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XI. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 2. 1893/94. 18 Herr Baurat Lindley: Die Offerte mit den 30,000 Lampen ist vom 4. Oktober. Ich habe umgehend darüber berichtet. Wir haben überhaupt neuerdings von Zwischenverhandlungen Abstand genommen. Es berührt lediglich das Projekt mit Transformatoren in jedem einzelnen Haus, was nach unserem Bericht gegenüber dem städtischen Projekt einen großen Nachteil bildet. Herr Dr. 0 s w a 11: Ist es so : am 3. Oktober schrieben die Herren, wir sind bei der Konkurrenz vom 5. April die billigsten gewesen, denn wir haben für M. 175,000 weniger offeriert. Auf dem Zettel steht ausdrücklich 33,000 Lampen, also sagt Herr Lindley mit Recht, das ist nicht billiger. Vorgestern ist von mir anerkannt worden, daß Helios weniger leistet. Nun kommt ein neues Stadium. Die Herren wollen dasselbe liefern, aber nicht mit Sekundernetz, sondern mit Einzeltransformatoren. Es ist also ein anderes Objekt und eine wirkliche Nachofferte. Ich bitte um Antwort, ob ich richtig verstanden habe. Herr Baurat Lindley: Am 5. April hat der Helios 3 Offerten eingereicht, 1 für Einzeltransformatoren, 1 für das städtische Projekt mit Ganz zusammen und 1 für dasselbe allein. Die Nachofferten beziehen sich alle auf die erste Offerte, wobei statt für 90,000 Mk. Transformatoren für 500,000 Mark Transformatoren angenommen werden, und statt großer kleine, was im Betrieb wesentlich ungünstiger ist und den Kostenverbrauch um 9700 Mark steigert. Wir konnten das System nicht empfehlen. Herrn Drill ist trotz dieser Erklärung die Sache nicht klar; er bittet, daß die Versammlung diese Frage an die Kommission ver weist, um so rasch wie möglich Auskunft zu bekommen. Ich werde mich zwar nicht irre machen lassen, möchte aber die Frage geprüft haben. Wir sind das unserem Tiefbauamt schuldig. Herr Hartherz: Die Antwort des Herrn Baurat Lindley ist keine Antwort auf die Frage des Herrn Dr. Oswalt. Er hätte sagen müssen ja oder nein. Herr Baurat Lindley: Ich bitte alsdann Herrn Dr. Oswalt nochmals seine Frage zu stellen. Herr Dr. Oswald: Was der Helios 175,000 Mark billiger liefern will, ist das ein Wechselstrom mit Transformatoren für 42,000 Lampen oder sagt der Helios: für dasselbe Objekt verlangen wir dasselbe Geld, außerdem aber sind wir bereit, auch das städtische Projekt mit Sekundärnetz auszuführen? Was die Projekte unter scheidet, ist das blos Sekundärnetz, oder Einzel-Transformatoren ? Herr Baurat Lindley: Ihre Auffassung ist ganz richtig. Herr Dr. Hold heim: Ist vom Helios eine Garantie zugleich angeboten mit der von Ganz ? Herr Baurat Lindley: Es liegt für beide Fälle eine gemein schaftliche Garantie von Ganz und Helios vor. Herr Dr. Holdheim: Die sich auf Beide bezieht? Herr Oberbürgermeister: Das ist noch nicht festgestellt. Vorsitzender: Der Antrag ist gestellt, die Sache an die Kommission zurückzuweisen. Herr Dr. Rößler: Die Sache ist ja ganz klar. Herr Oberbürgermeister: Es ist vielleicht zweckmäßiger, die Schriftstücke zu verlesen. In der Sache selbst herrscht volle Klarheit. Helios offeriert jetzt -— Herr Lindley meint, es sei eine Nachofferte — ein System mit Einzeltransformatoren 175,000 Mark billiger, und wie es Brown-Boveri offerieren, offerieren sie zum gleichen Preise. (Der Redner verliest den Brief der Gesellschaft Helios.) Herr Wedel: Wenn damals der Irrtum in der Offerte des Helios erkannt worden wäre, hätte Helios ein gleiches Projekt ein gereicht und hätte dasselbe Anrecht. Herr Baurat Lindley: Dem muß ich entschieden wider sprechen. Die Offerte von Helios ist damals eingereicht und ange nommen auf derselben Basis und war 153,000 Mark