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Berlin, 22. Februar. Der Kaiser empfing heute Mittag im königlichen Schlosse in Gegen wart des Präsidenten des Staatsministeriums und des Ministers für Landwirthschaft eine Ab ordnung der landwirthschaftlichen Centralvereine der östlichen Provinzen, welche beauftragt war, mittelst einer Denkschrift die Wünsche der Land- wirthschast zur Allerhöchsten Kenntniß zu bringen und um deren Förderung zu bitten. Se. Ma jestät erwiderte nach dem „Reichs-Anzeiger" in seiner Ansprache dem Führer dec Abordnung Folgendes: „Ich danke Ihnen, Meine Herren, daß Sie zu Mir gekommen sind und sich direkt an Ihren Landesvater wenden. Wie Mein un ablässiges Streben auf das Wohl Meines Landes gerichtet ist, so ist eS auch Mein Wunsch und Wille, den Schwierigkeiten und Sorgen abzu helfen, mit welchen die Landwirthschaft, zumal in den östlichen Provinzen, zu kämpfen hat. Die Mittel und Wege, welche hierzu einzuschlagen, sind mannigfacher Art und schwieriger Natur. Nur nach längerer Zeit wird es, auch bei voller Hingabe Meiner Regierung an die gestellte Aus gabe, gelingen, dem angestrebten Ziele näher zu kommen. Dazu bedarf es vor Allem des Frie dens, zu dessen Erhaltung auch Sie beitragen können, indem Sie für die Stärkung unserer Wehrkraft eintreten. Die Wünsche, welche Sie Mir vortragen, werden von Meiner Regierung eingehend geprüft und nach Möglichkeit berück sichtigt werden. Je mehr dies geschehen und das Gedeihen der Landwirthschaft gefördert werden kann, desto größer wird Meine Befriedigung sein, da die Landwirthschaft und die ackerbautreibende Bevölkerung Mir besonders am Herzen liegen. Ich erblicke gleich Meinen Vorfahren in ihr, wie Ich vor drei Jahren in Königsberg auf dem Feste der Provinz ausgesprochen habe, eine Säule des KönigthumS, die zu erhalten und zu festigen Mir Pflicht und Freude ist, und Ich vertraue zuversichtlich, daß sie sich als solche in alter Treue allezeit bewähren wird". — Pietro MaS- cagni wurde gestern Abend nach Beendigung der „Oavnlloria rrmtioana" im Opernhause vom Grafen Hochberg dem Kaiser vorgestellt, welcher Der fSchfifche Erzähler. Seite 4 Anton Tpantig aus Ostritz zu ermitteln. Beide waren angeklagt, nach vorheriger Verabredung gemeinschaftlich 1) in der Nacht zum 24. Juli 1892 daS Wohnhaus, Scheune und Schuppen des Gutsbesitzers Schönselder in NiederkuErs dorf, 2) in der Nacht zum 2. September das WirthschaftSgebäude des Gutsbesitzers Stübner daselbst, 3) in der Nacht zum 26. September daS Wohnhaus, Scheune und Stallgebäude deS Krctschambesitzers Glathe in Niederoderwitz vor sätzlich in Brand gesetzt zu haben. Außerdem hatte der Mitangeklagte Spantig allein 4) in der Nacht zum 29. August 1892 daS Scheunen gebäude des Gutsbesitzers Lehmann in Nieder-. kunnersdorf, 5) in der Nacht zum 5. September das Wohnhaus und Scheunengebäude des Wirth- schastsbesitzers Jähne in Ebersdorf und 6) in der Nacht zum 23. September das Wohnhaus des Gutsbesitzers Tempel in Niederkunpersdorf ebenfalls absichtlich in Brand gesteckt. In der am 22. und 23 Februar stattgesundenen Haupt verhandlung wurde Kujau zu 9 Jahren und Spantig zu 12 Jahren Zuchthausstrafe ver- urtheilt. Von den im Jahre 1892 an Postillone ver liehenen Ehren-Posthörnern und Ehren-Peitschen erhielt im Oberpostdirektionsbezirk Dresden der Postillon Heinrich Moritz Lehmann ein Ehren- Posthorn und