Volltext Seite (XML)
ELEKTROTECHNIS CHE RUNDSCHAU. 27 XIV. Jahrgang. drälite, welche dem Bügelsystem nachgerühmt wird, ist für Berlin von geringerer Bedeutung, weil die Straßenzüge hier, im Gegensatz zu kleineren Städten fast j ausnahmslos auf lange Strecken geradlinig verlaufen und es sich an Straßenecken in der Kegel nicht um einfache Kurven, sondern um Kreuzungen handeln dürfte. Diese Punkte fallen aber nicht so wesentlich ins Gewicht Es ist übrigens zweifellos, daß die Oberleitungskonstruktionen fortgesetzt an Leichtigkeit und Gefälligkeit hei weiterer Ausbildung dieses Systems gewinnen dürften und bereits stellenweise gewonnen haben. — Es könnte allenfalls in Berlin hin sichtlich der Wahl der Oberleitungskonstruktion darauf zu achten sein, daß die Linien der verschiedenen Unternehmer voneinander in den Details nicht zu sehr abweichen, einmal, um Kontraste im äußeren Ansehen der Straßen zu verhüten, vornehmlich aber, damit die Wagen der einen Gesellschaft zwecks Zusammenhanges der Verkehrsadern auf den Linien anderer Unternehmer sich weiterführen lassen. Es würden sich also Konstruktionen wünschenswert machen, welche sowohl für das Trolley-, wie für das Bügelsystem sich allenfalls gleichzeitig benutzen lassen. Natürlich würde hierbei das der Streckenlänge nach überwiegende dieser Oberleitungssysteme den Vorrang erhalten müssen. Wenn es nun ferner aber auch sehr unwahrscheinlich ist, daß das Ober leitungssystem in den sogen, repräsentativen Straßen der Innenstadt von der Polizeibehörde zugelassen wird, so läßt sich andrerseits der Umfang der eventuell mit Tiefzuleitung auszuführenden Strecken noch nicht mit Sicherheit bestimmen. Von dem z. Zt. bestehenden Netze der Pferdebahnen dürfte aber vermutlich kaum *| 8 also vielleicht höchstens 25 km Streckenlänge mit Tiefleitung gefordert werden. Man erhält diese Länge kaum dann, wenn man selbst die meisten der in der City belegenen und einige sonstige Haupt straßen in Anschlag bringt. Aus dieser stellenweise leider hervortretenden Notwendigkeit der Verwendung von Tiefzuleitungsstrecken neben der Ober leitung ergibt sich von selbst das sogen, gemischte System, das in Berlin zur Anwendung kommt. — Das „Mischungsverhältnis“ selbst dürfte fast auf allen Linien ein Ueberwiegen der Oberleitungslänge gegenüber der Tiefleitung ergeben, einzelne Linien werden überhaupt mit Tiefleitung garnicht weiter bedacht zu werden brauchen, wenn sie mehr nach der Peripherie lauf au; nur vereinzelt dürften wohl Betriebslinien mit überwiegender Tiefleitung Vorkommen, wie z. B. die Linien, welche die Lützow-, Potsdamer- und Leipzigerstraße oder ähnliche Hauptstraßen passieren. — Ob die Unternehmer es vorziehen, bei dieser Systemkombination der meisten Strecken alle Motorwagen sowohl mit Strom abnehmern für die Oberleitung wie mit Kontaktschiffchen für die Tiefleitung von vornherein auszurüsten, oder ob die eine oder die andere Gesellschaft auf einzelnen mehr extern laufenden Linien nur den Oberleitungskontaktarm an den nur für den Verkehr auf diesen Linien bestimmten Wagen anbringen will, ist im Wesentlichen eine einfache Zweckmäfiigkeitsfrage. Betreffs der Kanalkonstruktion würde es bei neu zu bauenden Bahnen an und für sich für die Verwaltung ohne unmittelbaren Belang sein, ob die beiden Kanäle unter den beiden einander benachbarten Schienen der beiden Geleise oder ob der eine unter der einen Außenschiene angebracht wird. Da es sich aber in Berlin im Wesentlichen und zwar gerade in den Hauptstraßen um den Umbau bereits bestehender Geleise handelt, so scheint die An ordnung der Kanäle an den nach innen zu liegenden Schienen den Vorzug zu verdienen, erstens, weil hierbei der Umfang der Pflasterarbeiten im allgemeinen kleiner sein dürfte, und ferner weil es bei Zwischenanordnung zwischen den Geleisen eher angängig erscheint, den Kanal zu bauen, ohne den Betrieb der Pferdebahn stocken zu lassen. Ueberhaupt scheint es eventuell bei doppelgeleisigen Strecken möglich zu sein, die Hauptkonstruktionsteile der beiden Kanäle in dem Zwischenstreifen (von ca. 90 cm Breite) zwischen beiden Geleisen unterzubringen, während natürlich der Schlitz dicht neben jeder nach den innen zu liegenden Schienen hinläuft. Hierbei würden eventuell wie in Dresden die Rillenschienen der Pferdeeisenbahn beibehalten werden