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XI. Jahrgang. No. 9. 1893/94. 80 „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU. nach den Dimensionen identifiziert. Die elektromotorische oder all gemein motorische Kraft ist dem Begriffe nach eine das Potential, das ist die Flächenerregung oder Influenz nach der Raumstrecke vor schiebende, sozusagen, die Flächenerregung in das Volumen der Kraftstrecken hineinschiebende und somit die Masse induzierende Wirkung. Bilden wir die Formeln einfach begriffsmäßig, wobei wir die Gaußsche Potentialformel r zu Grunde legen und daran erinnern, daß die Coulombsche Kraft formel das Differential des Potentials V nach der Kraftstrecke ist, so haben wir zu berücksichtigen, daß die Energieäußerungen stets einen Dualismus der Massen erfordern. Eine isolierte Polarität im mag netischen und elektrischen Gebiete der Erscheinungen gibt es nicht. Die Idee eines isolierten Magnetpols ist ein wissenschaftlicher Unsinn, denn direkt hinter der einen Polarität besteht stets auch die andere. Deshalb haben wir als absolute Einheit des Magnetismus und der Elektrizität (mit letzterer fällt nach Amperes Hypothese der elementare Magnetismus überhaupt zusammen) das Gaußsche bipolare Blättchen zu setzen und dasselbe mit Bezug auf die duale Masse durch M 2 L 2 = M L 2 zu definieren. Die Dicke dieses Blättchens ist gleich der absoluten Längeneinheit L° = 1 , die nicht in die Dimensionen eintritt. Das dynamische, das heißt, das momentan sich in die Kraftstrecke entladende bipolare Blättchen wird definiert durch M L 2 T —1 und das sich ladende durch M L 2 T. Damit haben wir auf naturgemäßem Wege sehr einfache, den physikalischen Begriff verkörpernde Formeln gebildet und letzteres ist doch wohl der Zweck dieser Formeln. Für die motorische Kraft, das ist für die induzierende Volumen energie ergeben sich in analoger Weise die Formeln M L 3 (statisch) und M L 3 T _1 oder ML’T (dynamisch.) Die motorische Kraft wird repräsentiert durch die Kraftröhre bezw. durch den einen konstanten Strom führenden Leitungsdraht. Nach derselben Formel berechnen wir auch die Arbeitsgröße, sowie die Arbeitsstärke des Kolbenspieles einer Dampfmaschine durch Flächendruck mal Weg, hezw. durch Flächendruck mal Geschwindigkeit. Ein dritter Größenbegriff ergibt sich durch die Arbeit der motorischen Kraft gegen die Fläche nach der Formel ML 3 .L 2 = M L 5 (statisch) und M L 5 T _1 oder M L 5 T (dynamisch.) Dieser Größenbegriff wird bezeichnet durch magneto motorische oder allgemeiner gravimotorische Kraft. Sehen wir uns nun die von Clausius angefochtene Max well sehe Formel an.*) Nach M a x w e 11 s Aufstellung ist diese Formel aus zwei Formeln abgeleitet, von welchen die eine die aus dem Ampereschen Satze sich ergebende Beziehung zwischen Elektrizität und Magnetismus, die zweite inplicite noch eine andere Beziehung zwischen diesen beiden Energieformen darstellen soll. Die Formeln sind nach Maxwells Schreibweise [p C‘] M und gL = [T] • Hierin bedeutet [e] die Elektrizitätseinheit und [C 1 ] die Strom einheit, während [p] die Einheit einer Größe darstellt, welche M ax - well als das elektrokinetische Moment eines Stromes be zeichnet. Durch Multiplikation der beiden Formeln ergibt sich [e p] = [M L 2 T” 1 ] • Nach unseren Entwickelungen der Formeln wird dadurch die Potentialstärke definiert. Während nun Maxwell der Elektrizitäts einheit [e] die Dimensionen der elektromotorischen Kraftstärke nach der gebräuchlichen, aus dem Laplaceschen Gesetz abgeleiteten Formel 1 3 rp 2 gibt, muß nach unserer Begriffsbildung, nach welcher die Elektrizitätseinheit als Flächen Wirkung anzusehen ist,, die Größe der Elektrizitätseinheit, sowie der unter denselben mechanischen Größenbegriff (nach Amperes