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^19 Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von E. P. Melzer in Leipzig. 1840 Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den SO. April 1840. In den acht Tagen, die seit meinem letzten Berichte ver flossen sind, hat sich im Bereiche der Mode sehr vieles und auf eine höchst vortheilhafte Weise verändert. Wie könnte das aber auch anders der Fall sein? Ist denn Stillstand nicht Rück gang in allen Verhältnissen des Lebens, und bietet unsere Haupt stadt nicht seit je die lebhafteste Antipathie gegen Still- oder Ruhestände dar? Daher, eben weil daselbst gar keine Stille oder Gleichgültigkeit oder ein Einerlei möglich ist, wird die Mode, diese bunkflatternde Lebcnswimpel der Eitelkeit und des oberflächlichsten Gcnußthumcs bei uns Franzosen, oder besser Pariser mit solchem durchdrungenen und harmonischen Enthu siasmus ausgenommen, befördert und anwerbend verbreitet. Seht, da ist nun wieder der holde Lenz erschienen und die Phantasie läßt neben der Wirklichkeit auch ihre Blumen sich gesi-lltcn und erblühen. Ich berichte Ihnen zuerst über eine glänzende Asscmblve bei der Marquise Sa vorn). Die Dame des Hauses trug eine köstliche Rebe von Rosagazc, welche mit grünen Sternblumen in Sil- bcrfädcn durchwirkt war und an einfacher und geschmackvoller Pracht gewiß ihres Gleichen sucht. Das Leibchen dieser Robe ging etwas tief herab und war, wie ich schon häufig in jüng ster Zeit bemerkte, mit ächten Brüsseler gelbangcflogcncn Kan ten besetzt. Die Aermel zeigten hoch oben Buffen oder Bau schen, die aus zierlichen krausen Falten bestanden. Dann wa ren an diesem Kleidungsstücke noch die dreifachen Volants be merkenswert!), weil sie aus Seidenbarben bestanden, welche am Ende hochroth, jedoch nur leise, punktirt waren. Ich sage Ihnen, das machte einen sehr gefälligen Eindruck. — Sonst ist der Tagesbefehl auf der heutigen Modcnwacht- paradc folgendermaßen ausgcgebcn: Morgenroben. Merveillcusen; — Dagucrricnnes — Gros des Paris. — Schnitt und Fassung, Besatz und sonstige Verzierung mit den früher von mir angcdeuteten Artikeln in Nichte verändert. Promenadenncgligü. Wollen- oder Seidenstoff, Klcin- s attisch ü Norwich, Nesbhfoulard. Lillafarbene oder wciße Handschuhe. Visitenroben. Seidenstoffe, schottische Fassungen und Gewinde, oder auch arabische Dessins. Auch verfehle ich nicht, Ihnen heute schon die neuen Som- nermärael als sehr schön zu empfehlen. Der Stoff, aus dem e gefertigt werden, nennt sich Bcylerbeystoff und hat eine ollgrüne Farbe. Die Mäntel selbst sind mit Maraboutsfran- ! zen beseht. Ein solcher Mantel fällt hinten quadratförmig erst zurück und dann sind seine Ränder wieder nach oben gebogen. Auch sah ich Mäntel ganz mit diesem Schnitte und dieser Faoon in Cerise- und weißer Farbe, cs war so eine Art doub- lirlen Mousselines. Ich glaube, vorn waren letztere mehr ge faltet und der Taillcnbug mehr berücksichtigt worden. Caschenure begegnen sich jetzt schon in allen Farben und im reichsten Geschmacks auf den Boulevards und in den Thea tern. Dieser Artikel übt wirklich eine magische Kraft auf ein an Geschmack gewöhntes Fraucnauge aus. Italienische Strohhüte, in kleiner niedlicher Faoon, mit einfach zurückgeschlagrnem Spitzcnschleicr und Rosabändern aus Satin trifft man ebenfalls schon sehr zahlreich in den Sonnen beschienenen Lustwandclungcn der Hauptstadt an. Die besten liefert wohl das Modenatelier der Madame Lefai in der Richelieustraße Nr. 86. Eapoten in blauem, Ulla und grünem Erüpc, hin und wieder auch wohl in dunkeln Farben, mit kleinen Couliffen und Hellen Bändern versehen, werden auch noch recht viel getragen und sie üben allerdings einen gar ansprechenden Eindruck aus. Die Madame Lejai in der Richelieustraße Nr. 77 liefert recht kostbare und bezaubernd schöne Blumen. So hat sie in der neuesten Zeit eine Blume aus Tricolore zusammengesetzt und sie als Anspielung auf die Braut des Herzogs von Ne mours Marienblume genannt, welche durch Schönheit und bezaubernden Farbenschmelz wahrhaft überrascht. Der Stiel derselben ist grün und gelb. Die hohe Aristocratie be eilt sich ihre Toiletten und Kopstedeckniffe damit geziemender maßen zu schmücken und thut daran allerdings nicht Unrecht. Gott erhalte die Mode! Ihre Melanie. Feuilleton. Brief eines von ihrem Liebhaber verlassenen Mädchens. Sieh', mein angebetcter Geliebter, m.in Engel, mein Gut, mein Herz, mein Leben; Du, den ich vergöttere mjt allen Kräften meiner Seele; Du, meine Wonne und meine Verzweiflung, Du mein Lachen und meine Thränen, Du mein Leben und mein Tod, bis zu welchem entsetzlichen Ueber- maße Du die edlen Gefühle verkannt und verletzt hast, deren Dein Herz voll ist und vergessen die Schutzwache des Menschen, die einzige Stärke seiner Schwachheit, die einzige Waffen rüstung, den einzigen Panzer, das einzige gesenkte Visir im Kampfe des Lebens, die einzige Engelsschwinge, die uns um flattert, die einzige Tugenh, die aus den Wellen hinschreitet, wie unser Heiland, die Vorsicht, die Schwester des Unglücks u. s. w. Hoffentlich hat der Leser an diesem Anfänge genug.