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natürlich recht gut hinnn patzt. Es hieße aber doch wohl die realen Thatsachen bedeutend der- kennen, wenn man dem Borgange wirklich eine be sondere politische Bedeutung zuschreiben wollte, und gar nach der Richtung einer grundsätzlichen Frontvrränderung der auswärtigen Politik Italiens hin. Vielmehr stellt sich der Osterbesuch des ita lienischen Geschwaders in dem HauptkrirgShafen Frankreichs im Grunde genommen nur als ein Akt des internationalen Höflichkeitskomments dar, als die Erwiderung des voriges Jahr in Cagliari abgestatteten Besuches drS französischen Mittel- meergeschwaders; was sonst noch hiermit zusammen hängt, wie das Erscheinen des Präsidenten Loubet in Toulon, ist eben nichts wie schmückendes Bei werk. Schließlich ist die fast demonstrative Hin- Wegbeorderung der russischen Panzerflotille aus Toulon sozusagen noch am Vorabend der fran zösisch-italienischen Flottensestlichkeiten noch ein spe- zielleS Moment, welches in bestimmter Weise gegen die versuchte hochpolitische Ausbeutung derselben spricht. Sicherlich sind Allianzen zwischen den Völkern und Staaten nicht sür die Ewigkeit abgeschlossen, und wenn die Italiener ernstlich meinten, sie würden aus einer intimen Anlehnung an den franco-russischen Zweibund mehr greisbare Bor- theile für sich herausschlagen, als von einem ferneren Verweilen an der Seite Deutschlands und Oesterreich-Ungarns, so würde das Apenninen- Königreich allerdings die längste Zeit der Ver bündete der Centralmächte gewesen sein. Einst- weilen müssen sich indessen die in jeder Beziehung ja so berechnenden Italiener doch sagen, daß sie durchaus keine zwingende Ursache haben, sich nach außen politisch zu verändern und vom mittel europäischen Bündnisse abzurücken, welches dem Königreiche Italien vor Allem die Wahrung seiner geachteten Stellung als Großmacht garantirt, während es hiermit bei einem Einspringen Italiens in die eigenartige „Allianz" zwischen Frankreich und Rußland einigermaßen bedenklich aussehen dürfte, das „Land der Citronen* würde in der selben aus der Rolle eines Vasallen schwerlich herauskommen. Das wissen auch die leitenden Persönlichkeiten Italiens selber sehr wohl, sie sind daher bestrebt, die auswärtige Politik ihres Landes in dem bisherigen Cours zu erhalten, und unter diesem Gesichtspunkt gewinnt auch die von dem italienischen Ministerpräsidenten Zanardelli herbei geführte Zusammenkunft des letzteren mit dem Reichskanzler Grafen Bülow in Verona ihre Be deutung. Wenn also im Ernst keine Erschütterung des Dreibundes von Seiten seines italienischen Theil- nehmers zu befürchten sicht, so sind auch sonst die Verhältnisse im Dreibund nicht danach angethan, eine derartige Befürchtung als gerechtfertigt er scheinen zu lassen. Die Wühlereien der Irre dentisten haben bislang nicht vermocht, eine Trübung in den Beziehungen zwischen Oesterreich- Ungarn und Italien herbeizusühren, und eben sowenig hat die Thatsache, daß einem großen Theile des italienischen Volkes das Bündniß mit der habsburgischen Monarchie keineswegs sonderlich sympathisch ist, bislang einen erkennbaren Einfluß aus das offizielle Verhältniß zwischen Wien und Rom ausgeübt. Was aber das gegenseitige Ver- hältniß zwischen dem Deutschen Reich und Oester reich-Ungarn anbelangt, so darf sestgestellt werden, daß dasselbe ungeachtet des mehr oder weniger slavrnsreundlichen Charakters, welchen die innere Politik Oesterreichs bereits seit einer ganzen Reihe von Jahren besitzt, noch immer ein herzliches und vertrauensvolles ist. Der unmittelbar bevor stehende mehrtägige Besuch des deutschen Kron prinzen am Wiener Hofe bildet den neuesten er freulichen Beweis dafür, daß die bedenkliche Richtung in der inneren politischen Entwickelung Oesterreichs noch nicht im Stande war, die trauten Beziehungen der Donaumonarchie zu Deutschland zu trüben und hiermit den Weiterbestand des segensvollen Dreibundes in Frage zu stellen. Man darf darum wohl auch erwarten, daß die mitteleuropäische Allianz den allmählich heran nahenden kritischen Zeitpunkt, in welchem es sich um die Erneuerung der Bündnißverträge zwischen ihren Mitgliedern handelt, glücklich überstehen werde. Politische Wcltschau. Der Kaiser empfing am Dienstag Mittag im Berliner Rrstdenzschlosse die unter Führung des Herzog» von Abrrcorn in Berlin eingetroffene außerordentliche englische Gesandtschaft, welche be auftragt ist, dem deutschen Kaiser die offizielle Mittheilung von der erfolgten