Volltext Seite (XML)
,IM eine Darlegung der Geschichte der Schule zu geben. AuS Leipzig schreibt man der „Rhein.- Wcstf. Ztg.": Unser ausgezeichneter Pandektist Professor Windscheid ist anläßlich der Ausstellung des heiligen Rockes zu Trier zum Protenstan- tiSmuS übergetreten. Der Glaubenswechsel erregt ,m> so größeres Aussehen, als Prof. Windscheid <ms einer sehr streng katholischen rheinischen Familie stammt. Er ist geborener Düsseldorfer. Einen unerwarteten AuSgang hat für den Münchner Bankier Weil ein Prozeß genommen. Er hatte eine sog. LooSgesellschaft gegründet nnd der „Leipziger Gerichtszeitung", die das Unter nehmen kritisirte, eine beleidigende Postkarte ge sandt, außerdem aber noch auf Schadenersatz geklagt, als daS Blatt die Beleidigungen sich nicht bieten lassen wollte. Vor Gericht wurde scstgcstellt, daß die Kritik sehr gerechtfertigt ge wesen sei, denn fast alle Gewinne gelangen erst in der Mitte des nächsten Jahrhunderts zur Ausspielung. Weil wurde zu 14 Tagen Ge- sängniß verurtheilt, die „Gerichtszeitung" dagegen freigesprochen. Eins der beliebtesten Wahrzeichen der Stadt Zwickau, der vielbesuchte Schwanenteich, wird in nicht zu ferner Zeit verschwinden. Unter dem selben, werden gegenwärtig Kohlen gefördert, so daß die ganze Gegend zu Bruche gehen muß. Schon jetzt kann man den Zufluß nur mit der größten Anstrengung erhalten, weil sich dieser Thcil schon um einen Meter gesenkt hat. Ende vorigen Jahres waren im Steinkohlen revier Zwickau 69 Schächte mit 17,646,66 Meter Gesammttcufe vorhanden. Die tiefsten Schächte des ganzen Kohlenbeckens besitzt der Zwickauer Brückcnberg - Steinkohlenbauverein, nämlich Einigkeitsschacht 730 Meter Teufe, Schacht II 711, Schacht HI 705,14 Meter. 17 Schächte haben je weniger als 100 Meter Teufe. Maschineuanlagen sind 268 mit 11,698,5 Pscrdekräftcn vorhanden. Die mittlere tägliche Belegschaft betrug 9967 Leute und 320 Beamte: der Gesammtverdienst der Arbeiter 10,274,884 Mark oder 1013 Mark 70 Pf. Dnrchschnitts- lohn pro Mann; die Ausbeute an Kohlen 2,254,029,667 Kilogramm; der Werth der ge förderten Kohle 22,436,905 Mark 74 Pf. Kux scheine wurden 11,152 ausgestellt, tödtliche Ver unglückungen kamen 14 vor. Der Kohlenversandt erfolgte nach 890 Stationen sächsischer und fremder Eisenbahnen. Zwickau, 23. September. In den letzten Wochen wurden auf Hartmannsdorfer StaatS- forstrevier 781 Stück Stangenklötzer im Werthe von 300 Mark gestohlen. Das Holz wurde mit Fuhrwerk nach und nach Nachts ab gefahren. Gestern ist es nun gelungen, die Diebe in zwei hiesigen Einwohnern, einem Fuhr werksbesitzer und dessen Stiefsohn, zu ermitteln. Berlin, 23. September. Dem Vernehmen nach wird die kaiserliche Familie zu Anfang deö nächsten Monats wieder im Neuen Palais bei Potsdam vollzählig vereint sein. Die Kaiserin Irifft Ende dieses Monats von Schloß WilhelmS- höhe wieder im Neuen Palais ein. — Aus allen Theilcn Deutschlands, insbesondere aus den größeren Städten, liegen telegraphische Berichte vor über die festliche Begehung der 100. Wieder kehr deS Geburtstages Theodor Körners. In den höheren Schulen Berlins wurde heute die letzte Unterrichtsstunde dem Gedächtniß Theodor Körners gewidmet. Auch in den niederen Schulen wurden die Kinder an den Gedenktag in geeigneter Weise