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Der Bahnhof Das Jannakfche Vorwerk 4845 Auf dem nebenstehenden Bilde sehen wir noch einmal das stattlicke Gehöft, dessen sckön gestalteter Giebel und dessen umrabmte Fenster wobl glauben lassen, daß hier ein reicker Bürger unserer Stadt zu Zeiten seinen Sommersitz hatte; heute würden wir sagen „sein Wochenendhaus". Nicht minder webrsähig als von draußen zeigte sick dies Hans von der Hofseite aus. Die Fenster im nntcrcn Stockwerk werden wohl erst in jüngerer Zeit eingebrocken sein; dock die sckmale, niedrige Haustür, die im Verhältnis zum ganzen Hause klein erscheint, war nur der Sickerbeit wegen so gestaltet. Lickt gewährten dann dem fenster losen Untergeschoß nur einige sckmale Schlitze, von denen wir noch einen rechts der Haustür erkennen können. Der linke Anbau mit den, „geheimen Gemach" an der westlichen Giebelseite ist selbstverständlich in jüngerer Zeit entstanden. Aus der südlichen, uns zugewandten Seite desDaches fällt »ms schließ lich noch, im Gegensatz zu den, oberen neuen, ein alter, mächtiger Sckornstein ans, der darauf schließen läßt, daß dieser Raucbfang für einen offenen Herd gebaut war, über den, er sick nach oben anssteigend öffnete. Dieser Herd gehörte natürlich zu einer Küche, die sick gleich rechts vom Eingänge im Hausflur befand. Du gute, alte Zeit! Wie spärlich zeigen sick beute noch Spuren, aus denen man lernen kann, wie in früheren Jahrhunderten unsre Vor fahren wohnten »nd bansten. Vom Hofe des Grundstückes ans schauen wir über die niedrige Maner nach unsrer Stadt bin, deren Turmspitze» in weiter Ferne über die Scheune emporsteigen, während in größerer Nähe in, Hintergründe unserm Blicke ein anheimelndes zweites Vorwerkhaus, von hohen Pappeln umstanden, begegnet. Im Jahre 1845 war das ehemalige Iannaksche, dann dem Erbauer des Viaduktes, dem Baumeister und Stadtrat Kieszler, gehörende Grundstück abgerissen, nachdem es Jahre zuvor die Stadt erworben und für den Bahnhofsban zur Verfügung gestellt batte. Am Donnerstag, den, 26. August 184?, langte die erste Lokomotive der Nicderschlesisch-Märkiscken Eisenbahn auf dem inzwischen fertig gestellten Bahnhofe an. Von den Türmen des Empfangögebändes wehten Fahnen in den preußischen und sächsischen Landesfarben. Am Mittwoch, dem i. September, fast genau ein Iakr nach dem Tage, an dem der erste Stein zum Gebäude gelegt war, wurde die Bahn der Öffentlichkeit übergeben. Dieser denkwürdige Tag wurde mit einen, Mittagsmahle gefeiert, zn den, die Direktoren und Oberbeamten der Bahn geladen waren. Freilich war diesem Feste schon eine besondere Feier vorangegangtn. Denn unser Bahnhof diente seit seinem Bestehen gleichzeitig der Sächsisch-Schlesischen Bahn, und so war bereits am 7. August des selben Jahres eine Lokomotive dieser Bahn hier eingetroffen. Auch ihre Anwesenheit veranlaßte große Feierlichkeiten, zu denen das „Städtische Musikkorps" festlich ausspielte. Nach allerhand anderen Aufmerksamkeiten wurde die geschmückte Lokomotive nach Reichen bach zurückgeleitet. Bis hierher verkehrten nämlich seit dem i.Iuli die Züge von Dresden, jedoch zunächst mir für Personen. Es fuhren täglich drei Züge, die von Dresden bis Reichenbach nur 2 Stunden .50 Minuten gebrauchten, was immerhin schnell genug war, wenn inan den längeren Aufenthalt auf deu Stationen einschließt. Die Niederschlesisch-Märkische Bahn war zunächst für den Ver kehr zwischen Berlin „nd Breöla» gebaut und ihr dann erst die Ver- bindungsstrecke Kohls,rrt—Görlitz angegliedert worden.