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M i s c e 11 e n. Die indisch-europäische Telegraphenlinie. Das Problem einer direkten Telegraph en Verbindung zwischen Europa und Indien hat in neuester Zeit eine deutsche Firma gelöst: Gebrüder Siemens in Berlin und London, und Siemens und Halske in Berlin und Peters burg — längst bekannt schon als Erbauer der wichtigsten Staatstelegraphenlinien, besonders in Russland. Mit der Konzession aller betheiligten Regierungen bildete die Firma in London eine Aktiengesellschaft mit einem Anlagekapital von 450.000 Pfd. St. — und das Unternehmen ist glän zend geglückt. Die Linie ist: von London unterseeisch nach Emden — Berlin, Warschau, Odessa, Kertsch, Kaukasus, Tiflis, Eriwan, Dschulfa, Tauris, Teheran — und schliesst sich hier an die schon bestehende persisch-indische Telegraphen linie über Ispahan, Schiraz, Bushire, dann unterseeisch längs der Küste bis Kuradschi — Bombay — Benares — Kal kutta und Hinterindien, mit Abzweigungen nach Delhi, Madras und Galla auf Ceylon. Von Loudon bis Teharan sind es 815 deutsche Meilen. Die indische Korrespondenz wird auf der - Strecke von London nach Emden durch das der Reuter’schen Telegraphen kompagnie gehörige unterseeische Kabel, das zu diesem Zwecke gemiethet ist, vermittelt. Sodann kam die preussische Regierung dem Unternehmen auf das Bereitwilligste entgegen, indem sie gegen Zahlung einer Abgabe von 2fl. für jede Depesche sich erbot, die Linie durch das gesammte preussische Gebiet bis an den Grenzort Alexandrowa auf eigene Kosten zu erbauen. Von Alexandrowa an der preussischen bis Dschulfa an der persischen Grenze durchschneidet der indische Telegraph das russische Staatsgebiet. Diese Strecke wurde von der indisch-europäischen Gesellschaft auf eigene Kosten neu erbaut, ebenso die Strecke Dschulfa, Täbris, Teheran auf persischem Staatsgebiete. Das Unternehmen hatte mit den grössten Schwierig keiten zu kämpfen. Sehr mühsam war der Transport der in England angefertigten Materialien — dann der Bau selbst in dem oft sehr ungünstigen, zum Theil gebirgigen Terrain — besonders im Kaukasus. Die Arbeiter mussten meistens aus grossen Entfernungen herbeigeschafft werden. Die grössten Feinde der Telegraphie sind nächst Sturm, Wetter, Blitz, Schnee und Eis, das sich an die Drähte an setzt, frei herumlaufende Thiere, die sich an den Telegraphen stangen reiben und sie umwerfen. Holzpfosten haben zn wenig Widerstandskraft und sind auf sumpfigem Terrain schneller Fäulniss ausgesetzt. Dieser Uebelstand brachte die als Spezialisten in der Telegraphenbaukunst weltberühmte Firma Siemens auf die Idee, die hölzernen Telegraphen pfosten durch eiserne zu ersetzen. An eine eiserne 7 Fuss lange Gussröhre wird eine viereckige Fussplatte aus Eisen blech angeschraubt und in ein 2 Fuss 6 Zoll tiefes Loch in die Erde eingelassen und fest eingerammt. Diese Röhre wird dann erwärmt und in sie eine genau hineinpassende schmiede eiserne konische Röhre (Fig. 1) von 12 Fuss Länge einge lassen und mit Eisencement verkittet. Am oberen Ende dieser konischen Röhre ist ein 19’/ a Zoll langer Eisen stab (d) 1 ’/ 2 Zoll tief eingeschlagen. Dieser Eisenstab dient als Blitzableiter und führt den Blitzstrahl durch die eiserne Stange schnell zur Erde, ohne Isolator und Draht zu be rühren. Oben an der Stange ist der Isolator (c) ange schraubt ; er besteht aus einer porzellanenen auf den Halter aufgesteckten Glocke, auf der sich die Lagerkappe (Fig. 4) für den Draht befindet. Auf dieser wird der Draht nicht mehr wie früher durch Binden, sondern durch eine ganz neue, höchst sinnreich erdachte Vorrichtung befestigt: durch Dre hung eines kleinen Gussstücks (Fig. 2) mit excentrischer Fügung wird der Draht zwischen zwei fest auf der Lager kappe angebrachte Zapfen eingeklemmt. Diese Pfosten sind bereits auf vielen Linien in Per sien, am Kap der guten Hoffnung, in Südamerika, Indien u. s. w. mit dem besten Erfolge angewandt worden. Auf diesen Linien hat sich insbesondere auch die Vorrichtung der Blitz ableiter bewährt, denn bis jetzt hat bei denselben noch nie eine Beschädigung durch den Blitz stattgefunden. — Fig. 3 zeigt einen beweglichen Bauminsolator mit Stahlträger für Waldgegenden — 5 u. 6: in Persien angewandte Siemens’sche Patent-Isolatoren mit Gusscisenumhüllung und Stahlhaken für Eisenpfosten. Der indo-europäische Telegraph wird vorläufig mit zwei durchlaufenden Drähten von sechs Millimeter Dicke etablirt, jedoch sind an manchen Stellen bereits drei Drähte angebracht; auch haben die unterseeischen Kabel (Fig. 7 u. 8) drei Konduktoren, d. h. drei von einander durch Gummi isolirte gesponnene Kupferdrähte, die mit Hanf zweifach (das eine Mal links herum, das andere Mal rechts herum) 10*