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XIV. Jahrgang. ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ 5 No. 1. 1896/97. Benutzung von Wasserfällen zu elektrischen Zwecken in Reutlingen. Nachdem der hiesige Gemeinderat die geplante Errichtung eines Elektrizitätswerks für die hiesige Stadt abschlägig beschieden hat, beginnen die Privatinhaber von Wasserkräften, solche zu Elektrizitätszwecken auszunützen; die Rot gerbergenossenschaft mit ihrem Lohmühlewasserwerk hat damit den Anfang gemacht; die hierdurch gewonnene überschüssige Kraft giebt dieselbe an die Maschinenfabrik von G. Wagner hier ab. — W. W. Kann Elektrizität den Dampf im Eisenbahnbetrieb ersetzen? Bei der wunderbaren Schnelligkeit, mit welcher die Elektrizität sich in alle Gewerbebetriebe und auch in den Straßenbahnbetrieb ein gedrängt hat, frägt man sich unwillkürlich, warum der Eisenbahn betrieb, welcher sich für Signalvorrichtungen des Schwachstromes zwar in ausgedehntem Maße bedient, dem Starkstrom bis jetzt hart näckig die Thüre verschlossen und selbst zu Versuchen bei uns in Deutschland nicht den leisesten Anlauf genommen hat. Im Straßen bahnbetrieb war die Firma Siemens & Halske vorangegangen und hatte durch den Betrieb ihrer Bahn in Lichterfelde schon im Jahre 1879 der Welt gezeigt, daß es sehr wohl möglich ist und große Vorteile bietet, Elektrizität im Straßenbahnbetrieb zu verwenden. Unsere Eisenbahnen sind zwar der Hauptsache nach in Händen des Staates, welchem die Initiative einer Privatperson nicht zuzumuten ist; in Amerika haben jedoch schon einzelne Bahnen, wie die New-York-, die New-Haven und Hartford-, die Pennsylvania-Eisenbahn mit Einführung elektrischen Betriebes auf Neben linien begonnen, um auf Grund der dort gesammelten Erfahrungen auch auf den Hauptlinien zu elektrischem Betriebe eventuell über gehen zu können. Für Verwendung elektrischer Kraft lassen sich jedenfalls wichtige Momente anführen, unter welchen eines der wichtigsten das der Sparsamkeit ist. Unsere Dampf-Lokomotiven, wenn auch die letzten Jahre zu ihrer Vervollkommnung unendlich viel beigetragen haben, sind und bleiben doch immer Kohlenfresser im Vergleich zu stationären Dreifach-Expansionsmaschinen. Die elektrische Maschine würde der Dampfmaschine gegenüber auch den großen Vorteil haben, daß man sie bedeutend leichter bauen kann bei gleicher Zugkraft. Bei geringer Geschwindigkeit hängt die Zug kraft einer Lokomotive nicht nur von der Leistungsfähigkeit der Dampfkraft derselben, sondern auch von der Adhäsion der Triebräder mit den Schienen ab. Eine 60 Tonnen-Dampf-Lokomotive wird vielleicht 45 bis höchstens 50 Tonnen auf den Triebrädern haben, während der Tender mit ungefähr 30 Tonnen, Kohlen und Wasser mit ungefähr 10 Tonnen angenommen werden können. Es liegen also von 100 Tonnen Gewicht nur ungefähr 50 auf den Triebrädern, während man bei einer elektrischen Lokomotive das ganze Gewicht darauf legen kann, weshalb bei gleicher Kraft eine elektrische Lokomotive ebensoviel ziehen wird wie eine Dampflokomotive von doppeltem Gewicht. Je leichter aber die Lokomotive selbst ist, desto weniger hat sie im ganzen zu ziehen, und das spielt bei Schnellzügen, bei welchen dieselbe nebst Tender bis ein Drittel des Gesamtgewichtes des Zuges ausmacht, eine große. Rolle. Bei Rangier maschinen würde sich der elektrische Betrieb ebenfalls bedeutend billiger stellen; denn eine Dampfrangiermaschine muß mit hellem Feuer liegen, ob sie zu thun hat oder nicht, während eine elektrische jeden Augenblick ein- und ausgeschaltet werden kann und in den Ruhepausen keine Kraft nutzlos vergeudet. Die Reparaturkosten unserer Dampflokomotiven bilden einen guten Prozentsatz in den Ausgaben unserer Eisenbahnen und ist anzunehmen, daß die Repa raturkosten