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24 XIV. Jahrgang „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 2. 1896/97. dasselbe, als wenn die Wechselzahl irgend eines Mehrphasensystems veränderbar wäre und Dynamo wie l'lotor gleichzeitig mit derselben Geschwindigkeit in Umlauf zu bringen wären. Dies ist jedoch bekanntermaßen nur thunlich, wo die ganze Kraft oder Dynamo maschine von einem Motor aufgenommen würde, oder, wo alle in einem Stromkreise eingeschalteten Motoren gleichzeitig an- oder abge stellt würden, sodaß sie voneinander abhängig sind. Das theoretisch vollkommene System der Motorkontrolle beruht darauf daß die elektromotorische Kraft und die Stromstärke ohne Anwendung eines Widerstandes im Stromkreise nach Belieben bei jedem in diesem Stromkreise eingeschalteten Motor zu verändern sind. Dies kann mittels der von den Autoren getroffenen Anordnung geschehen, indem der Wattverlust bei einer Straßenbahnwagen-Ausrüstung auch unter Anwendung der kleinsten Geschwindigkeit sehr gering ist. Die Frage der Entfernung spielt dabei im gewöhnlichen Eisenbahnbetrieb keine Rolle. Eine 150 Kilometerstrecke kann von einer Station aus leicht und sparsamer als mit einer heutigen Gleichstromeinrichtung betrieben werden; der enorme Kupferverbrauch kommt dabei in Wegfall. Wechselstrommaschinen jeder Art sind dauerhafter als Gleichstrommaschinen, inbetracht der Leichtigkeit, mit welcher die Isolation anzubringen ist. Aus Fig. 1 läßt sich die eine Art und Weise ersehen, in der dieses System in Anwendung zu bringen ist. A ist die Wechsel strommaschine; aa sind die beiden Fernleitungen; P ist ein kleiner Wechselstrommotor mit variabler Geschwindigkeit, welche zum Betriebe des Primärstromkreises oder der Gleitkontakte auf jedem der Stromkreise dient. Der Induktionsrichter B ist der wesentliche Teil des Apparates, mit dem die Wechselströme zu behandeln sind; er wird zur Herstellung einer elektrischen Potentialdifferenz auf den konzentrischen Ringen A benutzt; wodurch alsdann durch geeignete Verbindungsweise der Stromkreise mit den Windungen auf einem um die Motorarmatur angeordnetem Feld eine magnetische Potential differenz hervorgerufen wird. Dadurch werden Pole in den Feld magneten gebildet, welche nach Willkür um die Armatur in Rotation versetzt werden können, schnell oder langsam und in jeder Richtung und diese Pole können stark oder schwach, je nach den an den Motor gestellten Anforderungen hervorgerufen werden. Eine andere sehr wichtige Eigentümlichkeit liegt darin, daß die Spulen auf Feld und Armatur hintereinander oder parallel zu schalten sind, wie es eben gewünscht wird, sodaß eine sehr starke Anzugs drehkraft mit geringer Energie, oder eine sehr hohe Geschwindigkeit mit viel Energieaufwand zu erhalten ist. Mit Berücksichtigung der Thatsache, daß die Punkte der stärksten elektrischen Potentialdifferenz durch jeden Punkt des Umfanges von 360° mit konstanter mittlerer Spannung gehen, ist leicht verständlich, daß das magnetische Potential notwendigerweise ebenso konstant sein muß, wie die dasselbe erzeugende Ursache und daß die Pole durch jeden Punkt des Umfangs gehen. Es ist also keine Stelle auf der Armatur vorhanden, auf welche das Feld nicht wirksam wird. Dieser Motor wird also nicht die Neigung haben, die Kraftlinien in den Lückenraum zu drängen, wie dies alle Zwei- und Dreiphasenmotoren, oder eigentlich alle Motoren thun, bei denen das Gleiten beim Anlauf durch die Wechsel und die Zahl der um die Armatur herum befindlichen Pole bestimmt wird. Bei dem System der Autoren übt die Wechselzahl sowie die Polzahl keinen Einfluß auf dieses Gleiten aus; die Geschwindigkeit des Induktionsrichters kontrolliert nur das Gleiten und