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77 des säW , den S«. September I8V1. Fremdes Eigenthum. Es muß Einer schon ziemlich tief herunter gekommen sein, wenn's ihn nicht mehr rührt, daß man von ihm sagen kann, er habe sich an fremdem Eigenthum vergriffen. Manche ertragen lieber die bitterste Noth, um nur ihren ehrlichen Namen zu retten, und zum ehrlichen Namen gehört zu allererst dies, daß man zwischen Mein und Dein streng scheidet und den Nächsten in seinem Gute nicht schädigt. Freilich gilt der Ausspruch: Wer mein Gut nimmt, der nimmt wenig; wer mein Leben nimmt, der nimmt mehr; wer meine Ehre schädigt, der nimmt Alles; und so sind der Verleumder und der Todtschläger auch schlimmer als der Dieb, während die Diebe, allein die ge richtlich überführten, viel häufiger sind als jene. WaS Eigenthum ist, begreift aber der Mensch sehr leicht und sehr früh. Das kann man in jeder Kinderstube sehen. Schon das drei- oder vierjährige Kind ist überzeugt, daß die Geschwister nicht seinen Apfel essen, nicht mit seinen Spiel sachen spielen, nicht auf seinem Stuhle sitzen dürfen, wenn es nicht Erlaubniß dazu gegeben tz»t, und es fühlt sich in seinem Gerechtigkeitssinn gekränkt, wenn die Eltern ihm einmal diese Er- laubniß über dem Kopse wegnehmen. Das gehört mit zu dem Triebe der Selbsterhaltung, ohne welchen das Menschengeschlecht längst von der Erde verschwunden wäre, und der nicht blos un ausrottbar, sondern an sich auch gar nicht ver-. werflich ist. Weil aber kein Mensch auf Erden allein fertig werden kann, so muß dieser Trieb in Schranken gehalten werden, denn das Zu sammenleben ist unmöglich, wenn Einer sich aus Kosten des Anderen behaupten will. Mach' Deinem Kinde nicht weiß, sein Recht sei kein Recht, damit verwirrst Du es nur. Aber mach' ihm ernstlich begreiflich, daß was dem Einen recht, dem Anderen billig ist, daß es von den Anderen nichts fordern und nichts erwarten darf, ivaS eS ihnen nicht auch leisten will. Und dann zeige eS ihm durch Dein Beispiel und gewöhne eS an den Gedanken, daß die Liebe nicht auS- rechnct, was sie von Anderen erwarten und ver langen kann, sondern was sie ihnen bjeten und gewähr» tun«. -v>u yasl rein Recht, m,t Bruders Sacken umzugehen, wie Du nicht möchtest, daß er mit den Deinen umginge: das ist der einfache Anfang, den auch schon das kleine Kind begreift. Geh' mit ihnen um, wie Du möchtest, daß er mit den Deinen umginge: das ist die zweite Stufe, zu der wir nicht Alle gleich schnell und vollkommen hinaufklettern, die aber doch von Vielen erreicht werden muß, wenn die Gemeinschaft, sei eS die Familie, sei es daS Volk, Bestand haben soll. In der Familie, wenn sie überhaupt zusammen hält, schlichten sich diese Fragen von Mein und Dein unter den Geschwistern nicht schwer. Die Kinder verstehen ganz gut, daß ihr kleines Eigen- thum, so lange sie Kinder sind, im Grunde Eigenthum der Eltern ist, die das unstreitbare Recht haben, ihnen zu nehmen und zu geben. Aber schon, wenn zwei Familien nahe zusammen wohnen, und sie sind nicht von dem Gedanken durchdrungen, daß ihr Eigenthum eigentlich das ihres himmlischen Vaters ist, der das oberste Recht daran hat und nach seiner Güte und Weisheit giebt und nimmt, dann bleiben gewöhn lich Zusammenstöße