Volltext Seite (XML)
Der K a l o n. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1840. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 14. Februar IS40. Hier in unsrer empfindlichen und empfindsamen Modenwclt herrscht großes Aergerniß darüber, daß die Königin und Braut Victoria zu Honilon die Spitzcnmustcr zu ihrem Hochzeitskleide in einem großen Autodafä geopfert hat. „Da stehl man," brüllen unsere Löwinnen mit so feiner Stimme als ihnen mög lich,'„da sieht man, wie weit die egoistische Eifersucht John Bulls geht, selbst ihre Königin gönnt den Damen des allürten Volkes die Freude nicht, englische Spitzen an ihren Kleidern zu tragen; daher ä bas lus Anplais! ä bas lour rlontoll«»!" Man hat sich vorgcnommcn, großartige Repressalien zu nehmen. Alics was englischer Mode ähnlich sieht, und wäre es nur die Fassung einer Haarnadel, ist bei Strafe der Modcacht und der allgemeinen Verneinung verpönt und verboten. Plötzlich ver schwinden von allen Boulevards und den vois -I« llouluxn« (obgleich auch das Regenwetter daran Schuld sein kann) die englischen Damenrcitröckc, englische Camisols und englische Ga maschen und englische Spenzer l So Hakes das beleidigte Natio nalgefühl der schmollenden Pariserinnen beschlossen. Ob nicht den Beschluß das nächste linde Märzlüflchen umweht oder der Strahl der schmeichelnden falschen Aprilsonne vernichtet, darü ber wollen wir uns aus Bescheidenheit kein skeptisches Achsel zucken erlauben. — — — In einer Soiree bei der Gräfin Chambouillon (Faubourg St. Germain an der sogenannten Schönheitsecke) bemerkte ich unlängst, und ich muß gestehen zu meinem größ ten Entzücken, da ich Sie doch so dringend in meinem vorigen Berichte auf die kleinen Hüte aufmerksam machte, — einen derartigen kleinen Hut von solcher Schönheit und so zauberischer Anmuth, daß er mir gar nicht aus dem Sinne gehen will, ja daß ich mit Gretchen singen könnte-. Mein armer Sinn ist mir verrückt. Mein armes Herz ist mir zerstückt. Doch ich will mich zu fassen suchen und Ihnen den Hut selbst schildern: Derselbe war aus blauem Sammet gefertigt, mit rosenro- thcm Atlas doublirt und der zwar sehr kleine Schirm in einer anmuthigen Wellenlinie über der Stirn etwas versteigend. Das Band an demselben war von milchweißer Farbe und die Schleife unter dem Kinn ä la Naclwl gebunden. Auf der linken Seite wogte eine kleine weiße Feder herab, die beim N.igen und Beugen besondcrn melodramatischen Effect hervor brachte. Nun denken Sie sich, welche Nationalbegeisterung ein so charmantes tricolorcs Hütchen in einem brillanten Pariser Salon hervorbringen mußte. — Die Gräfin Laure de Berlinon trug auf dem Balle des Marquis Croix eine Robe von so ausgezeichneter Eleganz, daß alle Feuilletons davon erfüllt sind. Sie war aus silber grauem Satin mit vier prachtvollen Volans aus selbigem Stoffe, deren Ränder mit weißem Schnürwerk verziert waren und sich in leichten Falten nach oben verliefen. Das Leibchen war vorn ein wenig gefältet, auf dem Rücken ganz glatt. Die Aermel weit aufgeschlitzt, wobei die feinsten Spitzenmanschetten lüstern hervorlugten und mit den orangenfarbigen Handschuhen über den niedlichsten Fingern einen reizenden Contrast bildeten. Der Gürtel war schärpcnartig aus mehrfach in einander verschlun genen Perlcnreihen gewirkt; der Grund von blauer Farbe; die Ränder des Gürtels mit rosenfarbigen schmalen Schnürchen ü la Oarcia eingefaßt. — — Das Departement der Männermoben hat zwar nur wenige, aber sehr interessante Neuigkeiten aufzuweisen. Die Löwen aus der Rue St. Honore, besonders diejenigen, die der einst eine -parlamentarische Rolle zu spielen gedenken, haben eine abscheuliche, wahrhaft unästhetische Mode adoptirt. Denken Sie sich, diese jungen Herren, die sich für Franzosen, für Kin der des civilisirtcstcn Volkes auf Erden gehalten wissen wollen, diese jungen Stutzer tragen — Juchtcnstiefeln. Zugegeben, daß die Juchten vom feinsten purpurrothcn russischen Leder sind, zugegeben, daß man aus diesem nordischen Produkt die Absicht herausricchen kann, mit der englischen Allianz zu schmol len, so ist es doch ein gar zu schrecklicher Gedanke, einer sol chen diplomatischen Laune den ächten französischen Geschmack zu opfern. Diese Stiefeln gehen übrigens bis fast an die Knie, sind an den Seiten mit schwarzen Schnüren eingefaßt und mögen gegen den boshaften Koth, der unsere Straßen überschwemmt, sehr gute Dienste leisten. Au diesen Stiefeln gehört nothwcndig ein schwarzer Paletot mit Sammetbesatz und zwei Reihen großer Seidenschnürknöpfe auf dem Brust- thcile und ein etwas niedriger Hut mit breiten Krämpen. Die Schnalle des Hutbandes ist wo möglich aus Brillanten, wo nicht möglich, aus Glaskorallen. — — Die bejahrteren unter diesen Dandies tragen beim Thea terbesuch ein großes aber zierliches Bambusrohr, dessen Knopf aus Pcrlenmutter besteht und einen geschickt angebrachten Operngucker enthält. Unter dieser Lorgnette befindet sich eine kleine Pfeife. Ebenso ist das untere Ende des Stockes stark mit Metall, Gold, Silber oder Eisen beschlagen, um auf das Klopsen einen größern Nachdruck zu legen. In Eile u. s. w. Ihre -c. Melanie. l'- 8. Eben wollte ich den Brief schließen, als mir noch eine Neuigkeit zu Ohren kam, der Secretair der russischen Ge- sandschafk trägt von heute an eine Hutschnalle aus dem fein sten russischen Platina. — Hoffentlich werden die Dandies die sem edlen Beispiele Folge leisten.