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199 XIV. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 16. 1896/97. wegen der verhältnismäßig geringen Polwechsel weniger zu betuchten als bei Gleichstrommotoren, deren Kollektoren infolge der Spulen kurzschlüsse ein unangenehmes Geräusch im Telephonnetz heryorrufen. Zum Schlüsse berichtete Redner noch einiges über Schwebe bahnen. Die Erfahrungen mit der Deutzer Versuchsstrecke werden auf der in diesem Jahre in Angriff genommenen Betriebsstrecke Vohwinkel-Barmen zur Anwendung kommen. Die Bahn wird ein- schienig, aber zweigleisig. Alle Wagen erhalten zwei Drehgestelle und zwei Motoren; diejenigen der Anhängewagen werden vom Führer wagen mit reguliert. Auf diese Weise erhält man kräftigen Anzug bei leichter Fahrbahn. Die Fahrgeschwindigkeit wird 40 km per Stunde betragen, kann aber wegen der kurzen Stationsabstände nur vorübergehend erreicht werden. Als Bremsen kommen durchgehende Westinghouse-Bremsen und in Notfällen Klotzbremsen zur Ausführung, durch welch' letztere die Wagen an die Fahrbahn festgepreßt werden. Die Unabhängigkeit, Sicherheit und Fahrgeschwindigkeit der Schwebe bahnen werden von keinem anderen Babnsystem erreicht. Sie sind zum Schnellverkehr berufen. Die hohen Anlagekosten werden durch entsprechende, für gute Beförderung gerne gezahlte Fahrpreise verzinst. Die Bauart der Fahrbahnträger wurde an Photographieen näher erläutert. Der Vortrag wurde mit vidlem Beifall aufgenommen. Die sich anschließende Diskussion nahm folgenden Verlauf: Dr. Sieg: Ich möchte mir zunächst an den Herrn Vortragenden die Anfrage erlauben, in welcher Weise bei dem von ihm geschilderten Benackschen, von Schlickert ausgeführten System der Uebergang über kreuzende Bahnen resp. Weichen stattfindet, auf welche Weise die Kontakte unter dem Wagen eingeschaltet bleiben, sobald der Wagen steht, resp. die Stromzuführung zu den Motoren unterbrochen wird, und wie er sich bei Benutzung von Kontaktknöpfen die An bringung derselben in Kurven denkt. Direktor Körper freut sich, konstatieren zu können, daß jetzt die häufig erforderlich werdende Umwechselung der Ankerplatten anerkannt werde und daß auch die E. A.-G. Schuckert jetzt die Vorzüge des Wechselstroms zu erkennen beginne. Dr. Sieg: Es handelt sich für mich zunächt darum, genaue Aufklärung über das von dem Herrn Vortragenden beschriebene neue System zu erhalten, auf die unrichtigen Angaben bezgl. der anderen Systeme gedachte ich später zurückzukommen. Ober-Ingenieur Z e hm e : Auf die Anfrage des Herrn Vorredners erwidere ich, daß man die unterirdische Stromzuführung über Weichen und Kreuzungen in der Weise ausführen kann, daß dort die Kontakte unterbrochen werden und der Wagen diese Stellen mit seiner leben digen Kraft überfährt. Da die Kontaktknöpfe über Schienenober kante ungefähr 30 nun hervorragen, so könnte bei der Kreuzung mehrgleisiger Bahnen, d. h. bei breiten Kreuzungen, der Uebergang über dieselben auch so bewerkstelligt werden, daß die Laufschienen und die Kontaktknöpfe an der Stelle besonders gut unterbettet werden, z. B. mittels Beton, so daß der Abstand von 30 mm gewahrt bleibt. Wenn dann noch die Knöpfe an der Stelle etwas näher zusammen gesetzt werden, so ist eine Berührung der gekreuzten Fahrsehienen durch die Kontaktschiene des Motorwagens unmöglich. Ich gebe zu, daß derartige Ausführungen besondere Sorgfalt verlangen. Man wählt aber von zwei Uebeln immer das kleinere, und man wird die schwierigen Ausführungen gerne auf sich nehmen, wenn man damit eine gute Lösung der Frage über die unterirdische Stromzuführung innerhalb der Städte erhält. Die Kontakte werden bei Stillstand des Wagens durch einen Nebenschluß festgehalten, und