erinnert. Berlin, 22. September. Die Entscheidung über die Aufhebung des Paßzwanges erfolgte Montag Mittag. Der Reichskanzler fuhr dem Kaiser, der sich auf der Reise nach Stettin be fand, und dabei die Stadtbahn passirte, entgegen, um den Kaiser Vortrag zu halten. Der Monarch crtheilte unverzüglich seine Genehmigung zur Auf hebung deS PaßzwangeS. Der Sarkophag Kaiser Friedrichs ist am Dienstag aus Italien in Berlin eingetrofsen und ist in das Atelier des Prof. Begas überführt worden. Er ist aus karrarischem Marmor und ca. 200 Zentner schwer. Ausgeführt ist er von der italienischen Firma Vanelli L Komp. Berlin, 24. September. Zu den Erörte rungen in der Presse über die verstärkte Aus hebung für das deutsche Heer und die gleich zeitige Einführung der zweijährigen Dienstzeit bemerkt die „Nat.-Ztg.", daß ihr versichert wird, die Regierung stehe der Anregung dieses Themas fern. — Von dem Resultat der Artillerie bei einem Manöver bei Jüterbogk wird es abhäiigcn, in welcher Art die Erweiterungen und Ver änderungen der deutschen Artillerie stattfindcn werden. Die Neuorganisation der Artillerie er folgt auf alle Fälle und der Reichstag wird sich in der nächsten Session mit dieser Frage und ihrer finanziellen Wirkung beschäftigen müssen. Die „Hamb. Nachr." bringen eine sehr ener gische Verwahrung gegen den Trunksuchts- Gesetzentwurf. Der Verfasser sagt u. A.: „Wir erlauben uns, den Beschluß des Juristen- tageS trotz des offiziösen AnathemS verständig zu finden, erstens, weil er die Bedürfnißsrage in dem von der Vorlage angenommenen Umfange, sowie das Prinzip der Bestrafung der Trunken heit als solcher überhaupt verneint.... Völlig unverständlich ist es uns, woher die Vertheidiger der Trunksuchtsvorlage das Material zu ihrer Behauptung nehmen, daß die Trunksucht in Deutschland zur nationalen Kalamität geworden sei und daß deshalb gesetzlich dagegen eingeschritten werden müsse... Wir halten es auch für eine bloße Phrase, wenn für die jetzige TrunksuchtS- Vorlage, soweit sie über die Bekämpfung der Schnapspest hinausgeht, der Charakter einer „eminent sozialpolitischen Maßregel" in Anspruch genommen wird, die auf dem Boden der kaiser lichen Botschaft vom 17. November 1881 stehe. Was hat es mit der sozialen Frage zu thun, ob in Deutschland künftig Jemand, der einmal über den Durst getrunken hat, von Denunzianten vor den Strafrichter gezogen werden kann? . . Wir halten die Vorschläge deS Entwurfs, soweit sie über das von uns als berechtigt anerkannte Maß hinausgehen, für lästige und unberechtigte Eingriffe in daS freie Selbstbestimmungsrecht deS Einzelnen, wogegen nach dem Grundsätze prinoipiw odstu nicht energisch genug Abwehr geübt werden kann Vor Allem spricht gegen den Entwurf, daß ihm nicht Der jenige zum Opfer fallen würde, der zu viel trinkt, sondern Der, der zu wenig vertragen kann. Es würde nicht das übermäßige Trinken, sondern der Man gel an Widerstandskraft gegen den Alko hol bestraft werden. Der Unsinn liegt auf der Hand. Unseres Erachtens wäre es gerathen, die Vorlage zurückzuziehen; auf An nahme hat sie doch nicht zu rechnen." Halle, 22. September. Heute fanden ScktionSsitzungen der Versammlung der Natur forscher und Aerzte statt. Die Abtheilung für innere Medizin beschäftigte sich mit der Koch'schen