Thronbesteigung König Eduards VII. zu machen, in feierlicher i Audienz; hierbei war u. A. auch der englische Botschafter am Berliner Hose, Sir Frank Lascelles, anwesend. Die englische Sondergesandtschast kam von Petersburg, wo sie dem kaiserlichen Hose ebenfalls die Thronbesteigung Eduard» VII. noti- ficirt hatte, und geht noch nach Dresden, um sich am dortigen Hofe de» gleichen Auftrage» zu ent- ledigen; dann kehrt dir Mission nach England zurück. Morgen Donnerstag findet die feierliche Einweihung de» auf der Langen Brücke zu Potsdam errichteten DrnkmaleS sür Kaiser Wilhelm I. statt; da» Kaiserpaar wird diesem Akte beiwohnen. Da» Gerücht von dem Entlassungsgesuche, welches Finanzminister vr. von Miquel dem Kaiser am 1. April eingerricht haben sollte, erweist sich al» unbegründet. Allerdings hatte sich Herr v. Miquel neulich eine starke Erkältung zugezogen, die ihn bislang zu einer Einschränkung seiner Amts- geschälte nöthigte, und hieraus sind möglicherweise die jüngsten ihn betreffenden Rücktrittsgerüchte zurnckzusühren. Inzwischen ist Herr v. Miquel in Wiesbaden behus» eines etwa vierzehntägigen Kurgebrauches eingetroffen; nach Beendigung seines Wiesbadener Kuraufenthaltes wird er seine Amtsgeschäste in der gewohnten Weise wieder auf nehmen. Die Ankunft deS GroßherzogS Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar in Berlin behufs Abstattung des Antrittsbesuche» drS GroßherzogS am kaiserlichen Hose wurde sür Mittwoch Vor mittag erwartet; e» war aus dem Bahnhofe großer Empfang angesagt. Prinz Heinrich von Preußen traf nebst seiner Gemahlin am Montag Nachmittag von Cronberg kommend, zum Besuche des Prinzen Ludwig von Battenberg in Schloß Jugenheim ein. Der jugendliche Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklrnburg-Schwerin hat am Dienstag anläßlich seiner Großjährigkeit die Re gierung selbst übernommen, die bislang seit dem Ableben des GroßherzogS Friedrich Franz III. vom Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg- Schwerin als Regenten sür seinen erlauchten Neffen geführt worden war. Prinz Adalbert von Preußen, der dritte Sohn unsers Kaiserpaares tritt am Donnerstag, den 18. April, in Kiel feierlich in die Marine ein. In Hamburg sieht man sür den 15. April der Ankunft des Dampfers „Kiautschou" entgegen, welcher einen Transport auS China heimkehrender Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften des ostasiatischen Expeditionskorps an Bord hat; die heimkehrenden Chinakämpser find ihrer Mehrzahl nach Rekonvaleszenten. Der Transport steht unter dem Kommando des Hauptmannes von Hartmann; das „Wolff'sche Telegraphen-Bureau* giebt dankenSwerther Weise schon jetzt die Liste sämmtlicher Mitglieder des Transportes bekannt. Die verwittwete Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar soll, wie es heißt, beab sichtigten, eine zweite Ehe einzugehen, und zwar eine standesgemäße. Es wird weiter gemeldet, daß die hohe Frau diesen Schritt in Rom, wo sie zur Zeit weilt, unternehmen und dann dort auch ihren Wohnsitz behalten werde. Ueber Namen und Stand ihres angeblichen künftigen Gemahls ist noch nicht» Nähere» bekannt. Der französische Ministerpräsident Waldeck-Rousseau hat sich infolge seines Halsleidens einer Operation unterziehen müssen; es handelte sich hierbei um die Entfernung einer das Athmen erschwerenden entzündlichen Geschwulst im Munde. Die Operation hat einen guten Verlaus genommen; das Befinden de» Kranken ist nicht beunruhigend, sein Zustand läßt hoffen, daß er die Folgen der allerdings schmerzhaften Operation ertragen werde, ohne sehr leiden zu müssen. — Unter den streikenden Bergleuten in Montceau-leS-MineS giebt sich neuerdings eine bedenkliche Gereiztheit gegen ihre Kameraden kund, wie solche in unaufhörlichen thätlichen Angriffen der Ausständigen auf die arbeitswilligen Bergleute heroortritt; die militärischen und polizeilichen Sicherheitsmaßregeln in Montceau - le» - Mine» scheinen also noch keineswegs für ihren Zweck zu genügen. Da» russische Geschwader, welche» bis lang in Toulon ankerte, hat diesen französischen HauptkrirgShafen, wie angekündigt, am 5. April verlassen, um bei dem daselbst bevorstehenden italienischen Flottenbrsuche nicht zugegen sein zu müssen. Ueber die Beweggründe der auffälligen Wiederabfahrt de« russischen Geschwader» aus Toulon am Vorabend des Besuche» de» italienischen Geschwader» gehen allerhand Angaben durch die TagrSpresse; eine größere Bedeutung scheint aber die Sache nicht zu haben. Die bulgarische