teuerer. That- sächlich ist auf Grund des Ersuchens, eine letzte Offerte einzureichen, eine Offerte von Helios ohne Irrtum eingereicht, die teuerer war. Der Irrtum ist ja erst nachträglich in der Offerte vom 2. Oktober vor handen, wo er sagt, daß er nicht 42,000, sondern 30,000 Lampen speisen will. Von einem aufzuklärenden Irrtum ist nicht die Rede. Herr Sonnemann: Bei einer Kommissionsberatung kommt nichts heraus. Helios hat immer, wenn er unterboten wurde, sein Angebot anders interpretiert. Wenn die Versammlung beschließen wollte, zu Einzeltransformatoren zu greifen, würde ich die erneute Beratung billigen. Da ich aber nicht glaube, daß Sie ein veraltetes System, das größere Gefahren bietet und in Rom, Luzern u. s. w. verlassen worden ist, annehmen wollen, so glaube ich auch, daß wir uns nicht so lange bei dieser Frage aufhalten sollten. Herr Dr. Harnier: Wir werden eigentlich aufgefordert durch die Herren Wedel und Drill, an den Verhandlungen im Frühjahr Kritik zu üben. Darauf kann man nicht eingehen. Wir müssen uns auf die Erklärungen des Magistrats verlassen und sollten uns nicht aufhalten. Herr Oberbürgermeister: Ich wünsche auch sehnlichst den Abschluß, aber nach den Aeußerungen des Herrn Wedel muß ich annehmen, daß eine Anzahl Herren dem Gutachter nicht glauben. Dann muß ich eine Kommissionsberatung wünschen. Herren Wedel und Drill verwahren sich dagegen, daß sie ein Mißtrauen hätten aussprechen wollen. Der Antrag auf Kom missionsverweisung wird abgelehnt. Herr Henrich: Uns Alle beschäftigt der Gedanke der großen Verantwortlichkeit, die noch durch die oberflächliche Kenntnis der Materie bei fast allen Mitgliedern erhöht wird. Dies zwingt uns, eine Firma mit der Ausführung zu betrauen, die eine langjährige Erfahrung besitzt und jede Gewähr in finanzieller und technischer Beziehung bietet. Der Herr Oberbürgermeister hat gesagt, er glaube an die Unfehlbarkeit seiner Sache. (Herr May: An was glauben Sie denn?) Ich bin einigermaßen erstaunt überden Ausdruck Sach verständige, denn Herr v. Miller hat sicli an den Beratungen nicht weiter beteiligt. Der Herr Oberbürgermeister stützt sieh also ledig lich auf Herrn Lindley. Frankfurt ist ja glücklich, einen so hoch- begabten Baurat zu besitzen, die höchste Autorität auf dem Gebiete des Kanalwesens (Heiterkeit). Ich gebe ja auch zu, daß von Anfang an Herr Lindley mit der ihm eigenen Energie sich auf das Studium der Elektrotechnik geworfen hat, allein er hat noch niemals ein selbständiges Werk gebaut oder geführt. Ich kann mich also Herrn Oberbürgermeister nicht anschließen. Ich erinnere Sie an das Jahr 1888, als in London beschlossen wurde, mit der elektrischen Be leuchtung voranzugehen. Sechs große Elektrizitätswerke wurden konzessioniert. Das erste war in Deptford und der Herzog von Beau fort berief als Sachverständigen den damals anerkannten Elektriker Ferranti. Jedermann hat gesagt, die Lage dieses Werkes direkt an der Themse sei außerordentlich geeignet. Jedermann war überzeugt, durch die Wahl von Ferranti ein fehlerloses Werk zu erhalten. Aber es hat nicht gut funktioniert, die Abnehmer waren unzufrieden. Als ein zweites Werk ein ruhigeres Licht lieferte, ist in kurzer Zeit das Deptforder Werk zurückgegangen. Man hat die Absicht, es voll ständig umzubauen. Das wird enorme Kosten erfordern. An dem Vorschlag der Herren Brown, Boveri & Cie. ist mir aufgefallen, und es hat mich sehr erstaunt, daß die Sachverständigen die Legung des Kabels der jungen Firma Obermaier zugestanden und nicht für rat sam gehalten haben, sie der Firma Siemens & Halske zu übertragen, die wirklich einen Weltruf genießt. Viele transatlantische Kabel sind aus der Fabrik von Siemens & Halske. hervorgegangen, und sie sind unbestritten eine erste Autorität. Wenn die Sachverständigen mit der wünschenswerten Vorsicht vorgegangen wären, hätte ich er wartet, daß sie Siemens & Halske damit betraut hätten. Die Gefahr ist nicht zu unterschätzen, die darin liegt, daß, wenn wir einen be deutenden Motorenbetrieb bekommen und das vorgeschlagene System sich nicht dafür eignet, namentlich bei starken Belastungen Störungn im Lichtbetrieb Vorkommen können. Ich habe bei einem kleinen Werk Gelegenheit gehabt, Störungen im Licht zu beobachten, weil eine Sägemühle ihre Maschine einrückte. Dann hat Herr Lindley gesagt, wir können uns unmöglich mit der Gruppe Siemens-Lahmeyer einlassen, denn sie haben eine Menge Patente, auch solche, deren Fortbestand zweifelhaft ist. Das Bedenken ist nicht zutreffend, da das Akkumulatoren-Patent 1894 abläuft. Herr Lahmeyer hat mir versichert, daß er überhaupt keinen Patentschutz habe. (?) Ein weiterer Vorwurf betrifft die Auswahl der Dampfmaschinen. Die große Entwicklung, die die Gesellschaft Linde genommen hat, ist bekannt. Wissenschaftliche Gutachten haben ergeben, daß die Maschinen der Augsburger Maschinenfabrik und der Gebr. Sulzer die besten sind, weil sie den geringsten Kohlenverbrauch haben. Der Herr Sachverständige hat eine andere Fabrik vorgeschlagen. Ich komme zu den Vergleichungstabellen. Wahrscheinlichkeitsberech nungen sind anfechtbar; ich muß sagen, ich kann sie nicht überall für recht halten. Ich gebe auch zu, daß das Siemens-Lahmeyersche Projekt beim zweiten Ausbau teurer ist als Brown, Boveri. Allein nach meiner Ansicht liefert dabei Siemens & Halske Akkumulatoren und da muß ich sagen, daß ich seit 1889 Tudorsche Akkumulatoren besitze. Ich kann den Unterschied beurteilen, den ein Licht hat, das von einem Akkumulator kommt. Im August war ich in Marien bad, wo ein Werk von Ganz ist; ich habe 8 Tage gebi'aucht, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Herr May hat vorgestern eine sehr ausführliche Rede gehalten (Herr May: Ich habe nicht die Hälfte gesprochen wie Sie jetzt !), er war sehr sanguinisch, hat aber über sehen, daß wir heute 9000 Lampen haben, die entweder von Block stationen gespeist werden oder selbst ihr Licht fabrizieren. Wer sind die besten Kunden ? Die Restaurationen mit langem Nachtbetrieb. Die größten Lokale in Frankfurt sind schon versehen. Es wird eine Reihe von Jahren bedürfen, bis diese Abonnenten der Stadt werden. (Herr May: Ich muß nur bemerken, daß ich das Alles schon gesagt habe!) Herr Sonnemann hat uns den Teil einer Verhandlung in Hamburg vorgelegt und die Bürgerschaft kolossal gelobt, daß sie ihr Rückgrat behalten hat. Ich versichere Sie, er hätte kein schlechteres Beispiel für ein städtisches elektrisches Werk anführen können. In Hamburg hat man beschlossen, zu bauen, aber gesagt, man muß alle verschiedenen Lieferanten berücksichtigen. Allein wie es fertig war, ist es nicht gegangen. Es war kein verantwortlicher Redakteur da. Schließlich sind sie zu Schuckert nach Nürnberg gefahren und haben gesagt: Wir geben Ihnen 1 Million, helfen Sie uns heraus! und Herr Schuckert hat die Güte gehabt. Schließlich hat er uns gedroht: das müßt Ihr annehmen, sonst kriegt Frankfurt lange kein elektrisches Licht, und Ihr seid daran Schuld! Bange machen gilt nicht. Wenn Sie heute den Beschluß fassen, nach dem Entgegen kommen von Siemens & Halske, daß wir dieser Firma den Zuschlag geben, wird vielleicht der Herr Baurat ein wenig ärgerlich, aber er hat soviel Patriotismus gegen seine zweite Vaterstadt, daß er mit demselben Eifer an dieses Werk herangehen wird, wie an das von Brown-Boveri. Herr Oberbürgermeister Adikes: Ich bin Herrn Henrich