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30 XIV. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 2. 1806/97. Industrie aus der Anlage eines Elektrizitätswerkes zweiffellos er warten können. Elektrische Stadtbahn in Berlin. Der erste Spatenstich zur elektrischen Stadtbahn der Firma Siemens und Halske ist ge- than worden. In aller Morgenfrühe ließ schon eine verdächtige Menschen-Versammlung an der Ecke der Gitschiner- und Alexan- drinen-Straße erken nen, daß hier etwas Außergewöhnliches vor sich gehen sollte. D ie bauausführende Firma Held u. Francke hatte eine : stattliche Arbeiterkolonne dorthin entsandt, welche, mit Hacke und j Spaten ausgerüstet, das große Werk beginnen sollte. Die ominöse j Baubude und Stapel'von Absteifungsmaterial, Barrieren etc. kenn- ' zeichneten die Mittelpromenade der Gitschiner Straße bereits als „Baustelle“. Nachdem der Bauleiter, Regierungs-Baumeister Klötzscher, | die Linie abgesteckt, wurden den Grundstücken Gitschinerstrasse 94, j 95 und 96 gegenüber die Baugruben für die ersten Fundamente des j Hochbahn-Viadukts ausgeschachtet. Dieselben sind durchschnittlich 3,5 Meter tief, 3 Meter lang und 2,60 Meter breit; jedes Fundament enthält etwa 10 Kubikmeter Mauerwerk, welches durchweg in Cement gemauert wird. Nach Fertigstellung der Fundamente, die, paarweise je 3 ‘/ 2 Meter von einander entfernt, in Abständen von 16,50 Metern vorgesehen sind, bleiben dieselben, vom Boden bedeckt, den Winter über liegen, um sich gehörig zu „setzen“; dann erst werden die Säulen für die Viaduktträger auf die oberen Werksteinplatten der Funda mente aufgebracht. Die Ausschachtungsarbeiten gehen so flott von Statten, daß mit den Maurerarbeiten voraussichtlich sehr bald wird begonnen werden können. Durch eine nötig gewordene gering fügige Verschiebung der Haltestelle „Prinzenstraße“ wird die Ent fernung von vier Masten der elektrischen Straßenbahn Zoologischer Garten—Treptow, sowie einiger Alleebäume und Straßenlaternen er forderlich. Der Bau der elektrischen Stadtbahn wird zunächst in der Richtung nach dem Wasser thor fortschreiten; wegen der Inangriffnahme der Fundierungsarbeiten in der Skalitzerstraße bis zum Schlesischen Thor ist die Firma Siemens und Halske bei den zuständigen Behörden bereits vorstellig geworden. Elektrischer Betrieb der Berliner Strassenbahnen. Die Berliner Elektrizitätswerke beabsichtigten in Gemeinschaft mit der Akkumulatorenfabrik „Aktien-Gesellschaft Hagen“ versuchsweise zur Verwendung stationärer Akkumulatoren - Batterien im elektrischen Straßenbetriebe überzugehen. Durch die in Frage kommende Ein richtung soll versucht werden, Spannungsschwankungen auszugleichen, außerdem soll festgestellt werden, ob sich durch die Batterie die An- lagckosten für das Leitungsnetz und die Maschinen-Anlage wesentlich verringern lassen. Um diese Versuche noch während des stärksten Verkehrs, mithin noch während der Gewerbe-Ausstellung anstellen zu können, waren Kabelverlegungen erforderlich, wozu die Gesellschaft die schleunige Genehmigung des Magistrats nachgesucht hatte-— Die Einführung des elektrischen Betriebes auf der Ringbahn macht einen Umbau der Kreuzung Köpnicker- und Neanderstraße bezw. Brücken straße erforderlich. Die Große Berliner Pferdebahn-Gesellschaft hat zu diesem Behufe dem Magistrat die bezüglichen Projektzeichnungen zur Genehmigung unterbreitet. Telephonverkehr von Württemberg- mit Passau. Von jetzt ab ist der telephonische Verkehr zwischen sämtlichen wtirttemb. Tele phonanstalten und der bayerischen Telephonanstalt Passau auf dem Wege über München und Regensburg zugelassen. Die Sprechgebühr beträgt 1 Mk. für eine Unterredung bis zu 5 Minuten; für dringende Gespräche ist die dreifache Einzelgebühr zu erlegen. —W.W. Erweiterung des Fernsprechverkehrs mit Frankfurt a. M. Vom 15. September ab