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234 Einzelnen. Aus diesem Grunde ist es daher geboten, erst die Meinungen über diesen Punkt in den Versammlungen klären zu lassen. Nur soviel sei bemerkt, daß bei anderen Kassen die Dauer der Unterstützung zwischen 13—26 Wochen schwankt und die Höhe der Unterstützung im Durchschnitt 6—15 Mark pro Woche beträgt und wenn wir Krankenunterstützung einführen wollen, wir dieselbe so gestalten müssen, daß unsere Mitglieder von jeder anderen Kasse — außer der Zwangskasse — unab hängig sind, wenn das Ganze einen Zweck und greifbaren Nutzen haben soll. Um nun aber den Kollegen einen Anhalt zu geben, um daß sie sich ein richtiges Bild von den eventuellen Kosten einer solchen Unterstützung machen können, dazu soll die um stehende Kostenberechnungstabelle dienen. An der Hand derselben wird es einem Jedem leicht werden sich zu orientieren, um welchen Betrag sich die Bundessteuer erhöhen wird, je nach der Wahl über Dauer und Höhe der Unterstützungssätze. Als Leitmotiv bei ihren Beratungen mögen die Kollegen sich stets des Sprichworts er innern: „Wo ein Wille, ist auch ein Weg"! (Fortsetzung folgt.) Volkswirtschaftliches. Der Arbeitsmarkt im Monat Mai 1907. (Aus dem Juniheft des „Reichsarbeitsblattes" entnommen.) Die Gesamtkonjunktur des Arbeitsmarktes ist im Monat Mai, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, unverändert günstig geblieben. Aus einer großen Zahl von Gewerben und insbesondere aus den größten deutschen Industrien wird andauernd starker Arbeitermangel gemeldet, so daß die Löhne vielfach auch im Mai noch weiter anzogen. Eine Begleiterscheinung dieser Verhältnisse war die starke Streikbewegung dieses Monats. Ferner machten sich die Ansprüche der Landwirtschaft für die Erledigung der landwirtschaftlichen Arbeiten auf dem gewerblichen Arbeitsmarkt geltend. Im einzelnen war der Kohlenbergbau auch im Mai bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit beschäftigt. Der Eisen bahnwagenmangel, der in früheren Monaten die Förderung stark beeinträchtigt hatte, war im Mai, abgesehen vom Ruhrbezirk, in der Hauptsache beseitigt. Die Eisen-, Stahl- uud Maschinen- Jndustrie war, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, mit Aufträgen voll versehen, und ebenso wird aus der elektrischen, chemischen und Textil-Jndustrie die Arbeitslage als günstig geschildert. Nicht gleichmäßig lagen die Verhältnisse im Baugewerbe, das in einer Reihe von Bezirken einen Rückgang zeigte, in anderen durch Streikbewegungen gestört wurde. Im übrigen machten sich die bekannten Saisoneinflüsse, das Pfingstgeschäft, die Konfektion, des beginnenden Reiseverkehrs und der landwirtschaftlichen Arbeiten im Berichtsmonat geltend. Die Beschäftigungsziffer bei den an dasKaiserliche Statistische Amt berichtenden Krankenkassen war am 1. Juni um 25 280 Personen höher als am 1. Mai. Im Vorjahr betrug die Steigerung 69 533 Personen. Die Berichte der Arbeitsnachweise lassen ebenfalls mit Ausnahme einzelner Bezirke (Baden, Berlin) auf eine nicht ungünstige Lage des Arbeitsmarktes schließen. Die Verkehrseinnahmeu aus dem Güterverkehr deutscher Eisenbahnen waren im Mai 1907 um 5 611208 Mk. höher als im gleichen Monat des Vorjahres; es bedeutet dies gegen das Vorjahr eine Mehreinnahme von 81 Mk. oder 3,2» o/o auf den Kilometer. Haftpflichtgesetz und höhere Gewalt. (Nachdruck verboten). kor. Der § 1 des Reichshaftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 bestimmt, daß der Betriebsunternehmer einer Eisenbahn (also bei den staatlichen Bahnen der Eisenbahnfiskus) für den entstandenen Schaden haftbar ist, wenn durch den Betrieb ein Mensch getötet oder verletzt wird; er ist aber von dieser Ver pflichtung befreit, sofern er nachzuweisen vermag, daß der Schaden durch höhere Gewalt oder auch durch eigenes Verschulden des Verunglückten entstanden ist. Es war an einem Sonntag-Abend, als eine Anzahl Arbeiter in einem Wagen 4. Klasse von W. nach B. (zwei Stationen in Westfalen) fuhren. Die Arbeiter hatten den Sonntag über manches Glas Bier, manches Gläschen echt westfälischen Korns getrunken, und so entstand unter den Reisenden, wahrscheinlich als Ausfluß der