nicht aus, weil jene beiden einfachen Sätze nicht beachtet werden. So können Nachbarn dahin kommen, daß sie einander soviel Acrger und Schaden zusügen, wie nur irgend möglich ist, und schaffen sich damit eine Hölle auf Erden, in der sie selber von Tag zu Tag schlechter werden. Vielleicht fängt eS mit einer kleinen Unachtsamkeit an, die gar nicht böse ge meint war. DaS ruft von der anderen Seite statt eines freundlichen Hinweises, der Alles in's Gleiche bringen würde, eine absichtliche Wider vergeltung hervor, aus den leichten Schlag den heftigen Gegenschlag, und dann ist der Krieg da, , bei dem Beide Unrecht haben und Beide sich vom Bösen überwinden lassen , statt eS mit Gutem zu überwinden. Aber wir kommen Alle auch täglich in Be rührung mit fremdem Eigenthum, dessen Besitzer nicht gleich zur Stelle ist, um sein Recht noth- ' falls zu wahren, und da muß in unserem Volks leben wieder Vieles besser werden, wenn uns der alte Ruhm der deutschen Treue nicht abhanden kommen soll. Wir wohnen zumeist in gemietheten Häusern. Ein ehrlicher Miether ist noch nicht der, der seineü MiethzinS pünktlich am bestimmten Tage entrichtet, sondern derjenige, der in den ^gemietheten Räumen wirthschaftet, als wenn sie seine eigenen wären, oder, um es noch deutlicher zu machen, wie er wünschen müßte, daß seine Miether thäten, wenn er zufällig Hausbesitzer wäre. Wer im Einzelnen die Kosten der Wohnungsbesserung tragen soll, darüber muß man sich vorher vereinbaren, und selbst dann werden die Wünsche der Miether gewöhnlich etwas weiter gehen, als die Bereitwilligkeit des Hauswirths. Aber auch ein guter Hauswirth wird wenig Lust haben, für die Wohnung etwas zu thun, wenn er sieht, das der Miether durch Nachlässigkeit oder gar aus Muthwillen sein Eigenthum schädigt und mehr abnutzt als nöthig wäre. Wie lange der Oelanstrich und der Kalk bewurf anständig bleiben, wie lange das Holz- und Mauerwerk hält, wie lange Oefen und Herde brauchbar bleiben: das kommt bei gleich guter baulicher Beschaffenheit auf die Art an, wie man damit umgeht. Ebenso wie Miether haben Dienstboten und die meisten Arbeiter fortwährend mit fremdem Eigenthum zu thun. Gegen grobe Veruntreuungen schützt das Gesetz; es sind aber von da bis zur treuen zuverlässigen Verwaltung fremden Gutes noch manche Stufe, und mancher Dienstherr, mancher Arbeitgeber wird nach und nach um große Summen geschädigt, ohne daß er daS Gesetz da gegen anrufen könnte. In der Hand eines guten Arbeiters hält das gute Werkzeug noch einmal so lange. Er stellt aus den ihm anvertrauten Stoffen mit möglichst wenig Abfall das her, was darin steckt; er vergeudet auch nicht die Zeit, die er in den Dienst eines Anderen gestellt hat. Wieviel Feuer und Licht vermag ein nachlässiger Dienstbote zu verschwenden, ohne selber etwas davon zu haben, als daß er sich ein wenig Be sonnenheit und Mühe erspart! Wie manches Mädchen könnte nachher als Frau dankbar sein, wenn sie für sich und die Ihrigen die noch eß baren Speisereste hätte, die sie weggeschüttet hat oder die durch ihre Nachlässigkeit verdorben sind, wenn sie mit dem Holz und Kohlen einheizen könnte, die sie ganz ohne Noth verbrannt! Endlich kommen,'wir Alle, die wir nicht in der Wüste leben, tagtäglich in Berührung mit