gestattet der Reaktion zwischen Armatur und Feld zu jeder Zeit für eine gegebene Energiemenge den Maximalwert anzunehmen. Es ist zu ersehen, daß in jedem Teil des beschriebenen Apparates die Punkte des stärksten Potentials in der ganzen Länge des elektrischen Strom kreises oder der Stromkreise verschoben werden können, ohne daß die magnetischen Kraftlinien geschnitten werden, sodaß die Wechsel zahl unverändert bleibt, die Kurve der Energie ist in jedem Motor positiv, da sie nicht umgekehrt wird, und es können so viele ver schiedene Stromkreise laufen, als nötig erscheint, um die größte, mittlere Potentialstärke zu erhalten. Diese Kurven sind unabhängig von der Wechselzahl, welche durch viele Cyklen veränderlich sein kann, während die Energiekurven zugleich steigen und fallen. Fig. 2 zeigt das Diagramm der konstanten Wechsel aus der Energiekurven, wobei für diesen Fall drei vorhanden, die mit 2, 3 und 4 vorhanden sind, und die Energie mit der Geschwindigkeit variabel ist. Die Flächen der Kurven (1) zeigen die Art und Weise, in welcher die Energie sich mit der Geschwindigkeit verändert, während die elektromotorische Kraft konstant bleibt. Bei ver änderlicher elektromotorischer Ki’aft beschreibt nach Fig. 3 die mittlere Höhe oder Kraftlinie eine allmälig der Nulllinie sich nähernde Kurve, indem die für eine vergrößerte Geschwindigkeit erforderliche Kraft abnimmt, wenn dann die Grenze der Abnahme erreicht ist, so wird die für eine weitere Vergrößerung der Ge schwindigkeit erforderliche Kraft wieder zunehmen und die Kraft linie wird sich wiederum allmälig über die Nulllinie erheben, welche demnach die Basis der Kraftkurve bildet. Es ist noch zu bemerken, daß Fig. 2 ein einfaches Diagramm ist, welches nur zur Erläuterung des Prinzips dient, aber nicht die wirkliche Leistung darstellen soll, da ein Eingehen auf die Einzel heiten zu weitläufig sein würde. S. Die Unterpflasterbahn in Budapest. Von Dr. J. Kollmann (Frankfurt). Das neueste Verkehrsmittel in Budapest ist die elektrisch be triebene Unterpflasterbahn, welche zwar gegenwärtig vorzugs weise als Ausstellungsbahn dient, nach Schluß der Ausstellung aber zweifellos den Charakter einer eigentlichen Stadtbahn annehmen wird. Diese Unterpflasterbahn, die erste ihrer Art, charakterisiert sich als ein glücklicher Ausweg bei der Wahl zwischen Hochbahnen und Tunnelbahnen, vor welche fast alle modernen Großstäde gegenwärtig gestellt sind. Die erste Veranlassung zum Studium der Frage bot die Haltung des hauptstädtischen Baurates, welcher, nachdem schon im Jahre 1882 der Bau einer Pferdebahn im Zuge der Andrassy-Straße abgelehnt worden war, im Jahre 1893 auch der Anlage einer elektrisch mit unterirdischer Stromzuführung zu betreibenden Straßenbahn in der Andrassy-Straße grundsätzlich seine Zustimmung versagte, da man in diese eleganteste Straße mit ihrem stets wachsenden Geschäfts- und Vergnügungsverkehr keine Straßenbahngleise verlegen wollte. Diese Ablehnung wurde durch das Ministerium des Innern bestätigt, obgleich Magistrat und Gemeinderat von Budapest sich für die Anlage einer elektrischen Straßenbahn ausgesprochen hatten. So wurde denn An fang 1894 die Konzession für eine Unterpflasterbahn auf die Dauer von 90 Jahren nachgesucht und dieses Projekt von allen Behörden und insbesondere von einem aus Vertretern der Staatsbehörden, des hauptstädischen Baurates und der Gemeindeverwaltung zusammen gesetzten Sonderausschuß derart gefördert, daß Mitte August 1894 mit der Bausführung begonnen werden konnte. Das Projekt wurde Namens der Firma Siemens und Halske in Berlin von dem Baudirektor W ö r n e r in Budapest, einem geborenen Darmstädter, ausgearbeitet und auch die gesamte Bauleitung durch diesen her