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AeiLage zu Ar. 162 des sächsischen Lrzählers Bischofswerda, den LS. Oktober Oeffentliche Sitzung der Stadtverordn cten. Bischofswerda, am LS. Oktober 1908. Dieselbe wird nachmittags 5 Uhr vom Unter zeichneten eröffnet. Dom Kat ist Herr Bürgermeister vr. Lange erschienen. ' <! - Punkt 1. Ankauf de» sogenannten Brrghau- fr»ö Der Besitzer K un a t h bietet das Grund stück der Stadt für 1400 -4k an und verliest der Borfitzende die bisher gehabten Verhandlungen. Die Herren Hebenstreit und Schachert sprechen sich für den Ankauf, dieHerren Schn e i- der II, Geyer, Gnaück, Sparschuh da- gegen aus. Here Stadtverordneter Richter beantragt, diese Angelegenheit an den Äauaus- schuh zur weiteren Aufklärung zu überweisen. Der Antrag wird einstimmig angenommen. Punkt 2. Beitritt zum Giroverband sächsischer Gemeinden: Herr Keller referiert hierüber und empfiehlt den Beitritt. Nach kurzer Debatte tritt die Versammlung dem Vorschläge des Stadt- räkeS einstimmig bei. Punkt 3. ^ BaDerkeitUngsfrüge. Das Proto koll vom 16. Oktober des Bauausschusses wird vom Vorsitzenden" vörgelesen, sodann referier! Herr.Stadtverordneter Bürger ausführlich in folgender Weise: - „DieWasserleitungSsrage, tvenn ich die Sache so bezeichnen soll, hat in der letzten Zeit eine hervorragende Rolle in der öffentlichen Dis kussion in unserer Stadt gespielt. Vielleicht wäre die von bestimmter Seite immer wieder Erreaung der Einwohner- schast wegen der angeblich ganz ungeheuerlichen Zustände nicht in dem Matze, ich glaube fast sa gen zu dürfen, garnicht entfernt in dem Matze vorhanden gewesen, wenn nicht durch Uebertrei- bungen und einseitige Darstellung der Sach lage vpn bestimmten Seiten fortgesetzt dazu angereizt worden wäre. Ich brauche Ihnen, meine HAren, nichterst zu sagen, gehen wen sich diese meine letzten Ausfüh- rüngen richten. Ihnen Allen ist bekannt, datz dies« Anreizungen ausgehen zum Teil von einer Seite, bei der Man nach anderweiten Wahrnehmungen krankhafte Neigung zu der gleichen Extravaganzen voraussetzen muh: hauptsächlich aber hat die Sache dem Sensa tionshunger einer hiesigen Zeitung in einer Weise'dienen müssen, die von Seiten der Stadt vertretung, welche dabei in ödester Weise ange griffen worden ist, schärfste Zurückweisung er fahren mutz. I Um welche Tatsachen handelt es sich nun eigentlich? Wir haben einen an Schneefällen armen Winter hinter uns, dem ein an Nieder schlägen armes Frühjahr und ein ebenso fast durchweg trockener Sommer gefolgt sind; seit Monaten ist kein Tropfen Regen gefallen, we nigstens kein auch nur einigermahen anhalten des Regenwetter zu verzeichnen. Die sehr na türliche Folge dieser Erscheinungen macht.sich nun rings im ganzen grohen Vaterlande be merkbar und merkwürdiger Weise (merkwürdig und offenbar ganz ungehörig erscheint das den vorhin erwähnten Herrschaften!) auch bei uns in Bischofswerda! Auch bei uns hat es in den beiden hochgelegenen Stadtteilen an der Ka menzer- und ander Neustädter Straße an ein zelnen Tagen an mehreren Nachmittagsstunden an Wasser gefehlt. Nach dem im Bauausschusse vom Stadtbauamt gegebenen Bericht waren es im Juni 2, Juli —, August 2, September 5, Oktober 8 Tage an denen es in den hochge legenen Wohnungen, und zwar (mit verschwin denden Ausnahmen) meist nur auf einige Stun den, an Wasser gefehlt hat. Mit einigem guten Willen war man also selbst in diesen nicht allzu zahlreichen Gebäuden mit exzeptioneller Lage im Stande, sich für den Teil des Tages, für den auf Grund der gemachten Erfahrungen mit Wassermangel gerechnet werden konnte, einen entsprechenden Wasservorrat zu halten. In dem ganzen übrigen Bischofswerda ist Wassermangel überhaupt nicht eingetreten. Es ist vielleicht ein Nachlassen des Druckes in der Leitung, niemals über ein völliges Ver sagen derselben festzustellen gewesen. Vielleicht hat in dem einen oder dem anderen hohen Ge bäude der Druck nicht zur Wasserbeförderung bis in die höchstgelegene Etage ausgereicht (ich :r dazu bemerken, datz ich selbst sehr hoch, in einer zweiten