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Der Bahnhof 1847 unh bis 19^4 Nach Abbruch des Vorwerks und Vollendung der Ausscbacbtungs- arbeiten wurde mit dem eigentlichen Bau unseres Bahnhofes am 2i. September 1846 begonnen. Wir wissen, daß die Bahnhofs gebäude an den größeren Stationen der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn ziemlich gleichmäßig in ihren» Stile nnd Ausbau sind und könne»» zu»»» Beispiel ir» Guben und Kohlsurt »ms noch gut ein Bild von unserem ersten Bahnhose machen. Von diesem Kohlsnrter Bahnhofsgebäude, das viel früber als das Görlitzer sertig war, schreibt ein Reisender in» September 1846: „Das Bahnhofsgebäude muß man selbst sehen und bewundern! Ginge einmal in Jahrhunderten diese Bahn ein, und dieses Gebäude bliebe dort in Ruine»» stehen, dann würden die Gelehrten sich die Köpfe fehr zerbrechen, ob hier ein Kölner Dom, ein Waldkloster oder was sonst gestanden habe. Überhaupt ist es merkwürdig, daß man den Eisenbahngebäuden keine»» eigenen und passenden Baustil zu geben ge wußt hat: am unglücklichsten ist der deutsche Kircbettstil darauf an gewendet worden: weniger sonderbar die Bauart einer altdeutschen Burg, wie in Köthen. Der Kohlsnrter ähnelt dem Kirchenbane." Was uns auf unser»»» Bilde zuerst und am meisten anffällt — denn die erste, alte Form des Bahnhofs ist im allgemeinen auch nach seinen» zweiten Umbaue bis iu die neueste Zeit erhalten geblieben — ist der Zugang, der, wie heute noch in Guben, von der Ostseite erfolgte. Wir sehen, daß dieser von der heutigen Berliner Straße durch eine»» großen Güterschuppen verbaut ist. Der Zugang war also dort, wo heute der Jakobstunnel sich befindet, der danialö noch nicht vorhanden war; vielmehr führte die Jakobstraße in gleicher Ebene wie der Tunnel auf die Höhe, von der heute die Altlntheraner-Kirckc herabscbant. Hier stehen die liebe»» Görlitzer in ihrer Tracht aus der Mitte des vorige»» Jahrhunderts, die Herren im hohen Hut, die Dame»» mit winzigen Sonnenschirmen, vor dem „Zügle", dessen Lokomotive be reits fahrbereit faucht und znm Einsteigen in die eigentümlichen, omnibusartigen Wagen aufznfordern scheint. Schon vorher war ein Aushilfsbahnhof in Hennersdorf angelegt, wo znm ersten Male am 9. November »846, abends 6 Uhr, eine Loko motive „Brandenburg" von Kohlfnrt ans einlief. Dieser mußte den späteren Bahnhof Görlitz einstrveilen ersetzen. Von Kohlfnrt bis Hennersdorf ginger» täglich vier Züge hin und zurück in der erstaun lich kurzen Zeit von 50 Minuten. Unter der Bekanntmachung des Fahrplans stand zu lesen: „Mit den Personenzügcn werden Personen in der i., 2. nnd Z. Wagenklasse, Equipagen, Pferde, Hunde und Eilfracht befördert. Mit den Güterzügen werden keine Personen, sondern nur ordrnaire Fracht, Pferde und Vieh aller Art befördert. Die näheren Bestimmungen ergiebt das Betriebs-Reglement, welches ans allen Stationen für i Sgr. zu haben ist." Lange genug hat es gedauert, bis die unendlich großen Schwierigkeiten des Geländes zwischen Görlitz und Hennersdorf überwunden waren, der Durchstich an der Lanbaner Straße geschaffen und der gewaltige Viadukt gebaut »var. Erst im Jahre 1868 wurde der Zugang von der Berliner Straße durch die Anlage eines Tunnels auf der Nordseite mit entsprechendem Vorbau für Treppen und dergleichen geschaffen. Was bedeutete das für eine Verbesserung für das ganze Leben und Treiben nm und an unfern» Bahnhofe! Diese zweite Gestalt des Bahnhofes, die bis zum Weltkriege im ganzen »rnverändert blieb, ist den meisten Görlitzer»» noch in gutem Gedächtnis.