zwar ist auf dem Führerstand eine Vorrichtung vorhanden, mittelst welcher der Führer den vor und hinter dem Wagen befindlichen Kontaktknopf stromlos machen kann, sodaß nur der vom Wagen bestrichene Knopf Strom führt und der Fahrdamm rings um den Wagen herum gefahrlos betreten werden kann. Die erwähnte Vorrichtung ist mit dem Regulator verbunden, wodurch besondere Griffe nicht nötig sind. Die Koniaktknöpfe sind so breit abgeflacht, und der unter dem Wagen befindliche Stromabnehmer ist von einer solchen Länge, daß beide auch in scharfen Gleiskrümmungen einander noch berühren. Baurat Stübben weist darauf hin, daß in Köln die Rücksicht auf den Karnevalzug für einzelne Straßen unbedingt zum Ausschlüsse der Oberleitung zwingt. Dr. Sieg: Ich möchte mir nunmehr erlauben, die Mitteilungen des Herrn Vortragenden in derselben Reihenfolge zu besprechen, in der er sie gemacht hat. Zuvörderst gab der Herr Vortragende an, daß der Stromverbrauch bei Bahnen mit unterirdischer Zuleitung derselbe sei, wie bei denen mit Oberleitung. Diese Ausgabe beruht auf einem Irrtum. Die Bahn in Budapest braucht pro Wagenkilometer 100 Wattstunden mehr als solche mit Oberleitung ’). Sie arbeitet dabei nur mit einer Spannung von 300 Volt und dürften bei Verwendung der sonst üblichen Span nung von 500—600 Volt die Verluste noch viel größer sein und event. Kurzschlüsse eintreten. Bezüglich des geschilderten neuen Systemes habe ich noch einige Bedenken. Der Herr Vortragende gab an, daß Kontaktknöpfe ca. 30 mm aus der Straßenoberfläcbe hervorragen. Es ist dieses meines Erachtens absolut unzulässig. Schon heute wird es von den Fuhr werksbesitzern sehr unangenehm empfunden, daß an manchen Stellen das Pflaster neben den Pferdebahn schienen etwas eingedrückt ist, *) Zeitschr. <1. Ver. Deutsch. Ing. 1896, pag. 105. sodaß Wagen, die ausweichen wollen und hierbei die Schienen in schräger Richtung passieren müssen, an letzteren hängen bleiben, was zum Umwerfen schnell fahrender Wagen, zu heftigem Schleudern der Wagen und event. zu Collisionen führen kann. Es ist dieses ein Fehler, der sich durch die Abnutzung ergibt und stets sobald als möglich durch Nachheben des Pflasters behoben wird. Diesen Uebel- stand aber systematisch in einer neuen Anlage einzuführen, dürfte meines Erachtens keine Stadtvertretung geneigt sein. Die Anwendung von Kontaktknöpfen an Stelle von Kontaktschienen würde diesen Uebelstand allerdings wesentlich verringern, doch kann ich mir bei diesen nicht vorstellen, wie sie in Kurven angeordnet werden sollen, in denen sich die Wagen enden und die unter ihnen angebrachte Kontaktschiene ganz außerhalb der Schienenmitte befinden. Schwierig denke ich mir auch den Uebergang über kreuzende Schienensysteme. Der Herr Vortragende gab an, daß an diesen Stellen die Kontakte ganz fortfallen sollen und der Wagen nur durch seine lebendige Kraft diese Stellen passiert, wie dieses bei den Isolationsstücken in Oberleitungen gemacht werde. Diesem möchte ich aber entgegen halten, daß in letzterem Falle die stromlose Stelle nur einige cm lang ist, während sie bei Schienenkreuzungen stets mehrere Meter lang sein würde. Da nun gerade an derartigen Straßenkreuzungen sehr oft ein Anhalten wegen anderweitigen Wagen Verkehrs notwendig werden dürfte, stünde dann der Wagen stromlos da und könnte nicht weiter. Die Kontakte aber an solchen Stellen durchgehen zu lassen, dürfte in der That nicht möglich sein, denn ein Stromabnehmer, der gegen 3 cm aus der Straßenfläche hinausstehende Körper sicheren Kontakt geben soll, muß so gegen diese federn, daß er an diesen Kreuzungen auch die kreuzenden Schienen berühren und damit direkten Kurzschluß machen würde. Der Herr Vortragende gab