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Die Viehweide um 4 830 Der Tempel au der Viehweide 4845 Langhin dehnten sieb einst vor unserer Stadt Weiden und Triften, besonders im Süden und Südosten. Wie es in den heutigen Klein städten noch üblicb ist, hielten sieb die Bürger ihr Dich, das hinans- getrieben wurde vor die Tore aus die „Viehweide", auf die jeder sein Hutnngsrecht hatte. Ein altes Bild ist uns erhalten mit der Unterschrift: „Parthie von der Viehweide bei Görlitz." Außer unserer Landeskrone finden wir kanin etwas, das uns die Brücke zu unserm heutigen Görlitz schlagen hilft. Wo sind sie hin, die Landhäuser, Scheunen und Sommerbäuscken? — Kaum einer weiß noch, daß sie einst waren, wo sie standen und wem sie gehörten. Der schöne neue Park verdrängte in Anlehnung an die „neue Pro menade" die alte Viehweide. Aber die Hutungen wollten abgelöst sein. Seit den dreißiger Jahren etwa finden wir, daß dieses dadurch geschah, daß den Hntnngsberechtigten der „Oberen Viehweide" als Abfindung freies Gelände südlich des Parkes und östlich der Pro menade zuerkannt wurde. Diese Ablösungsentschädigung gewissermaßen znsammengesaßt und vorzüglich ansgenützt zn haben, ist das Verdienst des nachmaligen Fabrikbesitzers Ernst Friedrich Geißler. Seit 1839 kaufte er mit ziel sicherer Beharrlichkeit sämtliches Gelände zusammen, das den heutigen Otto-Müller-Park einnimmt, um ans ihm etwas zu macken, das nickt nur die Freude seiner Person und seiner Familie, sondern auch unzähliger Görlitzer wnrde, die seinen schön angelegten Park wie einen öffentlichen benützen und sich in ihm tummeln und vergnügen durften. Der alte „Kolbeteich" bildete den Mittelpunkt der Anlage; in ihm spiegelte sich das stolze, schloßartige Gebäude, dem sick die Gärtner wohnung und die Stallungen anschlossen. Als Ernst Geißler im Jahr 1874 starb, hatte ec sein ganzes schönes Besitztum, da er keinen männlichen Erben besaß, seinen zahlreichen Verwandten vermacht, die es 1904 an die Firma Lippmann Co. veräußerten. Heute steht kein Stein mehr von allen Gebäuden, selbst das prächtige Wohnhaus mußte verschwinden, als Geheimrat Otto Müller im Jahre 190.; das Grundstück erwarb, um es der Stadt Görlitz als einen der Öffentlichkeit geweihten und der Zierde derStadt Görlitz dienenden Park zu schenken. Geheimnisvolles Dunkel schwebt für den nicht Eingeweihten um die Begründung des Nichterspruckeö, der einem so schönen und unverbrauchten Gebäude, das in hervorragen der Weise öffentlichen, edelsten Zwecken hätte dienen können, das Todesurteil sprach! — Wir sind gewöhnt, an der Stelle, wo früher die alten Scheunen standen, den so malerisch und „massiv" wirkenden Portikus zu sehen, der seit 1840 diesen Platz mit seinem vergänglichen Material trotz Stnrm, Schnee »nd Regen standhaft behauptet. Wohl wenige aber wissen, daß an seiner Stelle zuvor ein Tempel stand, der einst in schicksalsschwerer Stunde geschaffen worden war, um am Z.August 1815 den Mittelpunkt der Erbhuldigung in Görlitz beim Übergange aus sächsischer Herrschaft an Preußen zu bilden. Er stand bei dieser Feier vor dem Salzhause auf dem Obermarkte. In seinem Innern sah man aus einem geschmückten Altäre die Büste Friedrich Wilhelms III. Der Tempel selbst war mit Inschriften »nd einem einen Lorbeerkranz haltenden Adler geschmückt. Vier Stufen führten zu ihm empor. Bei der Feier waren „Singe-Chor und die Stadtmusik" hinter ihm ausgestellt, während von seinen Stufen aus der Stadtrickter Or. Straphinns die Festrede hielt. Ein altes ver gilbtes Blatt hat uns das Bild dieses Tempels bewahrt in der Um gebung, in die er nach den Tagen der Feier versetzt wurde, an der Stelle, wo ihn 184« der Portikus ablöste.