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XI. Jahrgang. No. 1. 1893/94. 5 „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU. Weltausstellung in Chicago- (Von unserm Spezialkorrespondenten E.B.) Chicago 2. September. Die Intramural Hochbahn. Wie bereits bemerkt, gehört die sog. Intramural-Hochbahn zu den bei weitem interessantesten Objekten, nicht etwa deshalb weil sie gerade ihrem Hauptzweck nämlich die Besucher von einem Punkt schnell nach dem andern zu befördern in hervorragendem Maße dient, sondern weil sie als eine elektrische Bahn größten Stils gelten kann und man daher das Funktionieren und die Teile welche ein ordnungsmäßiges Funktionieren gewährleisten in praxi vor sich sieht. Es ist ein ander Ding, eine elektrische Trambahn einzurichten, jetzt wo die ausführlichsten Erfahrungen vorliegen, eine Bahnanlage aber in Größe der Intramural Hochbahn hat durch ihre Größe, Geschwin digkeit und die für jede Eventualität vorzusehenden Sicherheitsvor richtungen weitaus einschneidendere Bedingungen zu erfüllen, und es muß umsomehr ein gutes Funktionieren anerkannt werden, als weitreichendere Erfahrungen noch nicht vorliegen. Wir sagten vorher, die Bahn als solche habe bis zu einem ge wissen Grade ihren Hauptzweck verfehlt, das Publikum schnell von einem Punkte zum andern zu befördern. Das rührt von der all gemeinen Disposition her. Die Hochbahn verläuft rings um die Peripherie des Aussteilungsgeländes. Das Ausstellungsterrain ist aber ein so kolossales, daß von einem Punkte der Peripherie, nach den meist dem Zentrum naheliegenden Hauptgebäuden ein ziemlicher Weg zu durchwandern ist und so haben nur ein kleiner Bruchteil I der Besucher einen wirklichen Vorteil von der Anlage. Eine den wirklichen Verkehrsbedürfnissen entsprechende Anlage müßte bei dem gewaltigen Verkehr stets überfüllt sein, denn erstens läuft man in Amerika überhaupt wenig — time is money — und zweitens fährt man bei der angenehmen Hitze von 90 bis 100” Fahrenheit lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Bei der thatsächlich aus geführten Ring-Anlage aber nehmen höchstens 10°/ 0 an einer Hoch bahnreise teil. Die Bahn wurde von der General Electric Co. für Rechnung der Western Dummy Railroad Co. gebaut, welche die Konzession seitens der Ausstellung für 25°/ 0 der Brutto-Einnahme und unter der Be dingung von 10 Cents für die Fahrt erhielt. Die Kraftstation. Man darf ohne zu übertreiben behaupten, daß die Kraftstation der Intrumural Bahn die größten elektrischen Maschinen-Aggregate der Welt umfaßt. Während bis vor kurzem Deutschland mit seinen bis zu 1000 HP starken Dynamos den ersten Rang einnahm, sehen wir hier ein Exemplar von der doppelten Größe, ferner eine 1500- und eine 1000 pferdige Dampfdynamo und endlich noch 2 kleinere Aggregate von 250 HP. und dies alles zum Betrieb der Intramural Bahn. Wenn man eine so mächtige Anlage sieht, da bekommt man erst ein Verständnis, welche Anlagen wir noch in Zukunft zu er warten haben, wenn einmal der elektrische Bahnbetrieb auch für weitere Entfernungen und für erhöhte Geschwindigkeiten Platz ge griffen hat und man erkennt, daß die jetzigen Anlagen für Licht nur schwache Abbilder von dem sind, was uns noch bevorsteht. Es wird also die Hauptaufgabe der elektrotechnischen Industrie sein mit dem größten Eifer dieser Sache die weitgehendste Aufmerksam- j keit zu schenken, denn wer zuerst am Platze ist, ist Herr der Si tuation. In Europa ist allerdings auch bereits in einer gewissen Richtung hin begonnen. Ich erinnere nur an die 2000 pferdige Lo- I komotive von Brown, Boveri & Co., und da Brown als einer der thatkräftigsten und intelligentesten Ingenieure gilt, so darf man früher oder später auf einen Erfolg rechnen können. Es wird genügen, wenn wir einige Bemerkungen über den größten — den 1500 Kilowatt-Generator machen, Gebaut ist die Maschine nach Konstruktionen der Thomson Houston Co. und zwar nach dem Außenpoltypus. Ein kreisrunder Stahlgußrahmen von 4,80 Meter äußerem Durchmesser trägt 12 nach innen gerichtete Polstutzen, innerhalb deren ein Trommelanker von über 3 Meter Durchmesser und 95 cm. Breite rotiert. Der Kommutator hat einen Durchmesser von 2,3 Meter. Die Dynamo ist mit einer liegenden Dampfmaschine direkt gekuppelt, die zum Ausgleich der bei Bahnbetrieb stets auf tretenden stark schwankenden Belastung mit einem Schwungrad von 7,2 Meter Durchmesser versehen ist. Ebenso wie die angegebenen Dimensionen ganz gewaltige genannt werden müssen, so sind natür lich auch die Gewichte entsprechend große. Es wiegt das Magnet gestell 36 320 kg, der Anker 33 400 kg, der Kommutator 5630 kg und die ganze Maschine 81 700 kg. Beistehende Abbildung zeigt die Maschine. Der Anker ist als Nutenanker ausgeführt; massive durch die Nuten gesteckte Kupferbarren bilden die Wicklung. Zwölf Bürsten sätze nehmen den gesamten Strom ab, der bei 500 Volt auf 3000 Amp. bemessen ist. Zu dieser Leistung braucht die Maschine 85 Touren pro Minute. Die Dampfmaschine ist wie gesagt eine lie gende Kompounddampfmaschine mit Reynolds-Corliß-Steuerung und wurde von der E. P. Allis Company gebaut. Die nächstfolgende Dampfdynamo mit vertikaler Dampfmaschine von Hammond-Williams, gleichfalls mit Corlißteuerung, hat eine effek tive Leistung von 750 KW. normal. Wir sahen die Maschine zeit weise mit über 800 KW. arbeiten, ein Zeichen, daß sowohl Dampf maschine wie Dynamomaschine Ueberlastungen, wie sie nun einmal bei Bahnbetrieb unausbleiblich sind, gut gewachsen ist. Das Einzige was weniger unserm deutschen Geschmack entspricht, ist die noch überall vorherrschende Korlißsteuerung. Man mag zwar anführen, daß selbst in der größten elektrischen Zentrale ‘Deutschlands Berlin gleichfalls ausschließlich Korlißmaschinen verwendet sind, allein trotz dem kann man auf dem Standpunkt stehen, daß sich diese Steuerung eigentlich ausgelebt hat. Es folgt eine dritte Dampfdynamo von 500 KW. Leistung von einer liegenden Allis Maschine direkt angetrieben, sowie 2 mit Riemen betriebene 250 KW. Maschinen. Die Maschinen sind mit einem ge meinsamen Schaltbrett verbunden, von wo aus der gewaltige Strom verteilt wird.