können. Natürlich bringt diese Anordnung für das Straßenplanum den Nachteil zweier Schlitze noch außer den 4 Schienenrillen mit sich, wodurch dem sogen. „Verfangen“ der Fuhrwerksräder Vorschub geleistet würde. Auf die Betriebs-, Vor- und Nachteile, die die Disposition der Kanäle in der einen oder anderen Weise mit sich bringt, wie z. B. bei Innenanordnung die Notwendigkeit, um die Wagen an den End stellen der Strecken nicht wenden zu müssen, auf der rechten und auf der linken Seite des Wagens die Kontaktschiffchen anzubringen, und sonstige Konstruktionsdetails gehe ich nicht weiter ein. Ein unmittelbares Interesse für die Verwaltuug würde noch darin bestehen, daß durch die Kanalkonstruktion die sonstigen im Straßenkörper liegenden Röhren nicht zu sehr tangiert werden, die Anschlüsse an die Kanalisation keine Schwierigkeiten verursachen und vornehmlich, daß, wenn möglich, das Kanalinnere dauernd so zugänglich bleibt, daß Betriebsstörungen keine erneuten Straßenarbeiten notwendig machen. Die Notwendigkeit der Entwässerung der Kanäle setzt Gefälleverhältnisse voraus, die in manchen Straßen nicht erfüllt sind und die Gefahr eventueller Betriebs störungen, sofern die etwa eindringenden Wassermassen keinen genügenden Abfluß fanden, bringt somit ebenfalls für die Anwendung der Kanäle in manchen Straßen bedeutende technische Schwierigkeiten mit sich. Auf die Kostenfrage komme ich später noch zurück. Wie vordem hei den verschiedenen Arten der Oberleitung, so ist wohl auch, wenn auch nicht in dem Maße, bei den Kanalkonstruktionen der ver schiedenen Unternehmer eine gewisse Einheitlichkeit von Wert, damit auch Strecken mit Tiefzuleitung nicht den Uebergang der Wagen von einer Linie auf eine andere unmöglich machen. Die sonst noch aufgetauchten und zum Teil auf Probestrecken in anderen Ländern versuchten sogen. T eil lei t er sy st e me kommen zunächst für eine allgemeine Einführung hier wohl noch nicht in Frage. — Kann sonach schon vom rein verkehrstechnischen Standpunkte aus dem Kanalsysteme mindestens die bedeutende Verkehrsstörung während des Baues mit demselben Rechte vor- No. 2. 1896 97. geworfen werden, wie dem Oberleitungssystem noch immer die Beeinträchtigung der Schönheit des Straßenbildes entgegengehalten wird, so fallen diese Bedenken gegenüber dem Akkumulatorensystem fort. Ganz abgesehen davon, ob das Problem des Akkumulatorenbetriebes bereits als gelöst anzusehen ist, oder ob dessen Lösung in mehr oder weniger naher Zukunft bevorsteht, ist doch, wenn auch nicht mit durchgehendem aus schließlichem Sammlerbetrieb, so jedenfalls mit einer ähnlichen Kombination wie bei dem gemischten Ober- und Unterleitungssystem, möglicherweise zu rechnen. Es handelt sich hierbei natürlich um kein direktes Verkehrs- und sicherheits technisches Interesse der Behörde, sondern um materielle und betriebstechnische Momente, die aber für die Unternehmer ausschlaggebend sind; ohne gleichzeitige Berücksichtigung dieser Punkte würden doch alle Reformen nur fromme Wünsche bleiben. Es liegt in Berlin für den Akkumulatorenbetrieb zweifellos nicht die Aufgabe vor, volle Tagesleistungen eines Wagens also etwa 200 km oder über 100 Kilowattstunden mit einer Entladung zu leisten, denn es kommt ja voraus sichtlich nur gemischter Oberleitungs -und Akkumulatorenbetrieb in Frage, also hohe Ansprüche werden gar nicht gestellt; daß solche Parforce- leistungen möglich und auch schon geliefert sind, ändert in dieser Hinsicht nichts. Würde es sich um solche Ziele handeln, so würde jedenfalls mit dem Akkumu- latorenhetrieb als etwas — ich meine betriebstechnisch und wirtschaftlich — Naheliegendem überhaupt noch nicht in Berlin zu rechnen sein. Die Akkumu latorenfrage würde aber bei gemischtem Betriebe an den Schwierigkeiten des Gewichtes nicht zu scheitern brauchen. Eine längere Entladezeit als während einer Tour von ca. 3 km dürfte in Berlin kaum notwendig werden, jedenfalls wäre das ein Ausnahmefall. Selbst wenn man eine sehr lange Strecke, z. B. die Potsdamerstraße von Lützowstsaße bis Potsdamerplatz und weiter die ganze Leipzigerstraße in einer Tour mit Akkumulatoren zu fahren hätte, ergäbe diese Linie nur weniger als 3 km, benötigte also selbst bei 600 Wattstunden per Kilo meter nur ca. 1 s / 4 Kilowattstunden Energieaufwand, oder bei den Verhältnissen des Hannoverschen