werden, wie die Frankfurter Oberpostdirektion mitteilt, die Städte Köln (Rhein), Heilbronn und Ulm zum Fernsprech verkehr mit Frankfurt und Offenbach zugelassen. Ambroin, ein neues Isolirmittel. Für die Mannigfaltigkeit der technischen Bedürfnisse, zugleich mit Rücksicht auf Billigkeit, reichten die natürlichen Materialien, wie Stein, Holz, Gummi nicht mehr aus, und es giebt heute fast keinen Zweig der Technik, dem nicht die künstlich hergestellten, plastischen Massen zum unabweis baren Bedürfnis geworden wären. Celloluid, Magnesiazement, künst liches Elfenbein, die verschiedensten Kompositionen aus Schellak, Glasstaub, Wachs etc. haben als Surrogate natürlichen Materials das technische Interesse der Gegenwart beansprucht; aber man kann nicht behaupten, daß ein vollkommenes und allen Ansprüchen ge nügendes Produkt bisher dargestellt worden wäre. Besonders hat es den elektrischen Betrieben an einem guten und billigen Material gefehlt, das etwa dem Hartgummi entsprochen hätte; auch war bisher keine Substanz im Stande, 'die verschiedenartige Inanspruchnahme als Isolirmittel, als leicht formbare und doch feste und schön aus sehende Masse, als säure- und hitzebeständiges Gefäß gleichmäßig zu ermöglichen. Es scheint, als ob das Deue von den Berliner Ambroin- W erken Hermann Gumpel (Patent „Kleinsteuber“) auf den Markt gebrachte Produkt von hohem Nutzen für die Technik sein wird. Ambroin ist aus verschiedenen Kopalarten und aus Silikaten (Kieselsäurematerialien) hergestellt Die Verwendung des Kopals war bisher für derartige Zwecke nicht möglich, weil die verschiedenen, oft weit auseinanderliegenden Schmelzpunkte ein gleichmäßiges Schmelzen, wie es der Herstellung einer plastischen Masse voraus gehen muß, ungeheuer erschwerten. Dem Ingenieur Kleinsteuber, nach dessen Verfahren die genannte Firma arbeitet, ist es aber ge lungen, durch sorgfältige Zusammensetzung der einzelnen Arten und durch ein besonderes Verfahren der Mischung eine Gleichmäßigkeit des Schmelzpunktes zu erhalten. Die unter dem Namen Kopal bekannten Harze, welche Fossilien jüngerer Erdepochen darstellen, d. h. also z. B. jünger sind als Bernstein, werden zum Teil, soweit es sich um edlere Sorten handelt, zur Fabrikation von Kopallak ver wandt; im vorliegenden Falle gebraucht man nur die in den Tropen massenhaft vorhandenen billigeren Arten, aber auch diese besitzen große Vorzüge, welche dem späteren Produkt zu Gute kommen; es mag vorläufig nur betont werden, daß diese Harze, die Jahrtausende in der Erde gelegen haben, durch keine Witterungseinflüsse mehr angegriffen werden; es giebt daher für das Ambroin keine Ver witterung, keine Wasseranziehung, keine Ausdehnung' oder Schwindung, kurz, es wird beinahe die für tellurische Epochen erprobte Widerstands fähigkeit des Harzes gegen die Witterung auf das Ambroin selbst übertragen. Ist dieser eine zur Fabrikation gebrauchte Rohstoff bereits von so ausgezeichneten Eigenschaften, so wird die Brauch barkeit des ganzen Produktes noch durch den Zusatz von Silikaten und gewissen Farbstoffen erhöht. Durch geringe Abweichungen in der Zusammensetzung hat die Fabrik es in der Hand, für die ver schiedensten Zwecke brauchbares Material herzustellen. In erster Linie wird I s o 1 ir m a t er i a 1 für elektrisch e Betriebe ange fertigt. Der Leitungswiderstand des Körpers beträgt mehr als eine Milliarde Ohm, so daß ein Stück von 0,34 mm Stärke bei 5000 Volt nicht durchgeschlagen wird. Die exakte Ausführung der komplizir- testen Formen wird durch die leichte Preßbarkeit des Materials, die unter hohem Druck ohne jedes Sehwindmaß möglich ist, gesichert; dieser starke Druck der hydraulischen Pressen garantiert ein voll kommen homogenes Gefüge; außerdem läßt sich das Ambroin schneiden, drehen, bohren, stanzen und sogar nach einem besonderen Verfahren löten und