Regierung, welche bis lang dem bedenklichen Treiben de» mazedonischen RevolutionScomitrrS langmüthig zusah, scheint nun doch der Meinung geworden zu sein, daß sie dem Comitee endlich schärfer auf die Finger sehen müsse, wie die Verhaftung der führenden Persön lichkeiten de» letzteren beweist. Da» war offenbar auch eine sehr nothwendige Maßregel, denn die Agitationen der mazedonischen Verschwörer drohten Bulgarien in kriegerische Conflikte mit Rumänien wie mit der Türkei zu verwickeln; es bleibt freilich nur noch abzuwarten, wie die mazedonische Ver schwörerpartei die Verhaftung ihrer Häupter auf nehmen wird. Der König der Belgier, welcher zur Zeit in Italien weilt, sollte letzthin in Rom an- wesend gewesen sein und hierbei dem Papst einen Jncognito-Besuch gemacht, dagegen da» Quirinal gemieden haben. Mehrere italienische Blätter hatten deshalb scharfe Angriffe auf den belgischen Monarchen gerichtet, die sich aber jetzt als voreilig erweisen, denn die osfiziöse „Agenzia Stefan!* erklärt auf Grund einer telegraphischen Nachricht aus Florenz, daß König Leopold diese Stadt seit seiner Ankunft bislang noch nicht verlassen habe, abgesehen von einigen Ausflügen in die Umgebung. Der monatelange Streit zwischen der Türkei und Griechenland über die Konsular-Kon- vention, welche beide Staaten laut des türkisch griechischen Friedensvertrages mit einander ab schließen sollten, ist vorige Woche durch einen Schieds spruch der Botschafter in Konstantinopel geschlichtet worden. Der Schiedsspruch wurde gleichzeitig der Pforte und der griechischen Gesandtschaft in Konstantinopel notifizirt. Die Besprechungen König Alexanders mit den Vertretern aller Parteien de» Landes über die beabsichtigte Verfassungsänderung, welche hauptsächlich bezweckt, auch der weiblichen Linie des serbischen Königshauses das Recht der Thron folge zu sichern, haben am vergangenen Freitag begonnen. Die neue serbische Verfassung, welches Projekt vom König Alexander lebhaft betrieben worden ist, wird nunmehr in ihren wichtigsten Be stimmungen von offiziöser Belgrader Seite bekannt gegeben. In denselben wird u. A. vollkommene Rechtsgleichheit, Religion--, Preß- und Wahlfreiheit ausgesprochen. Dagegen findet sich in ihnen noch nichts von der Uebertragung des Rechtes der Thronfolge auch an die weibliche Linie deS Hauses Obrenowitsch, obwohl doch dies die wichtigste Ver fassungsänderung sein sollte. Das rumänische Parlament ist am Sonnabend vom König Karl mittels Thronrede eröffnet worden. Die rumänische Deputirtenkammer genehmigte am Sonntag noch einer sehr wirkungsvollen Rede des Ministerpräsidenten Stourdza die Adresse an den König mit allen abgegebenen 139 Stimmen. Der offizielle Petersburger „Regierungs bote* bringt gelegentlich eines diplomatischen Rückblickes auf die diplomatischen Verhandlungen in Tientsin und Peking auch eine Auslassung hinsichtlich des Mandschurei-Abkommen». Da» Petersburger Regierungsblatt bemüht sich hierbei nochmals, die Welt glauben zu machen, daß Rußland nicht an eine Annektion der Mandschurei denke, betont indessen gleichzeitg, daß eine Rückgabe der Mandschurei an China nur nach der Wiederherstellung normaler Verhältnisse in diesem Reiche möglich sein werde. — Es wird jedoch wohl nirgends eine naive Seele existiren, welche diese erneute Versicherung der angeblichen Uneigennützigkeit de» Auftretens Rußlands in der Mandschurei sür baare Münze nehmen wird. Andrerseits ist auch auf die fortgesetzten Meldungen über den angeblichen definitiven Entschluß Chinas, das Mandschurei-Abkommen mit Rußland nicht zu unterzeichnen, schwerlich besonders viel zu geben : schlimmstenfalls bleibt eben Rußland auch ohne einen solchen formellen Akt der thatsächliche Besitzer der Mandschurei. Auch wird bereits au» Peking versichert, man sehe dort die nach Petersburg ge machte Mittheilung der chinesischen Regierung, sie könne die Convention über die Mandschurei in folge de» Widerstandes der Bizekönige und der Einwendungen der Mächte nicht genehmigen, kaum al» eine absolute Weigerung an, vielmehr scheine die chinesische Regierung nur Zeit sür fernere Unterhandlungen in dieser Angelegenheit gewinnen zu wollen. Immer wieder hält man e» russischerseit» für nöthig, zu versichern, daß Rußland keine Annexion der Mandschurei beabsichtige, mit welcher Versicherung sich auch da» „Journal de St. PeterS- bourg* in einem hochosfiziösen Artikel abmüht. Nun, e» wird sich zeigen, ob Rußland in der Mandschurei wirklich nun wieder Ordnung schaffen