elektrischer Motore bedeutend geringer sein würden. Den Eisenbahn-Ingenieuren ist wohlbekannt, daß unsere Dampf lokomotiven keine ausbalancierten Maschinen sind, weshalb die Bewegung einer Lokomotive nicht gleichmäßig vor sich geht und fortwährend Stöße entstehen, zum großen Nachteil der Maschine, sowie des Schienenweges. Elektrische Motoren sind vollständig aus balancierte Maschinen und werden deshalb viel weniger eigene Reparaturen und solche des Schienenweges veranlassen. — Die Ersparnisse, welche im elektrischen Betriebe bei Lokomotiv-Reparaturen gemacht werden können, berechnet der amerikanische Ingenieur Mr. T. 0. Crosby auf 70 7 0 der gegenwärtigen Ausgaben, und der amerikanische Ingenieur Wm. Baxter jr. rechnet der Pennsylvania- Eisenbahn für elektrischen Betrieb eine jährliche Ersparnis von ca. 6,700,000 Dollars vor, bei einem Bestand im Jahre 1894 von 1805 Lokomotiven und einer Gesamtausgabe von 41 Mill. Dollars; dies wäre eine Ersparnis von ca. 16 ‘/a 0 /.. In Deutschland hatten wir im Jahre 1894 einen Bestand von 15,715 Lokomotiven und Gesamt ausgaben in Höhe von 858,865,991 Mk., von welchen löV/o die ansehnliche Summe von 137,418,558.56 Mk. ausmachen würden. Wenn wir auch die Angaben des Herrn Baxter für deutsche Ver hältnisse nicht als maßgebend annehmen können, so gibt eine solche Summe doch immerhin Veranlassung zu dem Wunsche, daß man sich in Deutschland ebenfalls etwas mehr mit der Frage beschäftigen möge. Daß die Betriebssicherheit, selbst mit bedeutend erhöhter Fahrgeschwindigkeit, bei elektrischem Betriebe eher eine größere sein wird als bei Dampfbetrieb, darüber dürfte wohl kaum ein Zweifel bestehen. Ein Omnibus ohne Pferde. Wir entnehmen dem „Leipz. Tagebl.“: Ein elektrischer Funke zündend auf Benzin übertragen und somit Ursache und zugleich Wirkung einer Betriebskraft bildend, wurde neulich zum Ausgangspunkt einer interessanten Omnibusfahrt, die eine Anzahl geladener Gäste von der Motoren- und Maschinen- Fabrik Gerhardt & Oehme in Leipzig-Lindenau nach dem Sandberge in der westlichen Umgebung unserer Stadt führte. Von Gespann war natürlich keine Rede. Eine geheimnisvolle Triebkraft ging hier von einem unter den Sitzbänken des Omnibus höchst ingeniös montierten Benzinmotor aus und übertrug sich auf drei Vorgelege ketten, von denen jede die entsprechende Geschwindigkeit des Motor wagens zu regulieren hatte. Auf diese Weise konnten bei schnellster Fortbewegung 16 km in einer Stunde durchmessen werden, bei gemäßigtem Tempo deren 10 bis 12 und bei verminderter Ge schwindigkeit 7 km. Zwanzig Personen hatten in dem schmucken, mit lichtem polierten Esche- und Birnbaumholz, an den Sitzen mit hellen Nußbaumfournieren belegten Omnibusmotorwagen Platz genommen und sahen sich ebenso bequem als schnell nach dem Zielpunkt ihrer Reise befördert. Ein „technischer Leiter“' im wahrsten Sinne des Wortes bestimmte vom Kutscher bock aus den Weg des pferdelosen mächtigen Wagens, das Einstellen der mit doppeltem Zylinder arbeitenden Maschine, die Regulierung ihres Ganges, die Regulierung der Wagengeschwindigkeit und das Einstellen der an den Hinterrädern doppelt wirkenden Bremsen, zu welchen Mani pulationen ihm eine Reihe leicht erreichbarer Hebel zur Verfügung stand. Sicher rollte das ringsum mit hohen Glasfenstern versehene 4 1 /2 m lange. 