vorragenden Techniker übernommen. Der größte Teil der Unterpflasterbahn folgt in der Achsen- richtung in gerader Linie der ganzen Länge (2200 Meter) der Andrassystraße. Die Bahn beginnt in der Nähe des Donaüufers am Giselaplatz im Zentrum des hauptstädtischen Verkehrs, sie geht von dort durch die Dreißigstgasse unter den Elisabethplatz, sodann unter den Deäkplatz, von hier mit einer scharfen Krümmung von nur 40 Meter Radius unter den Waitzner-Boulevard, von wo sie in die An drassystraße eintritt. Am Ende der Andrassystrasse tritt die Bahn in einem kurzen offenen Einschnitt aus dem Tunnel heraus und geht hier bis zum Endpunkte am Artesischen Bad im Stadtwäldehen als elektrische Niveaubahn mit oberirdischer Zuleitung weiter. In der Arenastraße besteht eine Geleisverbindung der Unterpflasterbahn mit dem Betriebsbahnhof der elektrischen Stadtbahn, um in deren Werk stätten das rollende Material in Stand halten zu können. Die ganze Länge der Linie beträgt 3800 m, wovon 3100 m unter dem Straßenniveau liegen. Etwa 92 Prozent der Bahnlänge sind gradlinig, die wenigen Kurven haben Radien bis zu 100 m herab, nur an einer Stelle konnte man, wie schon erwähnt, einen Krümmungsradius von 40 m nicht umgehen. Das Längenprofil ent spricht den Verhältnissen des von der Donau an allmählig ansteigenden Üferlandes, die Steigung beträgt nur bis 1 : 500, nur beim Austritt aus dem Untergrund findet sich eine kurze Rampe von 1 : 50. Die Bahn hat in ihrer ganzen Länge zwei normalspurige Geleise mit einer Mittenentfernung von 3,2 m, von ihren 11 Haltpunkten liegen 9 unter dem Straßenniveau. Für die Tiefanlage des Bahnplanums war das System der Hauptsammelkanäle der Ringstraße entscheidend, welches von der Bahn gekreuzt werden mußte und selbstverständlich nur überführt werden konnte. In Folge dessen stand für die Höhenent wicklung nnr ein Maß von 5 m zur Verfügung, wovon mit Rücksicht auf die wieder einzulegenden Gas- und Wasserleitungsröhren etwa 1 m für die Stärke der Tunneldecke benötigt wurde, und da die lichte Weite des Tunnels bei zwei normalspurigen Geleisen zu 6 m angenommen werden mußte, so ergab sich von selbst die Abweichung von der gewöhnlichen Tunnelform und die Herstellung eines recht eckigen Querschnitts mit senkrechten Seitenwänden und wagerechter Decke. Für die Fundierung der Tunnelsohle und der Geleise war ein Höhenmaß von etwa 1 m erforderlich, so daß als lichtes Maß zwischen der Schienenoberkante und den eisernen Querträgern der Decke nur 2,75 m übrig blieb. Bei der Deckenstärke von 1 m liegt also die Schienenoberkante 3,75 m unter dem Scheitelpunkte des Straßenpflasters. An den neun Haltestellen ist der Tunnel beiderseitig zu breiten Platt formen, welche etwa 30 cm über der Schienenoberkante liegen, er weitert. Zu diesen führen vom Straßenniveau bequeme Treppen von nur 3,40 m Gesamthöhe herab, elegante mit Majoliken verzierte Pa villons nahe den beiderseitigen Fußsteigen der Straße überdachen die Treppen und sind in der Höhe der Straße die einzigen Merkmale der Unterpflasterbahn. Die Einrichtung für das Ein- und Aussteigen ist also eine recht bequeme, sie unterscheidet sich vorteilhaft von den bekannten Untergrundbahnen mit rundem Tunnelquerschnitt, bei welchen eine Niveaudifferenz bis zu 15 m gegen die Straße besteht und der Ver kehr zwischen Straße und Untergrundbahn durch besondere Aufzüge vermittelt werden muß. Auch der Hochbahn gegenüber hat diese Unterpflasterbahn den Vorzug der Bequemlichkeit für das Publikum. Die seit Einführung der Niveau-Kabelbahnen in New-York beständig abnehmende Frequenz der Hochbahn weist deutlich darauf hin, daß die Fahrgäste der bequemen Einrichtung selbst auf Kosten der Fahr geschwindigkeit immer den Vorzug geben.