Satze) fallenden Magnetismuseinheit, als Influenzwirkung, durch die Dimensionen des bipolaren Blättchens M 2 L 2 = M L 2 definiert werden. Die dynamische Wirkung dieser Größe wird dann durch Maxwells Koeffizienten [p] des kinetischen Moments des Stromes charakterisiert und diesem Koeffizienten kommt die Dimension = T —1 zu, das ist die Dimension einer Winkel geschwindigkeit, womit der Vorgang der molekularen Rotation ge kennzeichnet ist. Th. Schwartze. Ueber Elektrizität und Elektrotechnik in der Medizin. Vortrag von Herrn D r. med. Bloebaum, gehalten am 14. November 1893 in der Elektrotechnischen Gesell schaft zu Köln a, ß. Durch die Erfindung der Edisonschen Glühlampe ist die Darchleuehtungs- methode der verschiedenen Körperhöhlen in ein neues Stadium getreten. Früher, aber *) A. Treatise on Electricity and Magnetism (1873) Vol. VI p. 240. auch noch nicht seit langer Zeit, bediente man sich, was auch jetz noch in vielen Eällen genügt, eines konkaven Stirnspiegels, welcher das Sonnenlicht oder helles Lampenlicht in jene Höhlen reflektirte und so gestattete, oft noch unter gleich zeitiger Anwendung eines Kehlkopfspiegels, jene Käume zu besichtigen. In neuerer Zeit bringt man ein Glühlicht direkt am Kehlkopfspiegel an, um dies helle Licht der zu untersuchenden Stelle näher zu bringen. Der Reflektor ist eine Nachahmung des Augenspiegels, jenes wunderbar sinnreichen Instrumentes, welches im Jahre 1851 von Helmholtz erfunden wurde. Mittels des Augenspiegels ist es dem Arzte möglich, das Augen-Innere zu durchleuchten und Anomalien in den durchsichtigen Medien, der Linse und dem Glaskörper sowie an den inneren Augenhäuten, der Netzhaut, der Aderhaut und am Sehnerven zu diagnostizieren. Seit der Verwendung des Augenspiegels und durch Hereinziehen der Physik und Mathematik in die physiologische Optik ist die Augenheilkunde zu jener stolzen Höhe in wenigen Jahrzehnten emporgestiegen, auf der sie sich heute befindet, so daß man an dieselbe alle Anforderungen stellen kann, welche man überhaupt an eine exakte Wissenschaft zu stellen be rechtigt ist. So hat auch seit dem Gebrauch des Reflektors und des elektrischen Lichtes die Heilkunde bei Krankheiten des Kehlkopfes, der Nase und des Nasen rachenraumes einen ungeahnten Aufschwung genommen. Nur im Ohre ist der Durchleuchtung eine Grenze gesetzt. Es ist das durchscheinende, aber nicht- durchsichtige Trommelfell, welches das Mittelroh r vom äußeren Gehörgange trennt; aber auch aus bestimmten Trommelfellbildern, welche mittels heller Beleuchtung gewonnen werden, kann man auf gewisse Erkrankungen des Mittelohres Rückschlüsse machen, und auch hier wieder wird das helle elektrische Licht von dem Operateur bevorzugt, um höchst subtile Operationen auszutühren, welche nicht allein den Patienten sofort die furchtbarsten Schmerzen nehmen, sondern oft lebensrettend wirken können. Wie dunkel' gegenüber dem heutigen Standpunkt in den angeführten Disziplinen war es vor 100 Jahren noch in den Köpfen der medizinischen Wiener Fakultät, welche, als sie über den Bozzinischen Lichtleiter, der zum ersten Male „um die Ecke sehen“ lehrte, aburteilte und den Kehlkopf und den Nasenrachen raum als sehr kleine und unwichtige Körperteile der genauen Besichtigung während des Lebens nicht wert erachtete. Ihr ist es ähnlich ergangen, wie später der medizinischen Fakultät zu Erlangen, indem sie in ihrem Urteil über die erste deutsche Eisenbahn darlegte, daß die eventuellen Passagiere einer solchen Eisenbahn infolge der schnellen Fortbewegung sämtlich unheilbaren Gehirnkrankheiten verfallen würden. Für gewisse difficile Untersuchungen muß man aber Sonnenlicht oder elektrisches Licht haben. Setzt man eine größere Edisonsche Glühlampe auf den entblößten Hals außen auf