2,80 m hohe Motorfahrzeug, ein Gegenstand der Be wunderung für die Passanten, auf der Straße dahin. Auf den ersten Augenblick war bei der verborgenen Anordnung der Maschinenteile von auffälligen technischen Anhängseln nichts zu bemerken, obwohl der Omnibus in seinem Innern vollständig maschinell ausgestattet war, bis auf die Kühlwasserbehälter und auf die zur Zuführung frischen Wassers eingestellte Flügelpumpe. Bei der Schwere des Gefährts hatte natürlich auf besonders stark konstruierte, mit einfachem Holz- zwischen zweifachem Eisenreifenbelag umgebene Räder mit Doppelspeichen Bedacht genommen werden müssen. Alles in Allem, die Probefahrt mit dem neuen originellen „Benzin-Omnibus“ gelang zur vollsten Befriedigung aller Beteiligten. Er wird demnächst nach Südrußland abgehen, wohin das stark am Export teilnehmende Etablissement Gerhardt & Oehme, deren Spezialität Petroleum- und Gasmotore bilden, Lieferungen seiner Erzeugnisse zu richten hat. Vertreter dieser Fabrik sind Franz Tiemann & Co. in Hamburg. Die Verwertung der Elektrizität zur Kraftübertragung für landwirtschaftliche Betriebe nimmt in neuester Zeit besonders im Kreise Teltow ganz erheblichen Umfang an. Namentlich im Umkreise von Tempelhof sind auf einer ganzen Reihe von Gütern und Wirt schaften elektrische Motore eingeführt worden, die alle von der Zentrale der Tempelhofer Elektrizitätswerke mit Strom versorgt werden. So werden z. B. für Göpelwerke, zu deren Betrieb früher 5 Pferde nötig waren, jetzt vierpferdige Elektromotoren verwendet, wodurch die Betriebskosten von 10,80 Mark für den Tag auf 3,50 herabge sunken sind, abgesehen davon, daß die im Winter für diese Zwecke nicht verwendbaren Pferde in dieser Jahreszeit nicht überflüssig ge füttert werden brauchen. Auch die Räumung der Jauchegruben und die Leitung der Flüssigkeit durch Röhren auf die Felder wird auf elektrischem Wege betrieben. Ebenso hat sich bei Dreschmaschinen, der elektrische Betrieb als praktischer und billiger wie der Pferde- und selbst Gasmotorbetrieb erwiesen. Endlich werden sogar Mühlen werke sowie auf großen Gehöften und Wirtschaften die Wasch maschinen durch elektrische Motore in Bewegung gesetzt, so daß jetzt nahezu schon sämtlichen landwirtschaftlichen Arbeiten, die mittels mechanischer Kraft ausgeführt werden können, die Elektrizität dienstbar gemacht wird. Anwendung der Elektrizität im landwirtschaftlichen Betrieb der preussisehen Domänen. Der „N. A. Z.“ wird berichtet, daß mit der Einrichtung elektrischer Anlagen bereits auf je einer Domäne in den Regierungsbezirken Königsberg, Gumbinnen, Hildesheim und Kassel vorgegangen worden ist. Die Elektrizität soll nicht nur für die Beleuchtung, sondern namentlich auch für landwirtschaftliche Arbeiten der verschiedensten Art, als Dreschen, Häckselschneiden, das Treiben von Mühlen und Pumpen, den Betrieb von Brauereien und den landwirtschaftlichen Kleinbetrieb, vor nehmlich aber auch für das Pflügen Verwendung finden. Es steht zu erwarten, daß diese Versuche vorbildlich und bahnbrechend für die Verwertung der Elektrizität im landwirtschaftlichen Betriebe im größeren Maßstabe werden. Die Entwickelung der internationalen Telegraphie. Für die Entwicklung der internationalen Telegraphie war das Jahr 1895 ein Zeitraum großer Ruhe. Namentlich hat sich die Ausdehnung der Untersee-Verbindungen verlangsamt. Wie die Auf zeichnungen des internationalen Bureaus der Telegraphenverwaltungen in Bern ergeben, sind von 1879 bis 1894, also in einem Zeitraum von 16 Jahren, im Ganzen 194 416 Kilometer, in einem Jahre mithin durchschnittlich 12 151 Kilometer Untersee-Kabel dem Welt-Tele- graphennetz hinzugefügt worden. Demgegenüber hat das Jahr 1895 an bedeutenden Kabelverbindungen nur diejenigen zwischen Madagaskar und Mozambique und zwischen Obock und Djibouti im Roten Meere aufzuweisen. Die genauen Längen dieser beiden Kabel sind noch nicht bekannt, doch werden sic zusammen kaum 1000 Kilometer aus machen. Andererseits hat es an weitreichenden Plänen für neue; Kabelverbindungen nicht gefehlt; namentlich ist das Projekt eines Pacific-Kabels, mit dem so viele Interessen des Welthandels und der Politik verknüpft sind, nicht zur Ruhe gekommen. Die beteiligten.