Betriebes nur ca. ’/, t Akkumulatorengewicht. — Eine solche Akkumulatoreninanspruchnahme von ca. 2'/ 2 Kilowattstunden per Tonne Gesamt sammlergewicht ist nur ca. l / )0 derjenigen Beanspruchung-, welche bei voller Wagentagesleistung von einer etwa 3 t — höher würde man ja ohnehin nicht gut gehen — schweren Batterie zu leisten wäre. Hierbei könnte man also schon mit einem beträchtlich größeren Sicherheitsfaktor hinsichtlich der Lebens dauer der Platten rechnen. Ein Gewicht von etwa lt würde aber noch kaum Bedenken haben und doch, wie gezeigt, schon erhebliche Strecken — bis zu 4 km ununterbrochener Entladung — bei reichlicher Reserve leisten können. Ich er innere daran, daß selbst eine Durchquerung Berlins von Nord nach Süd nur 9 km Weglänge erforderlich macht. Die Akkumulatoren würden dann wie in Hannover und Dresden unter dem an die Sammlerstrecke anschließenden Kontakt draht der Oberleitungsstrecke wieder geladen werden können. Eine Betriebsführung mit Batterien, welche beispielsweise einige Stunden Entladung besitzen und dann an einer Ladestation wieder geladen eventuell so gar immer aus dem Wagen entfernt werden müssen, erscheint wohl allenfalls für einige einzelne Linien, aber nicht für ein Netz von ca. 50 Linien wie hier anwendbar. Man müßte dann ja eine große Zahl von Ladestellen und Akkumu- latorendepöts haben und ferner außerordentlich viel Ersatzwagen, ganz abgesehen von der geringen Oekonomie eines solchen Betriebes. — Wie ersichtlich, sind die Schwierigkeiten für einen gemischten Oberleitungs- und Sammlerbetrieb in technischer Hinsicht nicht unüberwindlich. Um aber eine genügende Rentabilität zu erzielen, handelt es sich, abgesehen von den Abnutzungskosten, auf die ich später zurückkomme, darum, das tote Akkumulatorengewicht nicht unnötig viel mit herumzuschleppen, d. h. also die Linien hinsichtlich des „M ischungs- verhältnisses“ so günstig zu disponieren, daß man, wenn irgend möglich, die Strecken in solche mit reinem Oberleitungs- und solche mit gemischtem Be trieb trennt, auf ersteren brauchen die Wagen keine Sammler zu führen. Die gemischten Strecken müssen, wenn möglich, abwechselnd Strecken mit Ober leitung und mit Sammlern enthalten, derart, daß etwa die Hälfte oder weniger der Länge auf Sammler entfällt. Da die Länge einer Betriebslinie in der Regel 12 km nicht übersteigt, so würden Entladungsstrecken von zusammen über 5 km kaum oft Vorkommen. Liegt eine längere Sammlerstrecke am Ende der Linie, so kann der Wagen auch noch während einiger Minuten Haltezeit geladen werden (z. B. mittels Anschlußsteckkontaktes), wobei 5 Minuten Haltezeit ca. 1 km Ober leitungsladestrecke äquivalent wären. Wenn möglich würde man natürlich die Größe und Beanspruchung der Batterien aller Wagen gleich zu halten suchen. Daß man nötigenfalls in viel kürzerem Zeiträume mit stärkerem Strome wieder laden kann, was in längerer Zeit mit schwächerer Intensität entladen wurde, dürfte technisch keine Schwierigkeiten bieten, zumal da die Inanspruchnahme der Platten bei den genannten Verhältnissen nur eine sehr gelinde ist. Selbst „Mischungsverhältnisse“ von 1 : 4 und weniger sind angängig. Stellt sich das „Mischungsverhältnis“ für eine Strecke sehr ungünstig wenn z. B. eine lange Oberleitungsexternlinie nur mit einem kurzen Stück Ak kumulatorenlinie in die Stadt hineinreicht, so bleibt nur der Ausweg der Akkumulatorlokomotive übrig, welche den Wagen förmlich weiter zu rangieren hat. Eine bemerkenswerte Anwendung haben die Akkumulator lokomotiven in Chicago zum Hinüberschieben der Motorwagen Uber einen von Oberleitung ausgeschlossenen Platz gefunden. Bei der Kuppelung speist hier die Batterie den Motorwagenmotor, eine, wie es scheint, recht günstige Anord nung. Ob die Polizeibehörde selbst in solchen Ausnahmefällen das Halten der Akkumulatorlokomotiven auf den Ausweichestellen an den Endpunkten der Ober leitungsstrecke hier zulassen würde, muß dahingestellt bleiben. In Chicago sind über 50 solcher Rangierkarren mit Chloridakkumulatoren in Betrieb. Auf weitere in der Dämpfung der Belastungsschwankungen der Bahnen gefundene Vorteile der Akkumulatorenverwendung rein betriebstechnischer Natur gehe ich nicht weiter ein. Eine Betriebseinteilung nach einem solchen Schema zu treffen, daß die Batterien aller Wagen, also mehrere Hundert, mög-