dem Eigenthum ganz fremder «--^,, selbst achtet und greisere Menschen seine Bürger sind, in desto besserer Hut steht all solches Eigen thum, desto weniger hat es polizeilichen Schutz nöthig. Je häufiger fahrlässige und muthwillige Beschädigungen desselben vorkommen, desto unreifer ist das Volk als solches, desto "weniger im Stande, sich selbst zu regieren. In einer Reise beschreibung aus Argentinien in Südamerika habe ich dieser Tage gelesen, daß dort in den Personenwagen der Eisenbahn keine Vorhänge vor den Fenstern sind, so sehr auch der hohe Sonnenstand die Reisenden belästigt: man bringt keine an, weil die Passagiere sie abreißen und mitgehen heißen würden! Wir wundern uns nicht, daß die Republiken, deren Bürger sittlich so unreife Menschen sind, einen Krach und eine Revolution nach der anderen erleben. Doch aber haben wir keinen Grund, uns für sehr viel besser zu halten, denn die vielen Bessergesinnten bei uns sind noch immer nicht zahlreich und stark genug, um deu Störenfrieden und Radaumachern das Handwerk zu legen. Wie oft sieht man frisch gestrichene oder beworfene Wände, die mit Kohle und Kreide verunziert sind! Wie unmöglich scheint eS, mitten in unseren volkreichen und gut bewachten Städten, daß ein unbewohntes Ge bäude heile ^Fensterscheiben behalte! Wie manches mühsam gepflanzte, zur Freude und zum Nutzen Aller bestimmte Bäumchen wird von frevelhafter Hand beschädigt, aus reiner Lust am Unheil stiften! Wem die meisten von solchen und anderen muthwilligeu Schädigungen fremden EigenthumS zur Last fallen, ist bekannt genug: eS sind die unreifen Burschen aller Stände. Aber eben weil man dies weiß, und weil ihre Zügellosigkeit auch bei so vielen anderen Gelegenheiten erschreckend zu Tage tritt, sollten doch alle vernünftigen Leute, die mit solchen zu thun haben, darüber nachdenken und berathen, wie die jugendlich über schäumende Kraft auf bessere Dinge gelenkt, und das Uebermaß von Freiheit, das sie noch nicht tragen können, auf das rechte Maß eingeschränkt werde. (Deutsche Arbeit.-Ztg.) Sachsen. Umschau in der sächs.-preuß. Lausitz und dem Meißner Hochland, 24. Septbr. Der 61jährige Weber Christoph in Eibau fiel von einem Aepfelbaume und brach beide Beine. — Der 23jährige Knecht Gustav Richter aus Schönbach, im Dienste zu FriederSdorf, kam beim Absturz vom Wagen in's Rad und wurde lebensgefährlich beschädigt. — Die Frau des Hoteliers Knobloch in Ostritz glitt aus und brach ein Bein. — Mehrfache Verletzungen er^ hielten: Steinbrecher Richter aus RcnnerSdorf und ein Arbeiter in der Jutespinnerei zu Ostritz. — Der gräflich von Einsiedel'sche Kutscher in Mittel wurde bei einer Schlägerei durch einen böhmischen Arbeiter erstochen. — Für LebenS- rettung eines Knaben wurde dem Tagearbeiter Uhlemann zu Hohnstein eine Prämie von 30 Mark und dem Mühlenbesitzer Rußig für ähn liche menschenfreundliche Dienste lobende Aner kennung zu Theil. — Die neuen Glocken für die katholische Kirche zu Sebnitz, die in der Bierling'schen Gießerei in Dresden vollendet und am 21. d. geweiht wurden, wurden am 24. d. feierlich eingeholt und aufgezogen. — Der Ge- birgsvereinSverband „Lusatia" machte am 20. d., zirka 150 Personen stark, eine Exkursion nach Herrnhut und Umgegend. — Der Hausbesitzer