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206 Auf demselben Prinzip wie die Lusthämmer beruhen die Stampfapparate, welche z. B. in Gießereien zum Stampfen des Formsandes Verwendung finden, nur daß hier Kolben und Werk- eug (also hier der Stampfer) aus einem Stücke bestehen resp. est miteinander verbunden sind. Eine jedem Reisenden wohlbekannte Einrichtung, die Westinghouse-Bremse, wird ebenfalls durch Preßluft betätigt. Eine an der Lokomotive befestigte Luftpumpe, deren Auspuffdampf man während des Stillstandes des Zuges deutlich durch das Ohr wahrnehmen kann, pumpt Luft in den unter der Lokomotive befindlichen Hauptluftbehälter, welcher seinerseits durch eine Schlauchleitung mit den unter den einzelnen Wagen befindlichen Hilfsluftbehältern verbunden ist. Die eigentliche Bremsvorrichtung besteht aus den Bremsbacken, welche mit dem Kolben eines Preßluftzylinders in Verbindung stehen. Gewöhnlich wird der Kolben durch eine kräftige Feder in der Höchstlage gehalten und die Bremsbacken sind damit von den Rädern obgezogen. Wird aber der Druck in der Hauptleitung vermindert, so stellt das so genannte „Funktionsventil" automatisch eine Verbindung zwischen den Hilfsluftbehältern und den Preßluftzylindern her, Preßluft tritt hinter den Kolben, treibt ihn gegen den Federdruck vorwärts und die Bremsbacken legen sich gegen die Räder. Zur Lösung der Bremse muß der Luftdruck in der Schlauchleitung wieder erhöht werden, alsdann verbindet das Funktionsventil den Preß luftzylinder mit der Atmosphäre, die Preßluft tritt aus dem Zylinder aus und die Bremsen werden durch den Federdruck abgezogen. Das zischende Geräusch, welches man nach der Still setzung des Zuges hören kann, rührt von der aus den Preßluft zylindern strömenden Preßluft her. — Die Druckverminderung in der Hauptleitung kann vom Führerstande aus oder von jedem Abteil durch Betätigung der Notbremse bewirkt werden. Ihre direkte Ursache ist das Auslassen von Luft in die Atmosphäre. Zwecks Druckerhöhung muß die beim Bremsen aus der Leitung gelassene Luft durch neue aus dem Hauptluftbehälter ersetzt werden. Die von dem Berliner zur schnelleren Uebermittelung von Nachrichten gern beanspruchte Rohrpost benutzt ebenfalls die Preßluft als Betriebsmittel. Briefe und Karten werden hier in Kapseln geschlossen und durch den Druck der Preßluft unter Vermittlung eines weitverzweigten Röhrensystems von einer Post station zur anderen getrieben. Die Einrichtung der Rohrpost ist keine neue, die Meinung, daß mit der Einführung der Elek trizität die Schnellbeförderung von Briefschaften einen anderen Charakter annehmen würde, hat sich als irrig erwiesen, da der Transport durch kein anderes Mittel so billig und sicher wie durch Preßluft erfolgen kann. Eine interessante Verwendung findet die Preßluft in den Preßluft-Wasserpumpen, die von der Berliner Firma A. Borsig unter dem Namen „Mammutpumpen" auf den Markt gebracht werden. Die Pumpe arbeitet ohne jede beweglichen Teile und läßt sich durch das Prinzip der kommunizierenden Röhren er klären: Füllt man Wasser in zwei miteinander verbundene, verti kal aufgestellte Röhren, so steht der Wasserspiegel in beiden gleich hoch, vorausgesetzt, daß nicht etwa bei Anwendung zu schwacher Röhren eine Kapillarwirkung hinzukommt. Füllt man jetzt in eine der Röhren Oel an Stelle des Wassers, so wird das Oel wegen seines geringeren spezifischen Gewichtes in seiner Röhre höher stehen als das Wasser. Der Vorgang in den Preßluftwafferpumpen ist ein ganz ähnlicher. Zwecks Errichtung der Pumpe führt man ein langes Rohr in den Erdboden ein. Das Wasser, welches sich in dem Rohre sammelt, wird mit dem Grundwasserspiegel nach dem Gesetze der kommunizierenden Röhren abschneiden. Führt man durch Oeffnungen, welche in etwas über halber Höhe im Rohre angebracht sind, Preßluft ein, so daß eine innige Mischung zwischen Luft und Wasser erzielt wird, so wird das Gemisch ein geringeres spezifisches Gewicht als das Grundwasser aufweisen und sein Spiegel daher über den Grund wasserspiegel herausstehen. Wählt man die Preßluftzufuhr ge nügend stark, so fließt das Wasser oben aus dem Rohre heraus. Einer weiten Verbreitung erfreuen sich heute in Deutsch land die Sandstrahlgebläse, welche als Medium eine Mischung von Sand und Preßluft