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Festmahl der Görlitz er Schlitzen 4660 Welch köstliches Mahl! Welch reichbcsetzte Tafel! — Als wenn Könige und Fürsten zu Tische säßen! — Und es waren ja auch Könige unter ihnen. Zwar nicht Könige lind Herrscher über irdische Güter. Es waren Könige in dec Kunst des Zielens und des sicheren Treffens. Wie vornehm sind sie alle gekleidet, wie wallen die wohlgepslegtcn Haare auf ihre Schultern, wie gut steht ihnen der Knebclbart zu Ge sicht! — Und nun erst die Speisen! Eine solche Fülle des Besten und Herrlichsten, das die Küche bieten kann, ward nicht oft gesehen. Wer möcbte da nicht mitmachen und sieb als stiller Gast unter diese aus erlesene Schar mischen? Liegen da nicht auf dieser Schüssel sein ge salzene Hammelrippchen und ans jener zwei leckere Karpfen, und bicr ein Täubchen und dort ein Hühnchen? Und noch so vieles andere, an Gemüsen und Kompotten? — Dazu vor jedem Gaste ein hohes Kelch glas mit perlendem Weine, und aus dem Tische dort rechts gefüllte Kannen mit dem edlen Naß, harrend ans geleerte Gläser. — Und auf alle» drei Tischen ein weißes Linnen, vor jedem Gaste ein Teller- chen und, o seht doch genau hin, Messer und Gabel; dazu eine Zitrone für jeden. Fürwahr, ein köstliches Mahl! Wer sind sie mm alle, die hier versammelt sind in fröhlicher Runde? — Es ist die Schützenbrnderschaft von Görlitz. Und ihre Namen, kennt man sie alle? — O ja, jeden von ihnen kann man benennen, jeder von ihnen hat gelebt und sich seines Lebens gefreut und sicher auch für seine Vaterstadt gekämpft. Da sitzen an der vornehmen Onertafel, um nur einige Namen zu nennen, die Bürgermeister Bartholomäus Gehler und Daniel Richter, die alten Bürgermeister George Endermann und Friedrich Ferber, der Stadtrichtcr Gregocins Gobbins, die Natsschöppen Tobias Schnitter, Karl Förster und Nikolaus Ramsch, der Schützen-Ober- älteste Ebristof Crantz, der Stadtschreiber und Schützenälteste Ehren fried Henning, dann Ckristian und Ignatius Moller, Augustin Kober, George Emerick) «nd viele andere. Auch die Namen an den beiden LängStiscben sind bekannt; aber sie alle aufzuzählen wäre zuviel. Und daß die Tafelmusik nicht fehle, hat man das „städtischeOrchester" bestellt: den Herrn Petzell, musieu« instiumeicknli«, Herrn Ball, Stadtpseiffer, und seine Gesellen, dazu Alexander Tripstrille, den Windmacher. Von den Wänden herab aber schauen die Bilder wirklicher Kaiser und Könige diesem froben Mahle zu: die Römischen Kaiser Leopold und Ferdinand I II., der König von Schweden, die Kurfürsten Johann Georg I. und II., die Herzöge August, Christian und Moritz, und auch ihre Damen fehlen nicht. Der Maler dieses Bildes aber sitzt am vorderen Ende der linken Tafel. Er hieß Jobann Geysins, war selber Gchützenbrnder und mag wohl manche Stunde gearbeitet haben, ebe er die io8 Figuren in den kleinen Raum gebannt hatte. Diesem Bilde mm fügte er noch zwei zusammenklappbare Flügel hinzu, aus deren Fnnenseite er eiue große Zahl Bilduissc malte. Auf der Außenseite der beiden Flügel aber waren jene beiden Schützen zu sehen, deren Figuren wir auf der vorhergehenden Seite zeigten. Gemalt sein wird dieser „Schützenaltar", wie man das Werk nennt, um das Fabr 1660. Als er fertig war, schenkte Geysius ibn der Schützengesellschast. — Heute hängt es als wertvolle Leihgabe in uuserm Museum. Wne mancher Sohn, Enkel und Urenkel mag vor diesem Altäre ge standen und in das Antlitz seiner Vorfahren geschaut haben. Und auch wir, die wir ihnen bald Zoo Jahre fern stehen, schauen sie an nnd ge denken der damaligen Zeiten, wo sich zwölf Fahre nach dem schreck lichen Dreißigjährigen Kriege fröbliche Männer in frohem Kreise vereinten. 95