Etage, wohne und in meiner Wohnung kein absolutes Versagen der Leitung an auch nur einem Tage bemerkt habe), dann wäre aber nur die Unbequemlichkeit in Frage gekommen, sich das Wasser aus einem etwas tiefer gelegenen Teil des Hauses be schaffen zu müssen. Das mag nicht angenehm sein, man möge sich aber doch in so seltenen Ausnahmefällen einmal vor Augen halten, wel che Mühsal in einer gar nicht sehr fern liegen den Zeit die Wasserversorgung tagtäglich ge- macht hat. Ich mache auch diese Ausführungen keineswegs deshalb, um damit Alles als gut Und schön hinzustellen, ich will damit nur da- rauf Hinweisen, datz man doch auch den nun leider ohne unser Zutun einmal bestehenden außerordentlichen Verhältnissen in etwas Rech nung tragen möge. Wenn die schon vorhin erwähnte hiesige Zei tung mit dem gleichen Eifer, mit dem sie Vor würfe auf Vorwürfe gegen die Stadtverwal tung häufte, auch alle durch andere Blätter gehende Nachrichten über die gleichen, meist aber viel schlimmeren Verhältnisse in anderen Ge meinden gesammelt und veröffentlicht hätte, so wäre ohne weiteres auch bekannt geworden, datz es sich keinesfalls um speziell Bischofswerdaer Mißstände handele, daß vielmehr im ganzen Reiche der Wassermangel auftritt und daß an derwärts die Verhältnisse viel schlimmere sind. Freilich hätte sich dann bei nur einigermaßen sachlicher Stellungnahme nicht fortgesetzt so schön ins Horn sittlicher Entrüstung über die Lässigkeit der Stadtverwaltung stoßen lassen. Und das wäre zu schade! Ich will nur einige Fälle über die Verhält nisse in anderen Gemeinden, mehr oder weni ger entfernte, erwähnen. In Zeulenroda i. Thür, wird aus der Was serleitung täglich nur an 2 Stunden Wasser abgegeben, ' in Stollberg i. Erzgeb. nur an 4 Stunden, in Bolkenhain i. Schl, ebenso nur an eini gen Stunden, in Hildesheim (einer Stadt von ca. 50 000 Einwohnern) gibt es ebenfalls nur stunden weise Wasser und der Kubikmeter Wasser wird dort mit 35 -Z bezahlt. Es würde zu weit führen, alle Ortschaften, von denen gleiche oder ähnliche Meldungen tag- täglich in den Zeitungen zu finden sind, hier anzuführen. Von Niemand und nirgends kann eben eine Grundwasserleitung gebaut werden, . die von den natürlichen Einflüssen völlig un abhängig ist; das wird nach meiner Ueberzeu- gung auch der Herr Herausgeber der „Bischofs- werdäer Nachrichten" nicht fertig bringen. Jedenfalls ist aus diesen Nachrichten das Eine zu konstatieren, daß unsere hiesigen Was serverhältnisse, denen an anderen Plätzen gegen über noch immer einigermaßen befriedigende sind. Vor allen Dingen kann aus den einzig in Frage kommenden, durch die erwähnten außer ordentlichen Verhältnisse hervorgerufenen und die Grundlage der ganzen künstlich geschürten Erregung bildenden Vorkommnissen nicht ge folgert werden, daß unsere Wasserleitung nicht mehr leistungsfähig genug sei. Vorübergehende, auf außergewöhnliche Verhältnisse zurück zu führende Erscheinungen können niemals den Maßstab für Bewertung einer solchen Einrich tung abgeben. Zu dieser Ueberzeugung mußte ganz selbst verständlich auch die Königliche Kreishaupt mannschaft Bautzen gelangen und die Antwort, welche dieselbe dem bekannten Beschwerdeführer von hier erteilte, konnte gar nicht anders lau ten, als „daß sie nichts zu erinnern gefunden habe". Die Glossierung dieses Bescheides durch die „Bischofswerdaer Nachrichten" ist einfach ab surd; wenn der Herr Beschwerdeführer oder der Herr Herausgeber der „Bischofswerdaer Nach richten" Kreishauptmann von Bautzen wären, so würden sie eben auch nicht anders haben be scheiden können, denn solange der Herr Kreis- Hauptmann der Stadtgemeindeverwaltung nicht irgend eine Nachlässigkeit, wodurch Mißstände herbeigeführt wurden, nachweisen und ihr nicht sagen kann, wodurch die von natürlichen Ur sachen abhängige Wasserleitung in ihrer Leistungsfähigkeit erhöht werden kann, so lange kann er in dieser Sache auch nichts zu erinnern finden. Der Herr Beschwerdeführer sowohl, wie der Herr Herausgeber der „Bischofswerdaer! Nachrichten" müssen recht eigentümliche Vor stellungen