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X In liebes, scköncs Görlitz! — Wen je dein Bann riefenHeünat- / gefühls und Heimatbewußtseins in seine 2lrme geschlossen hat, den läßt er nickt niekr los in Zeit und Ferne. Er wird sein heiliger, nn- veräußerlicker besitz. Seckzigjälirig begann Goethe „Dicktnng und Wahrheit" aus seiuem Lebe« zu sckreibeu, und wie eine sckiinmernde Blütenknospe drirnzt zu ihm aus den» Nebel der Ferne die Erinnerung au die Zeit, wo er als Kind seiner Vaterstadt Frankfurt die ersten Eindrücke der altebrwürdigen Heimat suchte nnd sand. Geht's nickt jeden, von nns ebenso? — freilich, die Heimatorte sind versckicden, wie alles, was der Rcensck in seinen, Leben zu». Teuersten seines Daseins rechnet: Religion und Vaterland, Haus und Herd, Weib und Kind. Jedes bat sein Eigeuweseu, das sick entfaltete in langer, nimmer rastender Entwicklung zu einen, einzigartigen Gewebe, dessen Kettenfäden das Weltgeschehen, dessen Einschlag der ziel- bewnßte Wille des einzelnen war. — So anck jede Stadt, der der Wille der Bürgerschaft zn jeder Zeit ibr änßeres nnd inneres Ge präge schuf. Hunderte von Jahren Kat dieser Wille über unserer lieben Stadt gewaltet, Tausende von Jahren ans ihren Duren, bevor die Stadt erstand! Bände müßte man lesen, um einen Einblick zu erlangen in das !Wacksen und ^Werden dieses besonderen Heünatgedankens, dieser besonderen Heimatäußerung, wie sie grade in nnserm liebe» Görlitz, und sonst nirgends, in die Erscheinung getreten ist, wie sie in besonderer Weise grade den Görlitzer als Heimatgefübl und Heiinatliebe fesselt. Rber Heimatliebe ist nrcbr ein Gesübl, als ein Wissen, ein Gefühl, das weniger vermittelt wird dnrck cingcbendes GesckicktSstudimn, als dnrck die nock beute lebendig fließenden Duellen steter Anschauung voll Achtung und Liebe, der Anschauung des Gewesene» und des Ge wordenen, das in greifbarer Gestalt die Heimatstadt zn dem gemackt hat, was sie war und ist. Es sind die Steine, die zu uns reden, die Steine, die der Wille unsrer Vorfahren fügte und formte, die Steine, ans denen nickt nur Ge- scbmack und Bildung unsrer Väter sprickt, sondern ibr ganzes langes Ringen nm die Sondergestalt der Heimatstadt in Hans und Kircke, in Rraucr und Tnrnr — die Ausgestaltung des Stadtbildes in be- baglickem Frieden wie in bitterstem Kampfe. Dieses Stadtbild ist das in seiner Eigenart einzige Angesicht der Heimat, das wir lieben in seiner Jngendsriscke wie in den ebrsnrckt- erweckenden Runzeln und Narben böcksten Alters, sein frisckes, jugendliches VorwärtSstreben wie den ernsten, abgeklärten, steinfesten Geist, den altersgraue Türme, Neanern, Kirchen und Denkmäler ansatmen, diesen uns tief berührenden Geist versunkener Zeiten, der dock so eindringlich und mächtig zu uns Görlitzern sprickt in der ibn, eigenen wortlosen Sprache. Dieser wortlosen Sprache unsrer alten ehrwürdigen Görlitzer Bauten undKunstscköpfnngenWorte zu leiben, das so ost voll Liebe und Stolz erschaute, nur unsrer Stadt eigene Vermäcktnis der Vergangenheit in liebevoller Betrachtung näher zu bringen in Bild und Erklärung — das ist der Zweck dieses Buckes. Kein Gesckicktswerk, keine Forsckerarbeit will es sein. Nur ans dem Erforschten fnßen. Es will im stillen Heim jedes Görlitzers in Nähe wie in weiter Ferne seinen Platz finden nnd aufgescklagen werden in weihevoller Stunde, die der Heimat gilt, die den Vater im Alter in seine Jugendzeit führt, und dem Sobne in der Ferne das achten lehrt, was der Vater ihm von seiner goldigen Heimat in trauter Stunde kündete. * Wickler Nebel deckt die graue Vorzeit unsrer Heimatstadt wie unsrer engeren Heimatslur. Und dock ist es unermüdlicher Forschung ge lungen, hier und da mit dem sckarsen Rüstzeuge der Wissenschaft