kitten. Da die Kopalarten verschieden gefärbt sind, lassen sich durch geeignete Komposition alle möglichen Farb- nuancen erzielen, aber auch die Anwendung besonderer Farbstoffe ist nicht ausgeschlossen, so daß selbst ein tiefes Schwarz erreicht werden kann. Es ist also, da die Politur sich ohne Schwierigkeit vollzieht, auch dem ästhetischen Bedürfnis vollkommen genügt. Für die Zwecke der elektrischen Isolierung ist daher im Ambroin ein vor zügliches Mittel zu sehen. Aber damit ist die Bedeutung der Substanz nicht erschöpft; dadurch, daß dem Abroin eine ziemlich hohe Be ständigkeit gegen Säuren zukommt, eignet es sich auch für die Her stellung von Akkumulatorkästen in besonderer Weise. Besonders greift selbst hoch konzentrirte Salzsäure den Körper durchaus nicht an, ebenso verträgt das Ambroin Schwefelsäure von 45 Be, sogar bei einer Temperatur von 80’ C. Königwasser, ein Gemisch von Salzsäure und Salpetersäure bleibt ebenfalls ohne Einwirkung, sehr starke, rauchende Salpetersäure korrodiert den Körper verhältnismäßig wenig, die Nitrierung verläuft nur in geringem Maße an der Ober fläche, dagegen greift Essigsäure das Ambroin an, aber auch erst in sehr hoher Konzentration über 50°/ 0 wo sie wirklich acetylierend und zersetzend wirken kann. Die Widerstandsfähigkeit gegen Alkalien ist natürlich, wie bei jeder kieselsäurehaltigen Substanz geringer, in dessen wird bereits eine besondere Qualität hergestellt, welche der Einwirkung von Laugen bis zu 25°/o dauernd widersteht. Gegen physikalische Einflüsse ist Ambroin außerordentlich beständig, das Verhalten gegen die Elektrizität haben wir schon erwähnt, durch die Wärme wird Ambroin zunächst nur sehr wenig ausgedehnt, so daß seine Verwendung für die genauesten Maßstäbe beabsichtigt ist, die Endzündungstemperatur liegt für gewöhnliche Sorten bei 400°; es ist aber sogar möglich, die Qualität des Ambroins derartig zu modi fizieren daß die Substanz längere Zeit einer Hitze von 1500° wider steht, ohne in ~ Schaltbretter von Brand zu geraten, eine Eigenschaft, die z. B. für hoher Wichtigkeit sein dürfte. Man wird sich hierbei erinnern, daß Hartgummi und Celluloid sich bereits bei 70° erweichen und daß die Entflammungspunkte für Celluloid bei 110°, für Hartgummi bei 180° liegen. Das spezifische Gewicht des Ambroins schwankt zwischen 1,2 und 1,5 bewegt sich also in den selben Grenzen wie Hartgummi. Der Punkt, der bei der neuen Erfindung vielleicht das haupt sächlichste Interesse beansprucht liegt, offenbar in der leicht mög lichen Veränderlichkeit des Herstellungsverfahrens, welche ein genaues Anpassen an die verschiedenen Zwecke erlaubt. Je nach der Kom position erhält man mehr oder minder hitzebeständige, säure- oder laugenfeste, gefärbte oder ungefärbte Qualitäten; es ist daher kaum abzusehen, für wieviel verschiedenartige Zwecke das Ambroin noch Verwendung finden wird; vorläufig wird es hauptsächlich als elek trisches Isoliermittel und für elektrochemische Zwecke verwandt; es steht aber außer Frage, daß auch die chemische Industrie im weiteren Umfange, die Branchen verschiedener Gebrauchsgegenstände (Messer griffe, Klaviertasten (Pfeifenspitzen ete.), sowie die Industrie ärztlicher Bedarfsartikel sich dieses haltbare und billige Material nicht werden entgehen lassen. Es wird schon jetzt darauf aufmerksam gemacht, daß für den Fußbodenbelag von Krankenhäusern, Operationszimmern, Brauereien u. s. w, kaum ein besseres Material als Ambroin gefunden werden könnte. Jedenfalls handelt es sieh hier um eine Substanz, die ernsthaftester, technischer Berücksichtigung wert ist und wenigstens in der Elektrotechnik sicherlich eine bedeutende Rolle spielen wird. („Gewerbefreund.“) Schutz unter Bäumen bei Gewittern? Alljährlich und besonders heuer kommt es erschreckend häufig vor, daß Personen, welche bei einem Gewitter