der Postillon Friedrich Hermann Müller eine Ehren-Peitsche. Im gesammten Reichspostgebiete sind 38 Ehren-Posthörner und 80 Ehren-Peitschen verliehen worden. Die Direktion der städtische,« Feuerwehr in Leipzig nimmt seit einigen Monaten die prak tische Erprobung eines Daimlerschen Benzin- Motors vor. Derselbe, eine Zwillingö-GaSkraft- maschine, die das zu ihrem Betriebe erforderliche GaS selbstthätig auS rektifizirtem Benzin erzeugt, liefert, zum Betriebe einer Feuerspritze verwendet, vom ersten Moment des Anlaufens an einen ausgiebigen gleichmäßigen Wasserstrahl, wie er wohl mit einer Dampsspritze, niemals aber mit einer Handspritze zu erreichen ist. Die Kon struktion der eigentlichen Spritze ist derjenigen der normalen Handfeuerspritzen ähnlich. Merk würdig rasch, schon nach einer Minute, kann die Motor-Feuerspritze in Betrieb gesetzt werden. Bei den 233 sächsischen Sparkassen erfolgten in dem vergangenen Jahre 1,475,914 Ein zahlungen mit 133,827,250 Mark und 989,266 Rückzahlungen mit 126,399,405 Mark; gegen 1891 mehr: 55.4Ü5 Einzahlungen mit 6,025,277 Mark und 45,805 Rückzahlungen mit 1,680,362 Mark. dem Komponisten unter Ausdrücken schmeichel haftester Anerkennung den Krünen-Ordeir 3. Cl- überreichte. Alsdann wurde MaScagni auch der Kaiserin vorgestrllt. — In der PetitionSkommissiom des Reichstages stand heute die bekannte, vom, Abg. vr. Baumbach überreichte Petition au Zulassung der Frauen zum akademischen Studium^ zur Verhandlung. Schließlich gelangte ein An trag, die Petition dem Reichskanzler zur Er wägung zu überweisen, zur einstimmigen Annahme,, nachdem der Antrag Schrader, sie dem Reichs kanzler zur Berücksichtigung zu überweisen, mit allen gegen fünf Stimmen abgelehnt worden war- Berlin, 22. Februar. DaS „Armeeverord nungsblatt" veröffentlicht eine Allerhöchste Kabi- netsordre, in der bestimmt wird, daß Kaiser manöver beim XIII., XIV. und XVI. Armee korps im bevorstehenden Sommer abgehalteir werden sollen. Jedes Armeekorps hat für sich, große Parade. Berlin, 22. Februar. (Reichstag.) Der- Gesetzentwurf, betreffend die Einführung der Ein heitszeit, wurde ohne Debatte in dritter Lesung, angenommen. In der fortgesetzten Berathuug des Etats de» ReichSamtS des Innern erwiderte Staatssekretär von Boetticher bei dem Kapitel. „Statistisches Amt" auf Anregung deS Abg.. Hirsch, die Statistik über die Krankenversicherung sei oft schwer auszuführen; sie empfehle sich nur,, wo davon ein Vortheil für die Gesetzgebung zu erwarten ist. Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Schrader, vr. Buhl und Möller wird daS Ka pitel bewilligt. Bei Kapitel „Normal-Aichungs- Kommission" befürwortet Abg. Goldschmidt (freis.). die Ausdehnung des AichzwangeS auf die Bier fässer. Staatssekretär von Boetticher erwidert,, die preußische Regierung prüfe gegenwärtig die Bedürfnißfrage, eine Entscheidung sei noch nicht getroffen. Die Position wird bewilligt. Bei Kapitel „Gesundheitsamt" regt Abg. Rösicke (wild) das Surrogatverbot bei der Bereitung untergähriger Biere an. Schatzsekretär von Maltzahn konstatirt, daß der Surrogatverbrauch unerheblich ist und weist darauf hin, daß die Rcichsregierung bereits dreimal das Surrogat verbot angeregt habe. Abg. vr. Meyer (freis.)