Behandlung der Tuberkulose. Der Vortragende, SanitätSrath Aufrecht (Magdeburg), faßte das Urtheil dahin zusammen, das Tuberkulin sei ein unschätzbares Hilfsmittel, das in frischen Fällen und bei leichten Erkrankungen mit großen Kavernen eine Verlängerung der Lebensdauer gewähre. Gehcimrath Professor Weber erkennt an, daß Tuberkulin bei vorsichtiger Dosirung in leichteren Fällen Erfolg habe. Im übrigen warte er weitere Forschungen Kochs ab. — Heute Abend giebt die Stadt den Mitgliedern der Versammlung ein Fest. — 23. Sept. In der heutigen zweiten allge meinen Sitzung sprach Professor vr. Kraus (Halle) über „Die Bevölkerung Europas mit fremden Pflanzen" und Professor vr. Ebstein (Göttingen) über „Die Kunst, daS menschliche Leben zu verlängern." An die Vorträge schloß sich die Berathung der Statuten. Am Nach mittage wird im StadtschützenhauS ein Festmahl veranstaltet, an welchem 1230 Mitglieder der Versammlung und 330 Damen theilnehmen. — Die Natursorscherveriammlung wählte Nürnberg zum nächsten Versammlungsort. Zur Befestigung Helgolands wird aus Kuxhaven 22. September geschrieben: Auf Helgo land sind jetzt vier Krupp'sche 15 Ctm.-Kanonen gelandet, die, sobald der Tunnel vom Unterland nach dem Oberland fertig ist, in die währenddes Sommers gebaute Batterie gestellt werden sollen. An einer Stelle der Küste wird eine Hasenmole gebaut werden, um den Kriegsschiffen einen An legeplatz zu schaffen. AuS Hamburg, 23. September, meldet ein Telegramm des „Herold": Die von der deutschen Regierung in Amerika bestellten 112 Schiffs ladungen Fichtenholz zu Eisenbahnschwellen werden über Hamburg eingeführt. — Die Zahl der ein treffenden Korndampser steigt rapide. Im hiesigen Hafen ankern über 80 derselben. ES fehlt an Löschmannschaften. (Der Schutz der deutschen Grenze in einem Kriege mit Rußland.) Ein Ingenieur Keil aus Breslau theilt der „Köln. Ztg." ein Schreiben deS verstorbenen Feldmarschalls Grasen Moltke mit, welcher unterm 31. August 1889 auf die Befürchtung, daß im Kriegsfälle das oberschlesische Kohlenrevier mangelhaft gedeckt sei, antwortete: „Ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß alle Schädigungen, welche unseren Grenzbezirken bei plötzlichem AnSbruch eines Krieges drohen, auf'S Sorgfältigste erwogen und die Maßregeln zur möglichen Abwendung ge troffen sind. Uebrigens dürfte der Einbruch feindlicher Reiterschaaren mehr auf Erschwerniß unserer Mobilmachung nnd vor Allem auf Plünderung gerichtet sein als auf Zerstörungen, die ihnen einen direkten Nutzen nicht bieten." Die Komplettirung der durch den Untergang der Expedition von Zelewski sehr geschwächten deutschen ostafrikanischen Schutztruppe wird un verzüglich vorgenommen, und soll vr. Bumiller, Major von Wißmann's Adjutant, in Aegypten passende Leute aussuchen. ES soll richtig sein, daß unter den im Laufe dieses Jahres Neuan geworbenen sich viel minderwerthiges Material befunden hat. Darauf ist auch die Niederlage ZelewSki's zweifelsohne zurückzuführcn. In der Bochumer Stempel - Affaire sind bis jetzt etwa 150 Zeugen vernommen und noch ist die Liste nicht erschöpft. Für die gegen wärtige Untersuchung kommen naturgemäß zu nächst einzig diejenigen Fälle in Betracht, welche strafrechtlich noch nicht verjährt sind. Für die „Westfälische