von den Aufgaben und von dem Um fang der Machtbefugnisse der obere» Behörden haben! Ich will nun gern zugeben, daß der Wasser mangel in den beiden hochgelegenen Stadt teilen, wenn auch nur verhältnismäßig wenige Gebäude und nur für immerhin nicht die ganze Tageszeit in Frage kommen, doch eine Kalami tät bedeutet, deren Beseitigung dringend wün schenswert erscheint und man kann versichert sein, daß seitens der Stadtverwaltung auch sicher alles das getan werden wird, was dazu geeignet erscheint. Ich bin auch fest überzeugt, daß wir die Mittel in der Hand haben, die sicher dazu führen werden und ich komme im weiteren Verlauf noch hierauf zu sprechen. Die Frage, was zu tun sei, beschäftigt die städtischen Körperschaften schon, seitdem sich der Wassermangel regelmäßig wiederkehrend be merkbar machte. Es hat dazu keinerlei Auf munterung von Seiten des Herrn Heraus gebers der „Bischofswerdaer Nachrichten" be durft. So ist z. B. von mir, ehe noch die „Bischofswerdaer Nachrichten" sich in dieser an genehmen Weise mit der Sache beschäftigten, (wenigstens ist mir bis dahin nichts davon be kannt geworden) beim Herrn Bürgermeister der Antrag gestellt worden, durch eine Besich tigung an Ort und Stelle durch den Bau-Aus- schuß Klarheit darüber zu schaffen, ob die Ur sache der verminderten Leistungsfähigkeit in Folge ungenügenden Zuflusses oder irgend eines Fehlers in der Anlage oder deren Be handlung zu suchen sei. Dabei wurde, festgestellt, daß der Zufluß zu jenem Zeitpunkt noch 9 Sek.-Liter betrug, also ein Quantum, das nach allen Erfahrungen von anderen Städten und den Ansichten der Wasserleitungs-Fachmänner, reichlich für den Bedarf der Stadt.ausreichen müßte. Ich er innere hierbei nur daran, datz Radeberg mit beinahe der doppelten Bevölkerung im Jahre 1904 mit einer Leistung von nur 3—3'/z Se- kunden-Liter ausgekymmen ist. Nach alledem mußte angenommen werden, daß nicht die Leistung des Wasserwerkes eine unzureichende ist, (für den Zweck nämlich, für den es bestimmt ist), sondern daß in unverantwortlicher Weise von einzelnen Verbrauchern die Leitung in An spruch genommen wird, für Zwecke, denen sie eigentlich nicht dienen sollte. Trotz alledem war man der Ansicht, daß — wenn nicht unbe dingt nötig — niemand in seiner Bequemlich keit und in seinen Gewohnheiten durch beson dere Maßnahmen gestört werden sollte und daß sich durch eine Auffüllung der zweiten Kammer des Hochbehälters an den ersten Wochentagen jedenfalls erreichen lassen würde, daß für die Hauptbedarfstage am Ende der Woche das volle benötigte Quantum auch mit zur Versor gung der hochgelegenen Häuser bereit gestellt werden könnte. Diese Maßnahme würde jeden falls auch durchführbar gewesen »sein und den erwarteten Erfolg gebracht haben, wenn Nicht inzwischen ein weiterer Rückgang des Wasser zuflusses eingetreten wäre. Und zwar war dec Rückgang ein sehr erheblicher, indem nämlich die Leistung auf 5,7 Sekunden-Liter sank. (Ich erinnere dabei aber daran, daß selbst bei dieser so reduzierten Leistung noch immer ca. 4 mal soviel Wasser auf den Kopf der Bevölkerung kommt, als in dem vorhin angeführten Falle Radeberg.) Daraufhin haben dann sofort wei tere Beratungen stattgefunden, welche Maßnah men zur Beseitigung des Mißstandes bei der so veränderten Sachlage ergriffen werden soll ten. Wenn man sich nun vorher noch immer der Erwartung hingegeben hatte, daß einerseits eine Besserung der Verhältnisse durch einen nach so langer Trockenheit doch zu erwartenden Witterungsumschlag eintreten würde und daß andererseits von allen Seiten der Einwohner schaft wohl vorausgesetzt werden dürfte, daß sie unter solchen Umständen, wo irgend angängig, den Wasserkonsum einschränken würde, so hat sich, wie allgemein bekannt, diese erste Vor aussetzung nicht erfüllt und wegen der anderen Voraussetzung, hat leider festgestellt werden müssen, daß auf eine solche Berücksichtigung der gegenwärtigen außergewöhnlichen Verhält- nisse fast durchweg nicht zu rechnen ist. Auf Grund dieser Feststellungen hat dann der Banausschuß anderweite Maßnahmen in Vor-