- bekämpft ein allgemeines Surragatverbot. Renom- mirte Brauereien verwenden für untergährige Biere schon jetzt nur Malz und Hopfen. Zur Erhaltung diese« Zustandes bedürfe eS eines KlammergefetzeS nicht. Staatssekretär v. Maltzahn. bemerkt, die Frage, ob Surrogate aus gesund heitlichen Gründen zu verbieten sind, ist in den von den Regierungen eingeleitetcn Konferenzen verneint worden. Abg. Rösicke konstatirt, die meisten Brauer wünschen ein Surrogatverbot.. Abg. Möller (nationallib.) und Abg. Hatzfeld (Reichspartei) befürworten gleichfalls das Verbot. Auf eine Anfrage des Abg. vr. LingenS theilt Staatssekretär von Boetticher mit, aus den Unter suchungen, wie lange der mit Leichen in die Erde gelangte Bazillus sich erhält, gehe hervor, daß. der Bazillus bald abstirbt, weil die Erde als Filter wirkt. Bezüglich der Untersuchung der Gesundheitsschädlichkeit der Kirchhöfe sollen um fassende Versuche mit Thicrkadavern angestellt werden. Die Bestimmungen über die Beerdigung von Thierleichen sollen erweitert werden. Im Laufe der Debatte erklärt von Boetticher auf eine Frage, die Leichenverbrennung sei nicht Reichssache. Abg. Baumbach theilte mit, er be reite einen Antrag vor bezüglich der fakultativen Feuerbestattung. Abg. Frohme (Sozialdemokray befürwortet die Leichenverbrennung, die Erweite rung der Machtvollkommenheiten des Reichsge- sundheitsamteS und eine Enquete über WohnungS- verhältnisse. Abg. vr. Endemanu (nationallib.) empfiehlt die obligatorische Leichenverbrennung bei Epidemien. Abg. LingenS (Centrum), bemerkt,. die Leichenverbrennung widerstreite der christlichen Auffassung und verbiete sich im Interesse der Ermittelung von Verbrechen. Staatssekretär von Boetticher erklärt, das Reich könne den Einzel staaten die Leichrnverbrennung nicht vorschreiben,, falls nicht eine Seuchengefahr vorliege. DaS Reichsgesundheitsamt sei keine Exekutivbehörde, eS wäre auch nicht gut, wenn es eine solche wäre. DaS Reich danke der thatkräftigen Arbeit der Beamten, daß die Choleraseuche auf einen engen Raum beschränkt geblieben sei. Abg. Metzger (Sozialdemokrat) bespricht die schlechten Wasser- und Wohnungsverhältnisse Hamburgs. Auf eine Anfrage deS Abg. Buhl erklärt Schatz sekretär von Maltzahn, zum Verschnitt dürfen nur solche Weine verwendet werden, welche nach- den Vorschriften deS Gesetzes von 1892 als Wein anzusehen sind. Berlin, 23. Februar. Der Reichstag nahm, ohne Debatte in dritter Lesung den ägyptischen Handelsvertrag an und setzte dann die Berathuug. Arbeit unfähigen Grundbesitzer», der nächstälteste Bruder eines vor dem Feinde gebliebenen oder an den erhaltenen Wunden gestorbenen Solda ten rc. ist, kann gegen seine Einstellung in den Militärdienst reklamiren. Die Reklamationen sind von der OrtSbehörde zu beglaubigen und einige Zeit vor Beginn deS ErsatzgeschästeS — also schon jetzt — bei dem Zivilvorsitzenden der Ersatzkom mission einzurcichen. — Der „Deutsche Feuerwehrtag" wird in diesem Jahre in München abgehalten und da laut früheren Beschlüsse- deS Ausschusses des Deutschen Feuerwehrverbandes im gleichen Jahre keine Ausstellung von Feuerwehrgeräthen in den ein zelnen Landesverbänden veranstaltet werden darf und weil ferner der Stadtrath und die Feuer wehr von Glauchau gebeten haben, in diesem Jahre von der Abhaltung des Sächsischen Feuerwehrtages Abstand zu nehmen, haben der Landesausschuß und die am 11. Juni 1892 in Freiberg versammelten Verbandsvorsitzenden be antragt: „Den 13. sächsischen Feuerwehrtag erst 1894 in Glauchau abzvhalten. Alle diejenigen