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ÄaS (§I)0rgt'stllI)I Dem sogenannten Ratsgestühl anfs engste verwandt und zu glcicker Zeit mit ihm entstanden ist das Chorgestühl, das noch heute beide Seiten des Chors der Dreifaltigkeitskirche, wie die alte Franziskaner kirche im Jahre 1715 neu genannt wurde, ziert. Die beiden rechts und links vom Hochaltar aufgebauten Stühle ent halten in zwei in der Mitte vorn unterbrochenen Sitzreihen Nanni für 64 Möncke. Das ganze Werk ist ans Eichenholz geschaffen unter besonderer Betonung der Seiten- und Zwischenlehneri, die phantastische Tiere und Vögel, eine Mitra mit Krnmmstäben, Engel mitSpruchbändern und einen sinnenden Franziskanermönch zur Dar stellung bringen. Trefflich gescbnitztes Ast- und Nankenwerk bildet die Füllungen, die in ganz ähnlicher Weise wie das RatSgestühl bekrönt sind. Was neben seiner künstlerischen Arbeit dem Gestühle nocb eine be sondere Bedeutung verleiht, ist die Inschrift, die sich über die ganze Länge des Baldachins der Hinterwand hinzieht und das Jahr i4^4 als das der Vollendung des Gestühls angibt. Diese Inschrift ist in einzelnen Teilen wiederholt auf ihre Glaub würdigkeit hin angezweifelt worden, obgleich man annehmen muß, daß die Franziskaner gut unterrichtet waren, und daß ihnen nichts ferner lag, als eine unrichtige Urkunde ausgerechnet ans ihrem Chor gestühl anzubringen. Der Inhalt der Inschrift enthält die Geschichte des Ordens nnd ist für Görlitz dort von besonderer Wichtigkeit, wo die Ordensgeschichte sich mit der der Stadt Görlitz verflicht. Da lautet gleich der Anfang (links oben ans unfern» Bilde): „Xnrro clomini^IiI!XXXIcivitu8r6AiÄ6orIitcxcoii8truitur: iiZi wird die königliche Stadt Görlitz gegründet." — Geschichtsforscher, die früher diese Notiz für abwegig hielten, haben sich heute zur Wahr ¬ heit der neuen Bnrggründrmg des Sobieslans auf dem alter, Gör- litzer Burgberge bekannt, die dock die unmittelbare Voraussetzung und damit den Anfang der Stadtgründung bedeutete. Und weiter: „Anno I2Z4 wurde der Görlitzcr Konvent gegründet dnrck den Brandenburger und Lausitzer Markgrafen vor der Stadt, und Edle mit Namen Wirsyrrge haben den Brüdern ihrer» Besitz als Bauland gegeben." Die Tatsache, daß die Verfinge ein Gut vor dem alten Obertore besaßen und es den Franziskanern zum Klosterbarr überließen, ist unbestritten wie das Jahr der Kloster gründung. Nur die Erwähnung Ottos III. von Brandenburg soll Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Franziskaner erregen. Sollten die Franziskaner wirklick nack kaum iZo Iabrcn so un wissend über die Gründungsgeschichte ihres Klosters gewesen sein oder sie gar absichtlich gefälscht haben? — Otto I I I. stand seit jeher in den intimsten Beziehungen zu seinem nachmaligen Schwiegervater Wenzel von Böhmen. Wenzels Schwester Agnes hatte den Franziskaner orden mit seinem 1212 gegründeten weiblichen Zweige der Clarissinnen in Prag eingesührt — und dasselbe geschah bald auch in Görlitz, wo nock heute die Normenstraße nack diesen Clarissittnen-Normerr ihren Namen hat. Otto III. hieß mit Recht Pius, der Fromme, und es ist nicht das einzige Kloster, das er gründete. i2Zi soll er mit Beatrix, der Tochter Wenzels, der Nichte der Agnes, verlobt worden sein, und seine Hochzeit fand 1244 statt. Als eine Art Mitgift bekam er die Oberlausitz und besonders Görlitz. SeineWitwe lebte dann alsWohl- täterin in Görlitz. Otto hat also wohl schon vor seiner Heirat im Interesse des Ordens und seiner späteren Verwandten Görlitz ans- gezeicknet, und der Franziska,rerbrrrder bat bei Verfassung der In schrift in» Jahre 1484 Otto III. so benannt, wie er damals in der Geschichte bekannt war.