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Die ArcmeuEirche Die Neuzeit bat mit ihren bauten viele maleriscke Blicke ein für Oon ^Norden allemal zerstört. Auch unsre Frauenkirche, die fa ganz für sich vor den Toren der Stadt lag, im Kreise umschlossen von ihrem geweihten Kirckbose, mußte allmählich ein Stück nach dein andern von ihm den praktischen Bedürfnissen der Gegenwart opfern. Am frühesten die Nordseite. Die Gegend, wo heute der Marienplatz liegt, war in früherer Zeit der Taubenmarkt, aber sie wurde eigentlich erst zu einem Platze, als ums Jahr 1847 zugleich mit dein Abbruche des Frauentores der bis herige Schießzwinger zugeschüttet und mit dem südlich anstoßenden Rähmhofe vereinigt wurde. Gärten dehnten sich auf der linken Seite, wenn man aus dem Tore trat, bis zur Kirchhofmauer hin, die den Weg zwischen ihr und dem gegenüberliegenden Frauenhospital, die frühere Hospitalgasse, fühlbar verengte. Ein solcher Garten auf dem Boden des alten Rähmhoseö ist jetzt auf unfern. Bilde der Standpunkt der Aussicht auf den nordöstlichen Teil der Frauenkirche, der heute durch das Kaufbaus Strauß von weitem verdeckt wird. An der Kircbe selbst können wir im Vergleiche mit heute erhebliche Verschiedenheiten nicht wahrnehmen. Zhr Westanbau mit Glocken stube und Barockhaube, der 1697 vollendet wurde, steht bereits, und auch das sonstige Äußere ist hier im wesentlichen so geblieben wie es damals war. Aber die Umgebung! Wie eine schöne alte Landkirche in prächtigem Park mutet sie uns an. Ein großer alter Baum erhebt sich aus Nasen und Buschwerk an erhöhter Stelle, die uns den Überblick über seine nächste Umgebung gestattet. !Wer ahnt hier den Marienplatz, wer erkennt in dem kleinen mit Schindeln gedeckten Hause nördlich der Kirche den Nackbar des alten Strauß, ein Hänschen, das einst eine Schmiede vor dem Tore barg, während daneben die Fuhrleute vor der Stadt rasteten und sich und ihre Rosse stärkten? Und wie wir dieses Hänscben nur von seiner Rückseite sehen, wie das dichte Geäst des großen Baumes den Strauß verdeckt, so erscheinen uns auch nur zum Teil die kleinen andern Hänschen, die in weitem Bogen den Chor der nahen Kirche umgeben: die frühen Vorboten der Gtruvestraße! — Bis i8Z9 besaß hier der Kommerzienrat Bauer einen Garten, der sick, schier endlos vom heutigen Marienplatz nach Osten zog. — Das Grundstück enthielt nur ein einfaches bescheidenes Haus mit niedrigem Obergeschoß und zwei kleinen Nebengebäuden, das unter seinem Gchindeldache nur im Sommer die Familie des Besitzers beherbergte, die an dein großen wohlgcpflcgten Gras-, Obst- und Gemüsegarten ihre Lust und Freude hatte, gesteigert durch den Ertrag edler Wein reben an Spalieren. Das waren die Erholmigsstunden des vermögenden alten Görlitzers, der mitten in den engbegrenzten Straßen der alten Stadt seinen Ge schäften nachgehen mußte, — eine Erholung weit, wie man damals fühlte, vor den Toren, in der reinen Luft der freien Natur, eine Vor ahnung von Schrebergärten und Wochenend. Und wie herrlich baut sich über dem allen der alte gotische Chor mit seinen hohen, maßwerkgeschmückten Fenstern auf, an den sich die zweigeschossige Sakristei mit ihren zarten Formen anschmiegt, und die zweijockige Verlängerung des Mittelschiffes znm Chor, die wie daö ganze Langhaus schlickte Strebepfeiler mit wirkungsvollen Kreuz blumen schmücken. Der reizvolle Anblick wird noch durch die aus aus- gckragten Steinsckivcllen ruhenden Stcinlnken mit Giebeln an der Ost- nnd Südseite cindrncksvoll erhöht.