Volkszeitung" des Herrn Fusangel kann der Ausgang der gegenwärtigen Unter suchung gegen Rosendahl und Genossen im Grunde genommen ziemlich gleichgiltig sein. Ist dieselbe erledigt, dann nimmt der aufgeschobene Prozeß gegen die beiden Redakteure der „Volkszeitung" seinen Fortgang, und da kommt es ja ohne Rücksicht auf die strafrechtliche Seite einzig darauf an, zu beweisen, daß die dem Bochumer Vereine zugeschriebenen Manipulationen seit Jahren systematisch und unter Vorwissen der Oberleitung betrieben worden sind. Erst bei dieser Gelegen heit dürste, so schreibt die „Köln. Volkszeitung", das gesammte Beweismaterial frei und rücksicht los verwendet werden. Es ist nothwendig, dieses festzustellen, um so mehr, als ja Herr FuSangel und seine Vertheidiger er siet« bedauert haben, daß die strafrechtliche Untersuchung gegen den Bochumer Verein seinem Prozesse vorhergegangen ist. Hätten die Dinge sich in umgekehrter Ord nung abgespielt, dann wäre die ganze Angelegen heit heute vielleicht bereit« erledigt. — Unter der Überschrift „Vom Kapitel FuSangel" brachte die „Rheinisch-Westfälische Zeitung" in der Nr. 260 einen Artikel, welcher unter anderen falschen Behauptungen auch die aufstellt, daß die Ein leitung einer Klage feilens des Generaldirektors der Westfälischen Stahlwerke gegen die genannte Zeitung eine „blanke Erfindung" sei. Demgegen über steht die authentische Mittheilung, daß be reits am 8. September durch den Rechtsanwalt Herrn Altenberg in Essen gegen die „ Rheinisch - Westsäl. Ztg." Strafantrag gestellt worden ist. Schweiz. Bern, 22. September. Um dem schweizer Landsturm eine kriegsrechtliche Behandlung zu sichern, hatte die Bundesversammlung vor einigen Jahren beschlossen, denselben durch gleichmäßige Kapuzen und Hüte einheitlich auSzurüsten. Nun mehr gedenkt daS Militärdepartement den Land sturm (200,000 Mann) vollständig auSzurüsten, wodurch derselbe eine Art Reservearmee würde. D ä n e m a r k. Kopenhagen, 24. September. Wie aus FredenSborg verlautet, wird der Kaiser von Rußland bereits morgen die Rückreise nach Rußland bez. direkt nach Moskau antreten. Frankreich. Paris, 22. September. Di» Abendblätter besprechen die Meldung über die Aufhebung des Paßzwanges sehr günstig. Der „TempS" sagt, die angekündigte Maßnahme sei nicht nur friedlich, sondern auch friedenstiftend; daS Aufhebungsdekret werde in Frankreich eine dem Geiste, welchem es entsprungen, konforme Ausnahme finden. Kein triftiger Grund liege vor, um nicht mit Freude eine solche Meldung in den Beziehungen beider großer Völker zu verzeichnen. Aehnlich äußert sich die „LibertL". — Der Botschafter Herbette ist hier eingetroffen. Rußland. St. Petersburg, 24. September. Ihre kaiserliche Hoheit die Großfürstin Alexandra ist heute früh 3 Uhr in Jlinskoie bei Moskau verschieden. Die Großfürstin Alexandra Georg- iewna, Prinzessin von Griechenland, ist am 30./18. August 1870 geboren und war vermählt mit dem Großfürsten Paul seit dem Jahre 1889. Wie die „Nowoje Wremja" meldet, werde dem russischen ReichSrath demnächst eine Vorlage des Ministers des Innern über die Judensrage zugehen. Die Vorlage basire auf dem Material, welches durch die Konferenz der Generalgouverneure von Wilna, Warschau und Kiew,, sowie andere Funktionäre unter dem Vor-