den Kehlkopf und führt in den dunkeln Rachen des Patienten zugleich den Kehlkopfspiegel ein, so sieht man prachtvoll den Kehlkopf durchglüht und kann durch die Ge bilde desselben hindurchblicken, so daß Textur-Unterschiede wahrzunehmen sind. Setzt man dieselbe Lampe auf die Nase, indem man zugleich die Nasenhöhle mit dem Sperrspekulum untersucht, so sieht man, wenn man nun in die Nasenhöhle von vorne blickt, die Nasenwände durchleuchtet. Bringt man das Licht in den inneren Augenwinkel und drückt es gegen die Nase, so sieht man — übrigens alles im dunkeln Zimmer ausgeübt — die Stirnhöhle erglühen. Eine andere Art der Durchleuchtung kann man aber weder durch das Sonnenlicht, noch mit irgend einer anderen Beleuchtungsmethode ausführen, sondern nur mit dem elektrischen Lichte. Führt man die Glühlampe, vorn an .einer Röhre befestigt, in den Mund und läßt denselben schließen, so durchleuchtet das elektrische Licht die hohlen Oberkieferknochen, welche im normalen Zustande dann hellrot erscheint. Sind krankhafte Veränderungen, etwa Geschwülste oder eitrige Ergüsse in diesen Höhlen, so bleiben dieselben dunkel. Obschon bei Eiterungen die Diagnose solcher Erkrankungen in den meisten Fällen auch auf andere Weise zu ermitteln ist, indem bei Nasenbeleuchtung mittels eines Reflektors ein pulsierendes Eiter reflex an der Ausgangsmündung des Oberkiefers in die Nase wahrzunehmen ist, so sind doch manche Fälle nicht so leicht zu diagnostizieren und gibt hier die Durchleuchtungsmethode den Ausschlag für die Richtigkeit. Man kann ferner eine solche Glühlampe an gebogener Röhre in den Nasenrachenraum hinter dem Zäpfchen hinaufführen, einen Raum von der Größe eines Würfels. Hierbei sieht man zunächst das ganze Gaumensegel, soweit es immer reicht, auf die prachtvollste Weise durchglüht und kann hierbei Texturunterschiede in manchen Fällen wahr nehmen. Man sieht z. B. die Raphe des Gaumensegels als einen dunkleren Streifen von oben nach unten in der Mitte bis an die Spitze des Zäpfchens ver laufen, welches zugleich den Beweis liefert, daß bei der Entwicklung des Embryos j das Gaumensegel aus zwei Hälften besteht, die, wenn sie bei der weiteren Ent- j Wickelung nicht verwachsen, die Gaumenspalte herstellen. Diese Durchleucbtungs- methode kann sonach auch für die Entwickelungsgeschichte verwertet werden, | denn während also das Gaumensegel eine Nabt zeigt, zeigt die Oberlippe keine solche, weil diese im normalen Verlaufe der Entwickelung zu keiner Zeit primitiv | gespalten ist, sondern sich zugleich saumartig ausbildet. Diese Methode wird von ganz besonderem Nutzen sein bei sj^philitischen Geschwüren an der Rücken fläche des Gaumensegels, von denen mau bei Besichtigu ng der Gaumensegels von vorn noch gar nichts wahrnimmt, obgleich dieselben an der Hinterfläche | schon arge Verwüstungen gesetzt haben können. Ebenso wie die Spezialisten für Krankheiten der Kopfhöhlen, benutzen andere Aerzte die Edinsonsche Glühlampe, um mit ihr sowohl beim Manne als j beim Weibe in die Höhle der Blase einiudringen und über manche Vorkommnisse j sich daselbst Aufschluß zu verschaffen und hat auch hier die Durchleuchtung durch die Bauchdecken wahrnehmbar, schon ihre Triumphe in Erkennung des betr. Leidens gefeiert. Sie sehen, welch ein herrliches Mittel wir in dem elektrischen Lichte be sitzen, um richtige Diagnosen bei Erkrankungen von Körperhöhlen zu stellen, aber nicht minder wertvoll ist die Elektrizität in ihrer verschiedenen Anwendungs form, um Heilung der betreffenden Krankheiten zu erzielen. So die Galvanokaustik, welche zu Anfang der 50er Jahre durch Middeldorpf in die Medizin eingeführt wurde. Dieselbe hat in den letzten Jahren in ihrer Anwendung eine ungeahnte Ausdehnung gefunden und zwar findet sie in den