ferner an, daß die Kontakte dicht vor und dicht hinter dem arbeitenden Kontakt durch einen schwachen Nebenschluß unter Strom gehalten und so zum Kontakt gebracht würden. Es liegt nun die Befürchtung nahe, daß Straßenschmutz, Regenwasser oder im Winter bei Schnee das Salzwasser,, das sieh durch das zum Auftauen des Schnees gestreute Salz bildet, auch nach Passieren des Wagens einen genügenden Nebenschluß bilden werden, um die Kontakte fest und unter Strom zu halten, was zur sicheren Tötung der diese Schienen betretenden Pferde — der Mensch ist in der Regel durch sein Fußzeug etwas besser gegen Erde isoliert als das mit Hufeisen versehene Pferd -— führen würde. Ob die Möglichkeit, auf die Herr Direktor Körper hingewiesen, nämlich daß die Kontakte einmal zusammen brennen und so dauernd einzelne Teilleiter unter Hochspannung bleiben können, wirklich so wenig zu fürchten ist, wie der Herr Vortragende meinte, kann erst nach längerer Betriebszeit unter den im Straßenbetrieb vorliegenden Bedingungen entschieden werden. In New-York ist 1893 eine Bahn naeh dem System von John- sohn-Lundell in Betrieb gewesen, die nach der Beschreibung und Abbildung, die ich kursieren lassen möchte, sehr ähnlich' dem Schuckertschen System war. Dieselbe zeichnete sich jedoch vor diesem dadurch aus, daß sie, um den Schwierigkeiten bei Gleis kreuzungen und dem ev. Versagen des Stromes zu entgehen, unter den Sitzen eine Akkumulatorenbatterie mitführte, die dem Wagen über diese Stellen, sowie einzelne Straßen, in denen keine Kontakte gelegt waren, forthalfen. Auf diese Art ging die Sache. Ob sie sich dauernd bewährt hat und heute noch in Betrieb ist, kann ich nicht angeben. Aehnliche Systeme sind mit großen Kosten und in größerem Maßstabe in Boston, Cleveland und Denver versucht worden, mußten jedoch alle wieder aufgegeben werden, da die fortwährenden Be triebsstörungen und Unterbrechungen die Geduld des fahrenden Publikums erschöpften. 1 ) Da der ausschließliche Betrieb einer Trambahn mit diesem von dem Herrn Vortragenden selbst als difficil bezeichneten Schuckertschen System wegen der enormen Anlagekosten zu teuer wird, empfiehlt der Herr Vortragende die Verbindung dieses Systemes mit dem Ober leitungssystem. Sobald dieses jedoch eintritt, stehen alle die Bedenken entgegen, die letzterem System überhaupt entgegenstehen. Abgesehen von den Störungen der Telephonanlagen und den Gefahren der Ober leitung — man denke an die Brände der Telephonämter in Remscheid und Dortmund —, die unter anderem auch den Feuerlösehbetrieb vielfach erschwert und gefährdet, 2 ) sind die elektrolytischen Wirkungen auf Wasser-, Gas und Kabelleitungen keineswegs so gering, wie viel fach angenommen wird. Ich lasse Abbildungen derartig zerfressener Röhren kursieren. Der Herr Vortragende kam dann auf den Akkumulatorenbetrieb zu sprechen und pries als einzig brauchbar die Akkumulatoren der Akkumulatorenfabrik, Akt.-Ges., Hagen i. W. an. Es wird daher den Herren interessant sein, die Leistungen, die mit den Batterieen dieser, wie der Herr Vortragende sich auszudrücken beliebte, einzig maß- und tonangebenden Fabrik erzielt sind, mit dem zu vergleichen, was andere Fabriken mit ihren Batterieen erzielten. Die angegebene Gesellschaft kann in einem 20sitzigen Wagen nur eine Batterie von 2 ton unter den Sitzen unterbringen, die nach Angabe des Herrn Vortragenden bei 15 km p. h. maximaler Wagengeschwindigkeit den Wagen auf horizontaler Strecke mit Sicherheit nur 10 km fortbewegen *) Hering: Recent Progress in El. Railways pag. 169. 2) Engineering, vom 21./2. 96 pag 268: Am 2. Februar d. J. brannte in Philadelphia ein großes Geschäftshaus total ab, weil man wegen der Drähte nieht heraus konnte.