Feuerwehren deS Landesverbandes, welche nicht mit vorstehendem Anträge einverstanden sind, werden gebeten, bi» 15. März d. I. schriftlich ihre Abstimmung an den Vorsitzenden des Landes- auSschusseS, H. L. Weigand, Chemnitz, gelangen zu lassen. — Nach den jetzigen srühlingSgleichen Tagen haben wir Kälte noch um Ostern zu erwarten, wenn die alten Wetterregeln Recht behalten sollen denn: „Wenn'S im Hornung nicht recht wintert, so kommt Kälte um Ostern." Als ein ganz eigenartiger Wettermacher gilt der Matthiastag, der 24. Februar. Von ihm sagt eine Wetter regel: „MattheiS — bricht'S Eis. Hat er kcinS, so macht er eins." O Bautzen. (Schwurgerichtsverhand lungen.) Der Musiker und GeschäftSgehllse Paul Otto Sens in Großröhrsdorf wurde in der Hauptverhandlung am 20. Februar wegen wiederholter Sittlichkeitsverbrechen unter Zu billigung mildernder Umstände zu 2 Jahren Gesängnißstrase und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren ver- urtheilt. — Die auf denselben Tag anberaumte Hauptverhandlung gegen den Posthilfsboten Hermann Emil Hüttig aus Olbersdorf wegen Vergehen im Amte mußte wegen Erkrankung eines Zeugen bis zur nächsten Schwurgerichts periode vertagt werden. — Der vielfach vorbe strafte Dienstknecht Ernst Julius Kockel aus Cunewalde war angeklagt, in der Nacht zum 15. August 1892 das zu dem Besitzthum seines damaligen Dienstherr», des Gutsbesitzers Andreas Noack in LomSke gehörige Scheunengebäude in Brand gesteckt zu haben, wodurch nicht nur diese- Gebäude total, sondern auch daS daran stoßende Seitengebäude Noacks, in welchem der Knecht und die Mägde schliefen, zum Theil und die Scheune des Nachbar Schulze vollständig zerstört wurden. Der Angeklagte war geständig, diesen Brand vorsätzlich und zwar aus Aerger veranlaßt zu haben und erhielt derselbe deshalb in der Hauptverhandlung am 21. Februar eine Zuchthausstrafe in der Dauer von 3 Jahren 6 Monaten zucrkannt. — Am Nachmittage deS 4. November 1892 war der auf dem Rittergute Brösa im Dienst befindliche 20 Jahre alte Knecht Johann Karl Ernst Scupin im Auftrage des auf gedachtem Rittcrgute angestrllten Oeco- nomieverwalters Arthur Maune mit Dünger abladen auf einem NittergntSfclde beschäftigt und da Scupin diese Arbeit auffallend langsam verrichtete und vom Verwalter Maune veranlaßt wurde, schneller zu arbeiten, entstand zwischen Beiden ein Wortwechsel, in dessen Verlauf Scupin dem Verwalter Maune mit einem in der Hand habenden Düngerhaken einen heftigen Schlag auf den Kopf und zwar an die rechte Schläsegegend versetzte. Dadurch war eine theilweise Zer trümmerung der Schädeldecke erfolgt und infolge dessen am darauffolgenden Tage der Tod Maune's eingetreten. In der an demselben Tage abge- haltenen Hauptverhandlung wurde der Angeklagte, nachdem die Geschwornen die auf Todtschlag ge richtete Schuldfrage verneint hatten, wegen Körperverletzung mit tödtlichem Erfolge zu 3 Jahren 6 Monaten Gesängnißstrase verurtheilt. — Im Laufe des Jahres 1892 haben in der Gegend von NiederknnnerSdorf bei Löbau eine größere Anzahl Schadenfeuer, welche unzweifel haft von ruchloser Hand angelegt waren, Schrecken und Furcht unter den Bewohnern ver breitet und erst Ende September, nachdem ver schiedene Personen unschuldig in Verdacht ge kommen Ware«!, gelang eS, die Urheber der Brand stiftungen in den Personen der Dienstknechte Johann Heinrich Kujau aus Colm und Jofef