guten Stimmung, eine kleine Schlägerei, die nicht ganz harmlos verlief. Einige Reisende flohen auf die Plattform des Wagens, um nicht in die Balgerei hineinzugeraten. Aber die Streitenden, denen eine kleine Luftveränderung vielleicht sehr not tat, drängten gleichfalls auf die Plattform hinaus, und dabei wurde ein an der Schlägerei nicht beteiligter Mann, den wir Zimmer nennen wollen, hinab geschleudert, sodaß er auf das Gleis fiel. Zimmer nahm nun auf Grund des oben er wähnten Z 1 des Haftpflichtgesetzes den Eisenbahnfiskus in An spruch; dieser aber wendete ein, der Schaden sei durch höhere Gewalt entstanden. Das Reichsgericht konnte, in Uebereinstimmung mit der Vorinstanz, die Richtigkeit dieser Anschauung nicht an erkennen; es schließt sich auch im wesentlichen der Begründung der Vorinstanz an, die sich etwa in folgender Weise ausgesprochen hat: Man müsse in den betreffenden Jndustriebezirken, wo an Sonntagen die Arbeiter zu Exzessen neigen, mit derartigen Vor kommnissen rechnen, und es gäbe auch eine ganz^ Reihe von Vorkehrungen, welche derartige Unfälle, also namentlich das Abstürzen von Personen, verhindern. Auf die Revision des Fiskus bemerkt das Reichsgericht, es käme garnicht darauf an, ob die Eisenbahndirektion die Kampflust dieser Art von Leuten gekannt habe oder nicht; denn es handelte sich um offenbare Tatsachen, wie sie in dem angezogenen Paragraphen vorgesehen seien, jedenfalls sei, dem Wortlaut des Gesetzes gemäß, die Körperverletzung „bei dem Betriebe der Eisenbahn" erfolgt. Bei der vorliegenden Sachlage, wie sie das Berufungsgericht festgestellt habe, erübrige es sich noch, zu untersuchen, ob schon begrifflich höhere Gewalt deshalb ausgeschlossen sei, weil es sich nicht um Kräfte und Tätigkeiten handele, die von außen in den Betrieb eingegriffen hätten. So das Reichsgericht; aber natürlich kann von höherer Gewalt nur da die Rede sein, wo Naturgewalten, die mächtiger sind, als des Menschen Kraft und Wille, in unser Werk ein- greifen. Wenn mehrere sich im Eisenbahnzuge zanken und dabei ein Unbeteiligter auf die Schienen fällt, so ist das eine rein menschliche und sicher keine höhere Gewalt. Und ebenso richtig ist es, wenn das Reichsgericht den Fiskus auch für die mangelhaften Einrichtungen seines Betriebes, durch welche der Absturz überhaupt erst möglich geworden, verantwortlich macht. x. 8. Rechts- und Gesetzeskunde. ßnUclieldung des kadenen Veewsltungsgepiclits. lä. wer kann im Lalle seines Aufenthaltes in einem Arankenhause Angehsrigen-Unterstühung ver langen? Nach § 7, Abs. 2 des Krankenversicherungsgesetzes hat die Krankenkasse — falls der von ihr in einem Kranken hause Untergebrachte Angehörige besitzt, deren Unterhalt er bisher aus seinem Arbeitsverdienste bestritten hat — für diese Angehörigen die Hälfte des Krankengeldes zu zahlen. — Wieder holt haben sich die Gerichte nun schon dahin ausgesprochen, daß diese Angehörigen-Unterstützung nur dann neben freier Kur und Verpflegung zu gewähren ist, wenn der im Krankenhause Unter gebrachte der Haupternährer der Familie war, wobei es keinen Unterschied ausmacht, ob dieser Haupternährer der Ehemann, die Ehefrau oder ein Kind beider ist. Es ist auch vorgekommen, daß Ehemann und Ehefrau — beide Angehörige einer Kranken kasse — gleichzeitig in einem Krankenhause verpflegt wurden. In solchen Fällen haben die Gerichte, wenn sie dazu berufen wurden, über streitige Ansprüche zu entscheiden, geprüft, wer von den beiden nach den tatsächlichen Verhältnissen als Haupternährer anzusehen ist. Einigermaßen verwickelt lag folgender Fall: Ein Arbeiter war bis zum 8. November in seinem Gewerbe tätig gewesen, dann war er mebrere Monate krank und erhielt ein Krankengeld von Mk. 10,20 wöchentlich. Die Frau hatte, so lange der Mann erwerbsfähig gewesen war, lediglich den Haushalt besorgt. Nach der Erkrankung des Mannes nahm sie jedoch eine Beschäftigung an, welche sie bis zum 24. Dezember ausübte und in der sie Mk. 7,80 wöchentlich verdiente. Dann erkrankte auch sie und wurde im Krankenhause ausgenommen. Nun verlangte sie die Hälfte ihres Krankengeldes als Angehörigen unterstützung, indem sie behauptete, daß sie, bevor sie krank wurde,