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Der Bahnhof Januaksches Grundstück Karte von 464t Ansicht von 1845 Mit Staunen und Granen sah Görlitz den ersten Eisenbahnzug am 26.Angnst 1847 in seinen Bahnhof rollen, zwölf Jahre später, als zum ersten Male die Lokomotive mühsam omnibnsartige Personen wagen von Nürnberg nach Fürth schleppte — die erste deutsche Eisen bahn! Wie mancher mochte sich damals dem sancbenden Ungetüme einer Dampfmaschine nicht anvertrauen und ging immer »nd immer wieder auf den Bahnhof, bis er sich endlich an den Gedanken gewöhnte, daß man doch nun auch einmal, wie es andere taten, Leib und Leben einem so rasenden Beförderungsmittel anvertranen müsse! — Und heute? Trotz aller Unglücksfälle gilt die Eisenbahn als zabm, wäbrend Autos und Flugzeuge täglich einen neuen Schnelligkeitsrekord auf stellen und mitleidig auf ihre alte Verkehrsschwestcr herabschauen. Der Tag, der eine Stadt mit dem Eisenbahnnetz verbindet, ist stets von einschneidender Bedeutung. So auch für Görlitz. Nicht bloß in bezug aus den Verkehr, sondern auch im Hinblick aus den Bauplan und die ganze bauliche Entwicklung der Stadt. Es ist vielleicht ein Zufall, daß dieses Ereignis mit dein Fallen der Maliern und Tore in unserer Stadt fast genau zusanunensällt, aber es ist von der größten Bedeutung für Richtung und Plan der Stadt entwicklung, daß in dem Augenblicke, als das gewaltige Flügelregen neuzeitlichen Verkehrs die alten Maucrgrenzen gesprengt hatte und sich nach Erweiterung umsah, dieser die Richtung nach dem ncnen Bahnhofe gebieterisch von selbst sich aufnötigte und so die alten Ge höfte, Gärten und Acker verschlang. Wir wissen, daß derPlatz für den Bahnhof erst nach langen Kämpfen festgelegt wurde, nachdem man lange an eine Stelle nördlich der Stadt, nach Hennersdorf zn, gedacht hatte. Wie mancher war zuerst empört, daß der neue Schienenstrang die Stadt im Süden erdrosselte und in zwei Teile zerschnitt! Betrachten wir zunächst den Platz. Auf dem nebenstehenden Aus schnitte der Karte, die im Jahre 1641 von dem Generalqnartier- meister Melchior Gchlomach angesertigt wurde, als die Schweden in Görlitz lagen und vom Kurfürsten von Sachsen belagert wurden, er kennen wir rechts die Frauenkirche und das Spitaltor. Von hier aus geht ein Weg in leicht schräger Richtung nach links, die Jakobsgasse. An ihr finden wir ein mit Feldbefestigungen und mit „N" bezeichnetes Gehöft, das dem Kurfürsten nach seiner Ankunft zur Belagerung als Wohnung diente. Auch hatte hier Friedrich der Große auf einem seiner Durchmärsche sei» Hauptquartier. Ehemals war es wohl em alter Ritterhof und gehörte später dem Bürgermeister von Görlitz, Bartholomäus Gehler. Später hieß es nach seinem Besitzer das Jannaksche Vorwerk, das dann der Erbauer des Viaduktes, der Baumeister und Stadtrat Kieszler, erwarb. Ihm kaufte es die Stadt ab, um es für den Babuhossbau zur Verfügung zu stellen. Wie es in ältesten Zeiten anSgesehen hat, wissen wir nicht, aber der Grundriß der Gebäude ist sicher derselbe geblieben, wenn auch das Wohngebäude, wie unser Bild zeigt, im 16. Jahrhundert seine jetzige Form erhielt. Wir sehen zunächst die ganze Straßenfront an der Jakobsgasse; rechts den von einer niedrigen Maner umgebenen Garten, dann das statt liche Wohnhaus mit dem schönen Nenaissancegiebel und den gleich zeitigen Fenstergewänden. Hohe, feste Mauern un,schließen den Hof, und die Schießscharten deuten ans die Möglichkeit einer sicheren Verteidigung. Früher war das Gebäude noch besser verwahrt, denn das kleine Türchen und Fenstercben sind erst in späterer Zeit ausgebrochen worden. So machte das ganze Gebäude den Eindruck eines woblbefestigten und verteidi- gungssähigen Herrensitzes.