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Die Grablegung in der Barbarakapelle Die Dreifaltigkeitskirche hat eine große Menge hervorragender Altertümer tren bewahrt: Grabsteine, Tafelgemälde, Kerzenhalter, ein großes Triumphkrenz und vieles andere, das heute in der hervor ragend sachgemäß erneuerten und gefchmückten Kircke äußerst vorteil haft zur Geltung kommt. Auch Altar und Kanzel, diese mit ihren reichen Spätrenaissarrcesorrrren, der Altar von 171z durch die eigenartige Wirkung des Lichteinfalls auf das Mittelbild, verdienen Beachtung, ganz besonders aber eine wohl als Aufsatz eines Altars gedachte lebensgroße Figurengruppe aus Sandstein. Sie steht in der Barbarakapelle und ist ebenfalls ein Werk des Hans Olmützer von hervorragender Scbönbeit und ergreifender Wirkung. Er bat es 1492 im Auftrage des „Jorge Emmerich" gefertigt, „der den steyn hat nicbt weit von Präge drecken vnd bolen vnd nut seiner eygen Kost (auf seine eignen Kosten) vnd Darlegung also bereiten vnd zu einem tcstament dobey fetzen lassen." llber dem Leickname des Herrn, den Maria auf dem Schoße hält, ersckeinen Maria und Johannes in balber Figur mit sckmerzvoll zum Himmel gerickteterrr Angesicht nnd einem sceliscken ^lusdrncke, der, je länger wir ihn bctrackten, desto eindringlicher ans uns wirkt. Ein andrer Jünger an der Seite des Johannes nnd links neben der Maria Nikodemus mit dem Salbgefäß rahmen die Hauptgrrrppe ein, die in ihrem ganzen Aufbau ein Meisterwerk der damaligen Zeit genannt werden kann. Sind die dargestellten Personen in ibrer Ersckcinung von ganzer Figur (des Nikodemus) bis zum teilweise verdeckten Brustbilde des Jüngers an des Johannes Seite abgestuft, so ist bei der ergreifenden Mittel gruppe noch besonders das harmonische Zusammenwirken derVertikale in den Gestalten und der Horizontale durch den Leib Christi, die noch mehr durck den linken Arm betont wird, zur Geltung gebracht. Auch das seelische Ineinander der ganzen Gruppe verdient besondere Beachtung: Gefühl und Blick der Figuren sind nicht auf einen Punkt gerichtet, sondern wirken durch die scköne Verteilung ihrer Anteil nahme an der Grablegung. Während die Hauptpersonen, Maria und Johannes, im Mittelpunkte ihre schmerzerfüllten Augen trost- snckend gen Himmel rickten, blickt Nikodemus in sanft vorgebeugter Haltung voll innigen Mitleids die Trauernden an, und nur der Jünger zur Rechten stellt durck seinen tieftranernden Blick nach dein entseelten Heilande gewissermaßen die Hauptgefühlsrichtung aller bei der Grablegung des Gekreuzigten her. Die sanfte Modellierung des Körpers Christi wie der Köpfe der Trauernden, die Ausgestaltung der sich frei bietenden Haare, die treff- licke Darstellung des Faltenwurfes, besonders am Kopftucke der Maria, den, Rocke des Johannes und dem Lendentucke des Heilandes wie des reckten Ärmels des Nikodemus wirken fast wie ein Gemälde nnd lassen den Gedanken an starren Stein kaum anfkommen. Die Rückseite der Figuren blieb nnbcarbeitct, »veil die Gruppe vor eine Wand gedacht war, hat aber in einem kleinen Punkte insofern eine Beeinträchtigung erlitten, als außer den angedcuteten Linien aus Stein das Haupt des Gekreuzigten früher noch eine Dornenkrone ariS Bronze trug, wie die vorhandenen Nietlöcker beweisen. Auf eine ähnliche Ergänzung durch Bronze weisen auch die Löcher der Bart gegend hin. Der oberste Teil des Sockels trägt die Inschrift: „I^nno clni 1492. 8it j)iu8 ille milri, <>uem lies clrilc issimi» vir^o. Gnädig sei mir, den dir beweinst, süßeste Jungfrau." Außerdem steht an» Sockel: tor erat Seor^ius — Besteller war Georg Emerich." Wir werden dem Künstler noch einmal bei einer verwandten Dar stellung in der Salbnngökapellc des Heiliger» Grabes begegnen.