und Kramer Hänsel in Eibau feierte das OOjähr. Ehejubiläum. — Dem scheidenden Nealschul- direktor vr. Prietzel in Löbau wurde von dank baren Schülern und Bewohnern Löbau's ein Ehrenabschiedsfest bereitet. <A Dresden, 22. September. Die heutige Vorfeier zum 100jährigen Geburtstage des be rühmten Dresdners Theodor Körner nahm einen nach jeder Richtung hin weihevollen, groß artigen Verlauf. DaS kgl. Hoftheater, in dem Körners „Zriny" zur Aufführung gelangte, war glänzend gefüllt. Allgemeiner war die Ausfüh rung des großartigen abendlichen FackelzugeS, den 600 Sänger und Lampionträger der Vereine des Elbgausängerbundes und des Julius Otto- Bundes (begleitet von Feuerwehrleuten, welche Pech- und Wachsfackeln vor und neben den beiden Musikchören auftrugen) darbrachten. Am festlich geschmückten Köruerhause in Neustadt er klangen halb 9 Uhr die Körner'schen Lieder: „Gebet" (Hör uns Allmächtiger), „Schwertlied" und „Gebet vor der Schlacht" (komponirt von Carl Mpria^v-"rMkSe- ümprache hielt der stellvertretende Vorsitzende des Julius Otto-BundeS, Kaufmann Herschel. Das weithin tönende Sanges-Echo hallte vom Japanischen Palais im PalaiSgarten in impo santer Wirkung wieder. Der Zug passirte den Kaiser Wilhelm-Platz, die Marienbrücke, die Ostraallee, den Postplatz rc. bis zum Körner- Denkmal vor dem Kreuzgymnasium auf dem Georgsplatz. Sieben mächtige Gasfackeln er leuchteten hier, auf hohen Ständern brennend, daS Säugerpodium. Auch hier wurden dieselben Gesänge ausgesührt und hielt Herr Kantor Schöne eine zündende Ansprache. Die Lieder dirigirte Musikdirektor Gustav Ehrlich. Kauf mann Arras legte am Fuße des Körnerstand- bildeS zwei große Lorbeerkränze nieder Namens der beiden heute ausgetretene» Sängerbünde und Namens der gesammten deutschen Sängerschaft im Auftrage von deren Gesammtausschuß. Das öffentliche Fest war von gutem Wetter begünstigt und fand gegen 10 Uhr sein Ende. Viele Häuser hatten illuminirt. Tausende und Tausende von zuschauenden Einwohnern rahmten die Wege des Lampionzuges ein. Ä Dresden, 23. September. Durchaus programmgemäß nahmen sowohl gestern als auch heute bei hübschem Wetter die Erinnerungsfeicr- lichkeitcn zu Ehren des 100jährigen Geburts tages Theodor Körners ihren Verlauf. Sehr stark besucht war die große Festlichkeit der Stadt im Gewerbehause, ebenso an demselben Orte die Festlichkeit der literarischen, akademischen und Kunst-Vereine. Erstere fand Mittags, Letztere Abends statt. Der Nachmittag brachte die Ge sangsaufführung des Dresdner Lehrergesangvereins auf dem Georgplatze am Körner-Denkmal. ES wurden von deu 50 bis 60 Herren unter Leitung des Professor Wermann sechs Gesänge aus der Liedersolge „Leyer und Schwert" (Kompositionen von C. M. von Weber) vortrefflich gesungen. Dem weiten offenen Raum angemessen wirkten die Chöre allerdings nur schwach. Am Denkmal legten durch Abgeordnete oder Vertreter Lorbeer kränze nieder: der Dramatische Verein Braun schweig, der Dresdner Lehrergesangverein, Sach sens Militärvereinsbund, die freie Vereinigung Kampfgenossen von 1870/71, der Dresdner Turngau, die Studirenden der Bergakademie Freiberg. Auch mehrere Private legten Kränze nieder. Dem Direktor des Körnermuseums, Hofrath vr. Peschel, wurde von Sr. kgl. Hoheit