von geringerer Spannung verwenden. Zum Matüeren resp. zur Ornamentierung des Glases wird heute an Stelle des früher gebräuchlichen Aetzmittels, der Fluß säure, mit großem Vorteil das Sandstrahlgebläse verwendet, ebenso in den Gießereien zum Putzen des aus den Formen ge hobenen Gusses. Bei diesen Gebläsen wird entweder durch den Druck der Preßluft fein verteilter Sand einem Luftstrahle zuge führt und von diesem mitgerisfen (Drucksandstrahlgebläse), oder der Preßluftstrahl saugt sich die notwendige Sandmenge selbst an (Saugsandstrahlgebläse). Eine günstige Wirkung ist in erster Linie durch eine gleichmäßige Mschung der beiden Medien be dingt. Soll nun eine Glasplatte mit einem Mattornament ver sehen werden, so bedeckt man die Platte mit einer der gewünschten Zeichnung entsprechende Schablone und führt die Düse, welcher der Sandstrahl entströmt, so lange hin und her, bis die gewünschte Wirkung erzielt ist. — Die hier geschilderte Freistrahlwirkung kann auch zum Gußputzen ausgenutzt werden, für das Putzen kleinerer Gegenstände benutzt man jedoch vorteilhaft den soge nannten Rotationstisch. Das Putzen wird hier automatisch durch schwingende Düsen, welche die auf einem rotierenden Tische untergebrachten Gegenstände bestreichen, besorgt. — Um die bei der Freistrahlverwendung entstehende Staubbelästigung zu um gehen, kann man die Reinigungsprozedur in einem sogenannten Gußputzhause vornehmen, aus welchem die staubgeschwängerte Luft durch größere Exhaustoren abgesaugt wird. Es ist klar, daß man die Preßluft dazu benutzen kann, Motoren, die ähnlich den Dampfmaschinen konstruiert sind, zu betreiben. In Amerika (Newyork) laufen Straßenbahnwagen mit Preßluft-Antrieb. Jeder Wagen führt Reservoirs von großem Fassungsvermögen mit sich, welche Luft unter einem Drucke von 100 und mehr Atmosphären enthalten. Der Druck, mit welchem die Motoren laufen, ist jedoch unter Vermittelung eines Reduktionsventils auf ca. 10 Atmosphären herabgesetzt. Die Neuladung der Reservoirs kann an der Endstation in kürzester Zeit bewirkt werden. Der Vorteil gegenüber dem elektrischen System besteht vor allen Dingen in dem Fortfall der kostspieligen und oft reparaturbedürftigen Drahtleitung. Die aufgeführten Verwendungsarten der Preßluft umfassen zwar nicht das ganze Anwendungsgebiet dieses modernen Betriebs mittels, umgrenzen aber einen wesentlichen Teil desselben. Die Preßluft erfüllt fast sämtliche Funktionen aller anderen Trieb kräfte und dazu viele, die nur ihr eigen sind: sie ist das Mädchen für alles der modernen Technik und es ist zn hoffen und zu erwarten, daß der Deutsche, der sich Neuerungen gegenüber ja stets spröde verhält, die Vorteile der Preßluftverwendung recht bald in ihrem vollen Umfange erkennen und würdigen lernt. Ein Beitrag zur Lösung der Rauchfrage. Nachdruck verboten. Die Frage der Rauchverhütung, kurz auch Rauch plage genannt, gipfelt darin, daß man die festen Bestandteile des Brennstoffes oder der Verbrennungsrückstände, welche ge wöhnlich mit den Abgasen der Feuerung durch den Schornstein entweichen, zurückzuhalten sucht. Daß die entweichenden festen Bestandteile zum großen Teil brennbare sind, d. h. unverbrannte Teilchen des Brennstoffes, liegt auf der Hand, und deshalb kann man auch behaupten, daß, je dichter und dunkler der Rauch eines Schornsteines ist, um so unvollkommener die Verbrennung. Der hierdurch entstehende Verlust spielt jedoch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine weit geringere Rolle, als die „Rauch plage" selbst, d. h. die Belästigung der Anwohner durch den fortwährend herniederfallenden Ruß. Besonders in großen Städten, bei Dampfanlagen innerhalb des Weichbildes ist es ein Postulat ersten Ranges, die festen Rückstände der Verbrennung am Entweichen durch den Schornstein zu verhindern. Der Nächstliegende Gedanke ist nun, die Verbrennung zu einer vollkommenen zu machen, was durch eine genaue Zug regulierung allerdings theoretisch erreichbar wäre, aber in der Wirklichkeit wegen nicht absolut gleichmäßiger Beschickung des Rostes, wegen wechselnder Dampfentnahme und vieler anderer Umstände schlechthin unmöglich ist. Durch eine übergroße Luft zuführung gleichsam eine übervollkommene Verbrennung zu er streben, führt auch nicht zum Ziele, denn abgesehen davon, daß