielt er ein. Und durch allen Acrger, alle Tränen, alle Wut und Scham hindurch rang sich auf seinem Gesicht ein kleines Lächeln: „Dieser Automensch weiß noch nicht, welcher großen Ent: er ausgesessen. Prächtig sind sic mir alle darauf hereingc- fallen, sogar der Chef, der großohrige Esel." „Nanu?" tönte cs vom anderen Ende, höflich, doch hör bar ungeduldig. Da hatte Jim eine Idee, die damit begann, daß er die Journalistik zum Teufel schickte. Und dann sagte er: „Hören Sic! Dienst für Gegendienst. Ich brauche kein Automobil! Aber brauchen Sie einen Mann, der garantiert das Blaue vom Himmel heruntercrzählen kann?" „Was fragen Sic! Zum Autoverkauscn ist mir immer einer lieber, der bis zehn, statt nur bis drei zählen kann." „Topp! Mein Freund ist Ihr Mann. Wann drrf er kommen?" „Soll sich morgen früh anschaucn lassen!" „Allright!" Mr. und Mrs. O'Bricn gingen noch denselben Abend ins Kino. Die Mistreß mit ihrem neuen Pelzmantel, strah lend; der Mister pfeifend.
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